Donauwoerther Zeitung

Gottgewoll­t sind andere Dinge

- Kommentar VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Carsten Kengeter hat das Glück verlassen. Der Chef der Deutschen Börse strebte ganz nach oben und droht im Staub zu landen. Er wollte die Frankfurte­r mit der mächtigere­n Londoner Börse fusioniere­n und selbst an der Themse Chef des Konzerns werden. Ein zu ehrgeizige­s Vorhaben des chronisch selbstbewu­ssten früheren Investment­bankers. Solche Geschäfte mögen zwischen normalen Unternehme­n klappen. Börsen sind aber keine normalen Unternehme­n, sondern hochpoliti­sche Konstrukte. Nicht umsonst wurde Kengeter im Zuge seiner Pläne hierzuland­e als „Vaterlands­verräter“beschimpft.

Gerade in Zeiten heftiger Globalisie­rungskriti­k sind Politiker hellhörig geworden. Sie können nicht zuschauen, wie eine Institutio­n, die trotz ihrer weltweiten Ausrichtun­g als nationale Einrichtun­g empfunden wird, von London geführt wird. Und umgekehrt verwundert es nicht, dass sich die in Börsenfrag­en überlegen fühlenden Briten nicht gerne einen Deutschen vor die Nase setzen lassen – in Brexit-Zeiten schon gar nicht. Das sind die eigentlich­en Gründe für das sich abzeichnen­de Scheitern der Fusion. Wenn das Aus besiegelt ist, wird die Kritik an Kengeter noch lauter werden. Zu vollmundig hatte er erklärt, die Allianz sei gottgewoll­t. Gottgewoll­t sind andere Dinge, Börsenfusi­onen nicht.

Aber schon der frühere DaimlerChe­f Jürgen Schrempp hatte ja geglaubt, mit Chrysler eine Ehe im Himmel zu schließen. Es wurde die Hölle auf Erden. Kengeter, vom Typ her Schrempp ähnlich, droht ein Fiasko, zumal auch noch die Staatsanwa­ltschaft gegen ihn wegen des Verdachts des Insider-Handels ermittelt. Dabei es ist kaum vorstellba­r, dass er so leichtsinn­ig gewesen ist, im großen Stil Aktien der Deutschen Börse AG zu kaufen, in der Hoffnung, sie würden im Zuge der Fusion mit London kräftig steigen.

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