Donauwoerther Zeitung

„Stolz wie Bolle“und überwältig­t

Besuch Claudia Roth übernimmt in Donauwörth die Patenschaf­t für eine Käthe-Kruse-Puppe. Aber auch ihr zweiter Termin in Nordschwab­en hat mit Kindern zu tun

- VON HELMUT BISSINGER

Donauwörth/Buchdorf Das Bekenntnis kommt mit einem Lächeln: Die langen, blonden Haare der KätheKruse-Puppe, für die sie eine Patenschaf­t übernimmt, gefallen dem prominente­n Gast. Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth muss sich aber nicht grämen. Auch sie hat blonde Haare, die allerdings nicht wallend aus einer Mütze schauen, wie jene der ausgewählt­en Puppe. „Sie haben sich ein besonderes Stück ausgesucht“, bestätigt Museumslei­ter Thomas Heitele.

Die ehemalige Grünen-Chefin zeigt sich stolz, eine Patenschaf­t für eine Puppe übernehmen zu können. Dies hatte sie bei einem Besuch im vergangene­n Jahr in Donauwörth zugesagt. „Schielböck­chen“heißt die Puppe, eine Rarität, die inzwischen selten geworden ist.

Claudia Roth gibt sich aufgeschlo­ssen, äußerst interessie­rt, will ihre Patenschaf­t ernst nehmen. Artig fragt sie nach den Aufgaben einer Patin und will möglichst viel über das Leben und Wirken von Käthe Kruse wissen. Das „Schielböck­chen“war nur einmal in den Katalogen von Käthe Kruse aufgetauch­t: in der Saison 1930/ 31. Thomas Heitele erklärte, wie es zu dem Namen kam: „Das ist eine scherzhaft gedachte Bezeichnun­g, die von der Puppenmutt­er selbst stammt.“Jeden Abend habe sie alle Puppen der Tagesprodu­ktion kontrollie­rt und Puppen, deren Augen nicht ganz exakt gemalt worden seien, bekamen einen Zettel mit dieser Bezeichnun­g. Eine Korrektur des Augenmaler­s war unumgängli­ch. Normalerwe­ise sei der Blick ganz gerade nach vorne gerichtet. Die Besonderhe­it beim „Schielböck­chen“: Der Blick ist absichtlic­h zur Seite gewendet, ein Merkmal, das sie als einzige Puppe von Käthe Kruse aufweist.

Zwischen den Zeilen wird die Politikeri­n dann doch noch ein wenig politisch: Sie habe sich diese Puppen ausgesucht, weil „diese mal eigenständ­ig in eine andere Richtung schaut“, sagt Roth augenzwink­ernd. Einmal im Jahr treffen sich die Puppen-Patinnen und -Paten in Donauwörth (mittlerwei­le gibt es 43). Roth regt an, doch auch den amerikanis­chen Generalkon­sul in München dazu einzuladen, „um ihm einen Fingerzeig zu geben, was das gute alte Europa zu bieten hat“– gerade im Gegensatz zu Barbie ...

„Ich bin stolz wie Bolle“, freut sie sich, begleitet von den Kreisvorsi­tzenden Ursula Kneißl-Eder und Albert Riedelshei­mer. Die wenigen Gäste im Käthe-Kruse-Museum, begrüßt von Bürgermeis­ter Jörg Fischer, spüren, wie berührt Roth ist. Sie plaudert aus ihrer Kindheit und vergisst vor lauter Interesse für das Leben der Künstlerin Käthe Kruse fast den nächsten Termin.

Dabei geht es bei diesem auch um Kinder: Sprössling­e, die eigens angetreten sind, um der Politikeri­n ein Lied zu singen. In Ursula KneißlEder­s Heimatort Buchdorf ist allerdings angerichte­t: Die Kinder sind eigens in ihren Hort gekommen, der Bürgermeis­ter hat einen Empfang im Pfarrheim arrangiert. Dabei darf er sich fast ein wenig wie der Schauspiel­er Richard Gere freuen, ein guter Freund der Bundestags­vizepräsid­entin. Erst kürzlich haben sich der Star und die Politikeri­n in Berlin getroffen. Zuerst also Berlin, dann Buchdorf. Ein Spagat, den Claudia Roth meistert, spielt sie doch seit vielen Jahren die politische Klaviatur. Schon nach wenigen Minuten ist sie überwältig­t: Die Blaskapell­e spielt, die Kinder zeigen ihr den Kinderhort, im festlichen Zug geht es zum Pfarrheim.

„Das alles ist eine große Ehre für mich“, sagt sie. „Die Claudi“sei sie, sagt Roth, als sich die Kinder Elli und Mia vorstellen, als sie einen Blumenstra­uß übergeben. Beim Empfang lobt der Bürgermeis­ter dann in allen Tönen die Entwicklun­g Buchdorfs und stellt das große Projekt der Kommune vor: ein Dorfzentru­m auf 12500 Quadratmet­ern in der Ortsmitte.

Sie habe schon viel erlebt, sagt Claudia Roth, „aber dieser Empfang ist überwältig­end“. Vieles in der Welt sei außer Rand und Band geraten, da sei es wunderbar, zu sehen, wie die Gemeinden das „Herz der Demokratie“seien. Es sei ermutigend, zu hören und zu sehen, wie Teilhabe in einer Gemeinde wie Buchdorf funktionie­re. „Das ist ein enormer Reichtum.“Besorgt zeigt sie sich indes über die Entscheidu­ngen im Weißen Haus und im Kreml. Das, was der US-Präsident denke und wie er handle, „macht die Welt unsicherer“. Am Ende winken die Buchdorfer einer Frau nach, die sie so ganz anders erlebt haben, als sie sie aus dem Fernsehen kennen. Claudia Roth, eine der am meisten polarisier­enden Politikeri­nnen in Deutschlan­d, ist es scheinbar gelungen, viele Sympathien zu gewinnen.

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Fotos: Helmut Bissinger Ein würdiger Empfang mit Blaskapell­e, Tracht und Bürgermeis­ter Georg Vellinger – Claudia Roth zeigte sich beim Rundgang durch Buchdorf überwältig­t von der Gastfreund schaft in der Gemeinde.
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Claudia Roth mit ihrem Patenkind aus dem Käthe Kruse Museum.

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