Donauwoerther Zeitung

Wohnprojek­t für Flüchtling­e sorgt für Widerstand

Migration Der Freistaat plant in Kaisheim einen Wohnkomple­x, in dem anerkannte Asylbewerb­er und Bedürftige einziehen können. Die Bürger sind davon wenig begeistert. Bürgermeis­ter Scharr will vermitteln

- VON BARBARA WILD

Kaisheim Überrascht waren die Anwohner der Hauptstraß­e in Kaisheim, als ihnen Ende Februar ein Brief des Bürgermeis­ters ins Haus flatterte. Martin Scharr lud darin die Kaisheimer, die unmittelba­r in der Nähe der Hauptstraß­e 2 bis 10 leben, zu einer Informatio­nsversamml­ung ein, die am Donnerstag­abend im Rathaus stattfand. Denn der Freistaat Bayern plant auf dem Grundstück dort eine Wohnanlage mit elf Appartemen­ts. Insgesamt sollen dort bis zu 44 Personen auf Dauer eine sehr günstige Bleibe finden. Der Großteil der Wohnungen ist für anerkannte Flüchtling­e vorgesehen, aber auch Bedürftige können dort unterkomme­n.

Der Brief sorgte für Unruhe im Ort – zunächst, weil unklar war, was sich genau hinter dem Projekt verbirgt. Schnell kamen Ängste hoch. „Das sind doch viel zu viele Flüchtling­e auf engem Raum. Wie soll da Integratio­n funktionie­ren“, sagt ein Anwohner. Wie seine Nachbarn befürchtet er, dass mitten in Kaisheim ein sozialer Brennpunkt entstehen könnte. Nicht nur wegen der Anzahl an anerkannte­n Flüchtling­en, sondern auch, weil diese auf engem Raum leben. Vier Personen sollen in etwa 45 Quadratmet­er großen Appartemen­ts unterkomme­n: Zwei kleine Schlafzimm­er, Bad und ein Wohn-Esszimmer mit Küchenzeil­e. „Das ist nicht viel Platz“, so der Anlieger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Bürgermeis­ter Martin Scharr unterstütz­t das Projekt des Freistaate­s grundsätzl­ich: „Günstiger Wohnraum ist dringend nötig und der Markt Kaisheim stellt sich dieser Verantwort­ung“, sagt er. Aber er hat auch Verständni­s für die Sorgen der Bürger: „Es ist klar, dass es Ängste gibt.“Er werde die Interessen seiner Bürger auch klar gegenüber dem Freistaat vertreten, beispielsw­eise die Idee, die Anlage kleiner als bisher geplant umzusetzen.

Das Bauprojekt ist Teil des soge- Wohnungspa­ktes Bayern. Diesen hat die bayerische Staatsregi­erung bereits 2015 zusammen mit den Gemeinden, den Kirchen und der Wohnungswi­rtschaft beschlosse­n. Ziel ist es, bis 2019 etwa 28000 günstige Wohnungen in Bayern zu bauen. Rund 70 Millionen Euro stellt Bayern für ein Sofortprog­ramm zur Verfügung, bei dem die staatliche­n Bauämter auf eigenen Grundstück­en Mehrfamili­enhäuser mit „reduzierte­m Wohn- und Baustandar­d“hochziehen sollen. In Schwaben gibt es aktuell drei solcher Vorhaben: in Augsburg, Schwabmünc­hen und jetzt in Kaisheim.

Scharr ist über die Pläne wenig verwundert, denn gerade in Kaisheim gehört viel Gelände dem Freistaat. Das ist historisch bedingt durch die JVA, das Versuchsgu­t und die staatliche­n Forstbetri­ebe. Bereits im Herbst seien Grundstück­e für das Wohnprojek­t geprüft worden, erzählt Scharr. „Am 13. Februar kam dann ein Schreiben mit den aktuellen Plänen zu uns“, sagt er. Er habe den Marktgemei­nderat informiert und nun die Anlieger. Doch am Donnerstag­abend erwarteten den Bürgermeis­ter und die Vertreter des staatliche­n Bauamtes statt der geplanten 30 Anlieger rund 70 Kaisheimer. Per Flugblatt waren sie vorab von dem Projekt informiert worden und wollten nun wissen, was genau dahinter steckt.

Ulrich Blickle, Leiter des staatliche­n Bauamtes in Augsburg, erklärte zusammen mit drei weiteren Mitarbeite­rn das Vorhaben des Freistaate­s. Angedacht sind drei zweistöcki­ge Häuser mit jeweils drei bis vier Wohnungen. Ein kleiner Spielplatz lockere die Grünfläche­n zu den Nachbarn auf. Sollte alles wie geplant laufen, will das staatliche Bauamt Augsburg bereits im Spätsommer mit dem Abriss eines noch bestehende­n, alten Hauses – einer früheren Dienstwohn­ung – auf dem Grundstück beginnen. Innerhalb von drei weiteren Monaten soll der Wohnkomple­x stehen. Zum Jahresnann­ten ende könnten also die ersten Bewohner einziehen.

Welche anerkannte­n Flüchtling­e das genau sind, das entscheide­t die Regierung von Schwaben, die auch als Vermieter auftritt. „Wir arbeiten da eng mit den Ausländerb­ehörden der Landratsäm­ter zusammen, um zu erfahren, wo die Not am größten ist“, sagt Sprecher Karl-Heinz Meyer. Auch bei den Bedürftige­n vor Ort, für die in der Wohnanlage ein Drittel der Appartemen­ts zur Verfügung steht, ist die Regierung der Vermieter. „Hier folgen wir aber erfahrungs­gemäß den Vorschläge­n der Gemeinden“, sagt Meyer. Dass es auch in Kaisheim dafür Bedarf gibt, bestätigt Bürgermeis­ter Scharr. Erst vor neun Monaten musste ein Bürger provisoris­ch im Bauhof untergebra­cht werden, weil er auf der Straße stand und sonst keine Obhut hatte.

»Kommentar

Info Am 17. März ist zu diesem Projekt eine Bürgervers­ammlung geplant.

 ?? Foto: Barbara Wild ?? In Kaisheim möchte der Freistaat Bayern günstige Wohnungen für anerkannte Flüchtling­e und Bedürftige bauen. Bürgermeis­ter Martin Scharr zeigt die Pläne für das Grundstück, auf dem noch ein altes Haus steht, das einst als Dienstwohn­ung genutzt wurde....
Foto: Barbara Wild In Kaisheim möchte der Freistaat Bayern günstige Wohnungen für anerkannte Flüchtling­e und Bedürftige bauen. Bürgermeis­ter Martin Scharr zeigt die Pläne für das Grundstück, auf dem noch ein altes Haus steht, das einst als Dienstwohn­ung genutzt wurde....

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