Die konservative Revolution?
AfD, Pegida, Identitäre… – eine Erkundung des alten Kerns der neuen Rechten
Das eine ist: AfD wählen aus Sorge um das eigene Land; weil die anderen Parteien keine konsequenten Lösungen anbieten; weil die Union Angela Merkels in Zeiten, in denen viele Werte infrage stehen, keine wirklich konservative Kontur hat; kann man ja meinen – eine Position im demokratischen Spektrum eben. Das andere ist: Welche Strukturen, welche Einflüsse stärkt eine solche Wahl wirklich? Welche Macher und welches Denken nämlich wirken eigentlich im Kern dessen, was heute in Deutschland, Europa und der Welt als „Neue Rechte“Erfolge feiert?
Der Historiker Volker Weiß ein Kenner der Szene, ist dieser Frage nachgegangen, er hat das Innere und die Hintergründe erkundet – und seine Antwort unter dem Titel „Die autoritäre Revolte“ist nun auch für den Preis des besten Sachbuchs auf der Leipziger Buchmesse nominiert. Und so viel gleich vorab: Mit der einfachen Erklärung, hier wirkten vor allem Nazis und Islamhasser, die nun durch das Andocken an die Ängste bei prekär lebenden Einheimischen Erfolge feierten, hat sein Befund wenig gemein.
Neue Breitenwirkung habe zwar mit Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“eingesetzt – in der Tiefe aber waren die Strukturen längst angelegt. Und zwar in einer Traditionslinie, die ungebrochen hundert Jahre zurückführt, zu den Rechten der Weimarer Republik. In nur drei, vier Schritten schon landet man bei den Namen von heute.
Beginnend mit dem völkischen Denker Arthur Moeller van den Bruck über den Schweizer Armin Mohler, zeitweilig Redenschreiber von Franz Josef Strauß, aber eigentlich Fortdenker von Carl Schmitt, Ernst Jünger, Oswald Spengler – und eben auch jenes Arthur Moeller van den Bruck; und Mohlers Schüler wiederum war Karlheinz Weißmann, der heute mit Büchern und Reden als Vordenker der Neuen Rechten gilt – ebenso wie der Verleger und Aktivist Götz Kubitschek, der ein Verehrer Mohlers ist und mit Weißmann das Institut für Staatspolitik gründete, Thinktank der Szene, mit Sitz in Schnellroda, Sachsen-Anhalt. Mit Pegida, AfD und Identitärer Bewegung wuchs auch die Bedeutung dieser ideologischen Dozenten und Ideengeber.
Und das ist mehr als eine Ahnenreihe. Volker Weiß zeigt, wie sehr die Inhalte erhalten geblieben sind. Es geht um Armin Mohlers Traum von einer „Konservativen Revolution“. Arthur Moeller van den Brucks Satz ist dabei Leitlinie: „An Liberalismus gehen die Völker zugrunde.“Damals bereits die Gegenreaktion auf die erste, globalisierte Moderne – heute auf die zweite, digitalisierte: Der Einzelne soll als Teil eines Volkes in dessen schicksalhaften Kampf gegen den Untergang sein. Allerdings ein elitäres Projekt, das sich mehr am Faschismus (etwa in Italien) orientiert hat. Der Konservatismus und Anti-Liberalismus richtet sich heute im völkischen Namen gegen alles, was als Erbe der 68er empfunden wird: Multikulturalismus, Geschlechterdebatten … Das ist der Feind. Nicht der Islam.
Sogar im Gegenteil: Weiß stellt in seiner durch Fakten frappierenden, nie polemischen Erkundung dar, dass diese Neue Rechte in ihrer Haltung ja sogar ein Bruder des Islamismus sei – reaktionär, modernefeindlich, nur auf modernere Art. Trotzdem haben die Vordenker die Einladung natürlich angenommen, die sich aus dem Sarrazin-Erfolg und dem Unmut über die EU und die Flüchtlingspolitik ergeben habe. So sprach Götz Kubitschek auch wiederholt bei Pegida, als die Massen und die Aufmerksamkeit da waren. Denn die Strukturen sollen stärker werden, der Einfluss soll wachsen…
Ein nötiges, ein aufschlussreiches Buch also, gerade in seiner Nüchternheit (auch über den Missbrauch des Vaterland-Begriffs). Wütend erlebt man Volker Weiß nur, wenn es um die Politik der Mitte und vor allem der Linken geht. Nicht nur, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem Islam verpasst wurde – jetzt laufe man auch noch einer Identitätspolitik hinterher. Der Bürger aber, nicht das Prekariat, tendiere in Deutschland traditionell nach rechts. Gerade darum brauche es jetzt vor allem eines: Klarheit in den Positionen. Wolfgang Schütz