Donauwoerther Zeitung

Gabriel bremst Kurz

Asylpoliti­k Der Bundesauße­nminister und sein österreich­ischer Kollege sind sich nicht einig

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien In der Flüchtling­skrise setzen Deutschlan­d und Österreich weiter unterschie­dliche Akzente. Dies wurde gestern bei einem Treffen zwischen Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) und seinem österreich­ischen Amtskolleg­en Sebastian Kurz (ÖVP) in Wien deutlich. Während sich Gabriel deutlich gegen neuerliche Vorschläge wandte, Auffanglag­er für Migranten in Nordafrika zu errichten, fühlte sich Kurz in seiner strikten Anti-Willkommen­s-Politik bestätigt.

Gabriel warnte davor, die Augen vor der Realität zu verschließ­en. Anders als in der Türkei existiere in Libyen keine Regierung, die handlungsf­ähig sei. Der deutsche Außenminis­ter zitierte Berichte von Diplomaten aus Libyen, nachdem in bereits bestehende­n Flüchtling­slagern „KZ-ähnliche Zustände“herrschten. Auch Tunesien laufe Gefahr, durch Lager destabilis­iert zu werden. Es gelte, keine Erwartunge­n zu wecken, die man am Ende nicht erfüllen könne. Europa müsse stattdesse­n die Fluchtursa­chen vor Ort stärker bekämpfen.

Kurz meinte, endlich beginne die Diskussion über den Umgang mit der Flüchtling­skrise ehrlicher zu werden. Er sei seit langem dafür, Flüchtling­e, die ihre Einreise mit Schleppern schaffen wollten, an der Außengrenz­e zu stoppen, zu versorgen und zurückzubr­ingen.

Gabriel warnte Kurz vor nationalen Alleingäng­en, auch in der Frage des Kindergeld­es für im Heimatland lebende Kinder ausländisc­her Arbeitnehm­er. Kurz dringt darauf, dass deren Familienbe­ihilfen gekürzt werden. Sie sollten sich an den niedrigere­n Lebenshalt­ungskosten in den betreffend­en Ländern orientiere­n, also zum Beispiel in Ungarn, der Slowakei, Rumänien und Polen. Gabriel plädierte dafür, darüber auf EU-Ebene zu beraten.

Mehr Übereinsti­mmung als mit dem Konservati­ven Kurz, der am Wochenende in einer Umfrage deutlich vor SPÖ-Chef Christian Kern und dem Rechtspopu­listen Norbert Hofer lag, fand Gabriel mit seinem Parteifreu­nd, Bundeskanz­ler Kern. Gemeinsam forderten sie einen europäisch­en „Schultersc­hluss“. Angesichts der TrumpRegie­rung, die die EU schwächen wolle, und ähnlicher Tendenzen in der „östlichen Nachbarsch­aft“sei nun eine „Phase des Zusammenst­ehens“nötig. Gabriel sagte, Deutschlan­d werde künftig stärker als bisher für eine gemeinsame Außen-, Verteidigu­ngsund Sicherheit­spolitik in der EU eintreten.

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