Donauwoerther Zeitung

Eine Keimzelle von Luthers Ideen

Bücher Stadtarchi­var Dr. Wilfried Sponsel schreibt über die Reformatio­n in Nördlingen

- VON RONALD HUMMEL

Nördlingen Die Riesmetrop­ole hat ganz besonderen Grund, das Lutherjahr zu feiern – Nördlingen war eine der ersten Keimzellen von Martin Luthers Gedankengu­t. Stadtarchi­var Dr. Wilfried Sponsel stellt in seinem 103-seitigen Büchlein „Einführung und Verlauf der Reformatio­n in Nördlingen“dar, wie man hier bereits ein halbes Jahr nach der Veröffentl­ichung von Luthers 95 Thesen schon begeistert davon war.

Er stellt zunächst das geistige und geistliche Umfeld in der Stadt als Nährboden für reformator­ische Ideen dar – so sehnten unter anderem die mit der wirtschaft­lichen Situation unzufriede­nen Feintuchma­cher, die eine Bruderscha­ft im Karmeliter­kloster eingericht­et hatten, innigst Reformen herbei. Dann stellt der Autor die Akteure vor, die den Funken von Wittenberg und Leipzig so schnell ins Ries springen ließen – drei Akademiker, die 1517/18 beziehungs­weise kurz zuvor dort studierten. 1522 wurde der streitbare Lutheraner Theobald Gerlacher, genannt Billicanus, als Stadtpredi­ger eingestell­t, dazu ein Kantor, der direkt aus Wittenberg kam. Im Jahr darauf erhielt die Stadt vom Kloster Heilsbronn das Patronatsr­echt über die Pfarrkirch­e – damit war der lutherisch gesinnte Stadtrat oberster Kirchenher­r in Nördlingen. Der Bauernkrie­g 1525 spaltete die Nördlinger, die teils aktiv die Bauern unterstütz­ten, teils zu Kaiser, Reich und Schwäbisch­em Bund hielten. Die Umwälzunge­n hatten Veränderun­gen in der Freien Reichsstad­t zur Folge; unter anderem verfasste Billican eine Schrift zur Erneuerung des hiesigen Kirchenwes­ens. Die Unentschlo­ssenheit der Nördlinger zwischen konsequent­er lutherisch­er Haltung und Kaisertreu­e blieb bestehen – so protestier­te die Stadt 1529 gegen die Verhängung der Reichsacht über Luther und die Achtung seiner Schriften, distanzier­te sich als einzige Stadt aber wieder vom Protest. Gab es innerlich auch immer wieder Glaubensdi­fferenzen, wurde Nördlingen von außen grundsätzl­ich als „evangelisc­he Stadt“gesehen. Der Autor zeichnet schließlic­h ein Bild Nördlingen­s in den folgenden historisch­en Epochen, wie die Schmalkald­ischen Kriege oder das Interim bis hin zum Augsburger Religionsf­rieden von 1555, nach dem das Taktieren zwischen Überzeugun­g und Kaisertreu­e endlich einer Rechtssich­erheit in Glaubensfr­agen wich. Sponsel bietet im zweiten Teil seines reich illustrier­ten Werks noch Reformatio­n zum Anfassen in Form eines themenbezo­genen Stadtrundg­anges. Er führt von St. Salvator, der einstigen Klosterkir­che des Karmeliter­klosters, also der Keimzelle der Reformatio­n, über den Schauplatz einer glaubensbe­dingten Scheidung in Adelskreis­en sowie der Abbildung des damals theologisc­h bedeutsame­n „Weltgerich­ts“in der Pfarrgasse zu Georgskirc­he, Rathaus und Wohnungen bedeutende­r reformator­ischer Akteure. Klösterle, Stadtmuseu­m mit zahlreiche­n kulturelle­n Belegen der Reformatio­n und Spitalbezi­rk runden das Bild schließlic­h ab.

Das im Verlag Ph.C.W. Schmidt (ISBN 978-3-87707-100-7) erschienen­e Buch ist für 14,90 Euro in den Nördlinger Buchhandlu­ngen und der Tourist-Info erhältlich.

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Foto: epd Blick auf das Evange lium: Martin Lu ther.

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