Haarige Angelegenheit
Insekten Der Eichenprozessionsspinner ist eine in der Region weitverbreitete Gefahr. Weil natürliche Feinde fehlen, müsste der Mensch immer öfter eingreifen
Landkreis Raupen sind keine sonderlich schönen Tiere. Sie sind wabbelig, haarig oder glitschig. Aber das ist in Ordnung. Denn wenn sich aus den kriechenden Larven ein wunderhübscher, farbenprächtiger Schmetterling entwickelt, ist der Naturliebhaber für den Anblick im ersten Entwicklungsstadium der Insekten entschädigt. Naja, zumindest meistens. Es gibt auch Ausnahmen. Der Eichenprozessionsspinner könnte als Raupe einem Gruselfilm entsprungen sein. Und auch als Falter gehört Schönheit nicht zu seinen Qualitäten: Braun, grau, haarig. So sieht er aus.
Doch die Optik der Tiere ist nicht das, was Hans Weidel Sorgen bereitet. Der Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege am Landratsamt weiß schon, dass wegen des Eichenprozessionsspinners bald wieder eine Menge Arbeit auf ihn wartet. „Ab Ende April schlüpfen die ersten Raupen des Falters in der Region“, sagt der Fachmann. Die Eier seien längst an Bäumen abgelegt. Der Eichenprozessionsspinner lebt, wie der Name bereits verrät, an allen möglichen Gattungen der Eiche. Sobald geschlüpft, kriechen die nachtaktiven Raupen den Stamm entlang und fressen die Triebe der Bäume.
Fünf bis sechs Entwicklungsstadien durchlaufen die Insekten, bevor sie sich entpuppen und als ungefährlicher Falter aufsteigen. Davor allerdings, ab der dritten Phase der Entwicklung, sollten Menschen sich dringend von den Tierchen fernhalten. Denn die sogenannten Brennhaare, die die Raupen überall an ihrem Körper bilden, sind äußerst gefährlich. Kommt man damit in Kontakt, fängt die Haut an zu brennen und zu jucken. Wer die mit Widerhaken versehenen Härchen einatmet, reagiert mit schmerzhaftem Husten, einer Bronchitis oder gar Asthma, wie es das Bayerische Landesamt für Wald- und Forstwirtschaft beschreibt. In schlimmsten Fällen würden Betroffene einen allergischen Schock erleiden.
Doch nicht nur die haarigen Raupen bedeuten für Mensch und Tier eine Gefahr. An den Stämmen und Astgabelungen der Eichen bilden die Eichenprozessionsspinner Nester, die bis zu einem Meter lang werden können. Dorthin ziehen sich die Tiere meist tagsüber zurück. Auch wenn die Raupen längst verschwunden sind, hängen die Bauten, gefüllt mit Brennhaaren, noch jahrelang an den Bäumen oder liegen in der Wiese, bevor sie ungefährlich werden.
Der Eichenprozessionsspinner lässt sich nicht nur am Waldrand nieder, sondern hängt auch immer öfter in Bäumen am Straßenrand, in Gärten und Parks. Es sind längst nicht nur Waldarbeiter betroffen, die Brennholz schlagen, sagt Weidel. Jeder, der in der Nähe von Eichen unterwegs sei, müsse aufpassen. Denn oft würden die alten Nes- ter am Boden im Gras liegen. Treten Kinder oder Spaziergänger mit dem Fuß in ein Gespinst, werden die Brennhaare aufgewirbelt. Schon ein leichter Hautkontakt reiche aus, um eine Reizung hervorzurufen.
In den vergangenen Jahren hat sich der Eichenprozessionsspinner von Mittelfranken kommend immer weiter im Landkreis ausgebreitet. Natürliche Feinde gibt es kaum, wie Weidel erklärt. Der Kuckuck sei einer davon, ihm machen die Brennhaare nichts aus.
Das Landratsamt hat nach einem starken Befall im Vorjahr nun alle Gemeinden aufgerufen, ihre Bürger auf die durch die Falter entstehenden Gefahren hinzuweisen. Wer die Tiere an einer Eiche in seinem Garten entdeckt, soll sich demnach umgehend bei der Gemeinde melden. Denn bevor die Raupen aus den Eiern schlüpfen, kann eine Vermehrung der Tiere durch ein biologisches Mittel verhindert werden. Das schade allerdings auch harmlosen Raupen und anderen Tieren, die auf den Eichen leben, sagt Weidel. „Wir spritzen deshalb nur, wenn es wirklich notwendig ist. Also dort, wo Menschen gefährdet sind.“Am Waldrand etwa würde ein Warnschild ausreichen. Haben die Raupen erst ihre Brennhaare gebildet, helfe nur noch eines: die Nester mit den Tieren mithilfe spezieller Ausrüstung abzusaugen.
Obwohl das nur rund 30 Euro pro Baum koste, würden sich viele Eichenbesitzer jedoch weigern, etwas zu unternehmen. Teilweise gehe das so weit, dass die Nachbarn ihren Garten fast nicht mehr nutzen können, weil ein Kontakt mit den Brennhaaren kaum vermieden werden kann. Dazu verpflichten, ein Nest zu melden oder zu entfernen, könne man jedoch niemanden.
Zumindest für die Eichen sei ein kurzzeitiger Befall nicht gravierend, sagt Weidel. Abzuwarten bleibe, ob die Natur in den nächsten Jahren selbst eine Lösung für das immer größer werdende Problem findet. „Bis sich ein natürlicher Gegenspieler entwickelt, kann das zehn oder 20 Jahre dauern.“