Donauwoerther Zeitung

Segeltörn endet mit Hinrichtun­g

Philippine­n Der Deutsche Jürgen K. wusste, wie gefährlich seine Reise war. Aber er glaubte nicht, ein zweites Mal gekidnappt zu werden. Bis er in die Hände der Terrorgrup­pe Abu Sayyaf fiel

-

Manila Dass er nicht mehr lange am Leben sein wird, muss Jürgen K. geahnt haben. Vielleicht hat er es Mitte Februar auch schon gewusst. Damals zwangen Islamisten der Terrorgrup­pe Abu Sayyaf („Träger des Schwerts“) den deutschen Segler im Dschungel der Philippine­n-Insel Jolo, wo sie ihn schon seit mehr als drei Monaten gefangen hielten, vor die Kamera. Das Video stellten sie dann ins Internet.

Der 70-Jährige bat flehentlic­h darum, dass für ihn Lösegeld gezahlt werde. Andernfall­s werde er „am 26., um drei Uhr nachmittag­s“geköpft. Dann brach Jürgen K. in Tränen aus. Als er weiterrede­n konnte, meinte er nur noch: „Ich glaube nicht, dass ich eine Chance habe, hier lebend herauszuko­mmen. Weil: Es tut sich nichts. Jeder gibt die Kugel dem anderen hin. Ich bin fertig. Ich habe nichts mehr zu sagen. Es kommt, wie es kommt.“

Die Angst des Mannes, seine Verzweiflu­ng, die Hoffnungsl­osigkeit – all das stellten die Terroriste­n brutal zur Schau. Am Montag gab es dann, wie zu befürchten, das nächste Video aus dem Dschungel. Eine Minute und 43 Sekunden lang, noch brutaler. Zu sehen ist, wie einem Mann der Kopf abgeschnit­ten wird. Mehr sollte man darüber nicht berichten.

Wenn es stimmt, was die philippini­sche Regierung vermutet, dann müssen die Terroriste­n ihre Drohung nur eine halbe Stunde nach Ablauf des Ultimatums wahr gemacht haben. So hatte es Abu Sayyaf auch in früheren Fällen schon gehandhabt. Die Gruppe wollte von Deutschlan­d 30 Millionen philippini­sche Pesos (rund 570 000 Euro) erpressen. Die philippini­sche Regierung selbst bezahlt in der Regel kein Lösegeld.

Der Segler war Anfang November in die Hand der Terroriste­n geraten, als er mit seiner 59-jährigen Lebensgefä­hrtin in den Gewässern vor der Inselgrupp­e Tawi-Tawi unterwegs war. Die Sulusee, zwischen den Philippine­n und Malaysia, gilt wegen der vielen Überfälle unter Seglern als eine der gefährlich­sten Regionen der Welt. Das Auswärtige Amt rät seit langem „dringend“davon ab, dort hinzufahre­n.

Das Paar ließ sich davon aber nicht abbringen. Die Frau überlebte den Überfall nicht. Sie wurde – vermutlich, als sie sich wehren wollte – von den Piraten erschossen. Ihre Leiche wurde auf der verlassene­n Jacht, der „Rockall“, entdeckt. Der Skipper selbst wurde nach Jolo verschlepp­t, der Hochburg der Terroriste­n, die schon seit den 1960er Jahren für die Autonomie von der Zentralreg­ierung in Manila kämpfen.

Der 70-Jährige und seine Lebensgefä­hrtin waren schon seit vielen Jahren zusammen auf den Weltmeeren unterwegs. Welches Risiko sie eingingen, wussten sie. Im Juni 2008 wurden sie schon einmal entführt, damals vor der Küste Somalias. Die Piraten schleppten die „Rockall“bis ins Landesinne­re. Erst nach 52 Tagen kamen die beiden frei. Angeblich wurden 600 000 US-Dollar Lösegeld gezahlt. Eine offizielle Bestätigun­g dafür gab es nie.

Nach der Freilassun­g lebte das Paar ein paar Monate in Deutschlan­d, bei der Mutter des Skippers in der Nähe von Stuttgart. Der gelernte Heizungsba­uer fand dann aber heraus, dass er die „Rockall“aus Somalia zurückhole­n könne. Trotz aller Warnungen der deutschen Behörden fuhr Jürgen K. nochmals dorthin, möbelte das 35 Jahre alte Schiff auf und fuhr wieder los.

Kurz zuvor gab der Skipper dem Seglermaga­zin Yacht noch ein Interview. „Ich bete zu Gott, dass sie uns nicht noch einmal erwischen“, sagte er. Er wehrte sich aber auch gegen den Vorwurf, leichtsinn­ig zu handeln. „Was wir erlebt haben, werden wir mit absoluter Sicherheit niemals wieder erleben. Allen Ernstes: Lieber lassen wir uns umbringen. Ich würde kämpfen, egal wie, mit allem, was ich habe. Ich gehe definitiv nicht wieder in Gefangensc­haft.“

Es kam dann doch anders. Wenige Stunden nach Veröffentl­ichung des Videos erklärte die philippini­sche Regierung, dass es sich bei dem Toten um den Deutschen handele. Einer der Berater von Präsident Duterte sagte: „Wir haben alle unser Bestes gegeben. Aber ohne Erfolg.“

Später bestätigte auch die Bundesregi­erung den Mord an Jürgen K. und verurteilt ihn als grausamen Terrorakt. „Es gibt nun keinen vernünftig­en Zweifel mehr“, sagte ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes am Montagnach­mittag. „Wir sind zutiefst erschütter­t über das unmenschli­che und grausame Vorgehen der Täter.“

 ?? Foto: Westmincon, dpa ?? Mit der „Rockall“waren Jürgen K. und seine Lebensgefä­hrtin jahrelang auf den Weltmeeren unterwegs. Im vergangene­n Novem ber wurde er von der Segeljacht entführt. Die Frau wurde von den Kidnappern erschossen.
Foto: Westmincon, dpa Mit der „Rockall“waren Jürgen K. und seine Lebensgefä­hrtin jahrelang auf den Weltmeeren unterwegs. Im vergangene­n Novem ber wurde er von der Segeljacht entführt. Die Frau wurde von den Kidnappern erschossen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany