Wohnprojekt für Flüchtlinge sorgt für Widerstand
Migration Der Freistaat plant in Kaisheim einen Wohnkomplex, in dem anerkannte Asylbewerber und Bedürftige einziehen können. Die Bürger sind davon wenig begeistert. Bürgermeister Scharr will vermitteln
Kaisheim Überrascht waren die Anwohner der Hauptstraße in Kaisheim, als ihnen Ende Februar ein Brief des Bürgermeisters ins Haus flatterte. Martin Scharr lud darin die Kaisheimer, die unmittelbar in der Nähe der Hauptstraße 2 bis 10 leben, zu einer Informationsversammlung ein, die am Donnerstagabend im Rathaus stattfand. Denn der Freistaat Bayern plant auf dem Grundstück dort eine Wohnanlage mit elf Appartements. Insgesamt sollen dort bis zu 44 Personen auf Dauer eine sehr günstige Bleibe finden. Der Großteil der Wohnungen ist für anerkannte Flüchtlinge vorgesehen, aber auch Bedürftige können dort unterkommen.
Der Brief sorgte für Unruhe im Ort – zunächst, weil unklar war, was sich genau hinter dem Projekt verbirgt. Schnell kamen Ängste hoch. „Das sind doch viel zu viele Flüchtlinge auf engem Raum. Wie soll da Integration funktionieren“, sagt ein Anwohner. Wie seine Nachbarn befürchtet er, dass mitten in Kaisheim ein sozialer Brennpunkt entstehen könnte. Nicht nur wegen der Anzahl an anerkannten Flüchtlingen, sondern auch, weil diese auf engem Raum leben. Vier Personen sollen in etwa 45 Quadratmeter großen Appartements unterkommen: Zwei kleine Schlafzimmer, Bad und ein Wohn-Esszimmer mit Küchenzeile. „Das ist nicht viel Platz“, so der Anlieger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Bürgermeister Martin Scharr unterstützt das Projekt des Freistaates grundsätzlich: „Günstiger Wohnraum ist dringend nötig und der Markt Kaisheim stellt sich dieser Verantwortung“, sagt er. Aber er hat auch Verständnis für die Sorgen der Bürger: „Es ist klar, dass es Ängste gibt.“Er werde die Interessen seiner Bürger auch klar gegenüber dem Freistaat vertreten, beispielsweise die Idee, die Anlage kleiner als bisher geplant umzusetzen.
Das Bauprojekt ist Teil des soge- Wohnungspaktes Bayern. Diesen hat die bayerische Staatsregierung bereits 2015 zusammen mit den Gemeinden, den Kirchen und der Wohnungswirtschaft beschlossen. Ziel ist es, bis 2019 etwa 28000 günstige Wohnungen in Bayern zu bauen. Rund 70 Millionen Euro stellt Bayern für ein Sofortprogramm zur Verfügung, bei dem die staatlichen Bauämter auf eigenen Grundstücken Mehrfamilienhäuser mit „reduziertem Wohn- und Baustandard“hochziehen sollen. In Schwaben gibt es aktuell drei solcher Vorhaben: in Augsburg, Schwabmünchen und jetzt in Kaisheim.
Scharr ist über die Pläne wenig verwundert, denn gerade in Kaisheim gehört viel Gelände dem Freistaat. Das ist historisch bedingt durch die JVA, das Versuchsgut und die staatlichen Forstbetriebe. Bereits im Herbst seien Grundstücke für das Wohnprojekt geprüft worden, erzählt Scharr. „Am 13. Februar kam dann ein Schreiben mit den aktuellen Plänen zu uns“, sagt er. Er habe den Marktgemeinderat informiert und nun die Anlieger. Doch am Donnerstagabend erwarteten den Bürgermeister und die Vertreter des staatlichen Bauamtes statt der geplanten 30 Anlieger rund 70 Kaisheimer. Per Flugblatt waren sie vorab von dem Projekt informiert worden und wollten nun wissen, was genau dahinter steckt.
Ulrich Blickle, Leiter des staatlichen Bauamtes in Augsburg, erklärte zusammen mit drei weiteren Mitarbeitern das Vorhaben des Freistaates. Angedacht sind drei zweistöckige Häuser mit jeweils drei bis vier Wohnungen. Ein kleiner Spielplatz lockere die Grünflächen zu den Nachbarn auf. Sollte alles wie geplant laufen, will das staatliche Bauamt Augsburg bereits im Spätsommer mit dem Abriss eines noch bestehenden, alten Hauses – einer früheren Dienstwohnung – auf dem Grundstück beginnen. Innerhalb von drei weiteren Monaten soll der Wohnkomplex stehen. Zum Jahresnannten ende könnten also die ersten Bewohner einziehen.
Welche anerkannten Flüchtlinge das genau sind, das entscheidet die Regierung von Schwaben, die auch als Vermieter auftritt. „Wir arbeiten da eng mit den Ausländerbehörden der Landratsämter zusammen, um zu erfahren, wo die Not am größten ist“, sagt Sprecher Karl-Heinz Meyer. Auch bei den Bedürftigen vor Ort, für die in der Wohnanlage ein Drittel der Appartements zur Verfügung steht, ist die Regierung der Vermieter. „Hier folgen wir aber erfahrungsgemäß den Vorschlägen der Gemeinden“, sagt Meyer. Dass es auch in Kaisheim dafür Bedarf gibt, bestätigt Bürgermeister Scharr. Erst vor neun Monaten musste ein Bürger provisorisch im Bauhof untergebracht werden, weil er auf der Straße stand und sonst keine Obhut hatte.
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Info Am 17. März ist zu diesem Projekt eine Bürgerversammlung geplant.