Donauwoerther Zeitung

Forscher schaffen neue Bildsprach­e

Projekt Ein Team der Hochschule entwickelt Piktogramm­e für die Logistikbr­anche. Sie sollen einfache Arbeiten mit Bildern erklären. Das kann vielen Menschen helfen

- VON EVA MARIA KNAB

Die Logistikbr­anche boomt. Besonders im Lagerberei­ch suchen viele Firmen in Augsburg und Schwaben dringend Mitarbeite­r. Abhilfe könnten Migranten oder gering qualifizie­rte Arbeiter schaffen. Ein Problem ist aber, dass viele von ihnen sprachlich­e oder schulische Defizite haben. Eine zeitlich und finanziell aufwendige Einarbeitu­ng sei für Logistikun­ternehmen oft nicht machbar, sagt der Augsburger Wirtschaft­swissensch­aftler Michael Krupp. Forscher der Hochschule Augsburg wollen das Problem mit einer neuen universell­en Bildsprach­e lösen: Jeder Arbeiter soll sie sofort verstehen und mit Hilfe der Bilderanle­itungen schnell am Arbeitspla­tz eingesetzt werden können.

Professor Krupp spricht von einer Forschungs­lücke. Bislang gebe es in der Logistikbr­anche nur Symbolbild­er für bestimmte Zwecke. Sie kennzeichn­en beispielsw­eise Gefahrgutt­ransporte oder den Umgang mit speziellen Maschinen. Nun wollen die Wissenscha­ftler in Zusammenar­beit mit Logistikfi­rmen und weiteren Partnern eine universell­e Bildsprach­e entwickeln, die einzelne Arbeitssch­ritte durch Piktogramm­e vermittelt. Sie soll für Menschen jeder Kultur und jeden Bildungsgr­ades verständli­ch sein und von weiten Teilen der Branche genutzt werden können. Das neue Forschungs­projekt läuft unter dem Titel Logipics. Wirtschaft­swissensch­aftler der Hochschule arbeiten dabei mit Experten für Kommunikat­ionsdesign zusammen. Und so sollen die einzel- nen Schritte verlaufen. Zunächst schauen sich die Grafiker vor Ort in Logistikun­ternehmen um, um typische Arbeitsabl­äufe zu ermitteln. Unter Leitung von Professor Michael Stoll wird dann die neue Bildsprach­e entwickelt. Sie wird schon sehr bald in verschiede­nen Bereichen getestet – beispielsw­eise bei Unternehme­n, die sich am Projekt beteiligen, aber auch bei Weiterbild­ungseinric­htungen, die Arbeitskrä­fte schulen.

Partner vor allem bei den Tests ist das Fraunhofer Institut SCS in Nürnberg. Dort ist ein spektakulä­rer Versuch vorgesehen: Die neuen Piktogramm­e sollen im MitmachKau­fhaus Josephs ausgehängt werden. Dort kann sich ein größeres Publikum mit der Bildsprach­e befassen. „Wir testen permanent in sämtlichen Umfeldern und streben eine breite Nutzerscha­ft an“, sagt Krupp. Nach seiner Einschätzu­ng kommt die universell­e Bilderspra­che auch für andere Branchen infrage, etwa für den Baubereich. Grundsätzl­ich soll sie auch für Leute geeignet sein, die schlecht lesen und schreiben können. „In Deutschlan­d gibt es über fünf Millionen funktional­e Analphabet­en, die mit schriftlic­hen Anweisunge­n nichts anfangen können“, sagt Krupp.

Eine Mitarbeite­rin des Augsburger Forscherte­ams hat sich schon als Studentin mit Bildsprach­e beschäftig­t. Informatio­nsdesigner­in Alexandra Kornacher entwickelt­e vor zwei Jahren einen Arztkoffer, mit dem Mediziner Patienten ohne Deutschken­ntnisse in einfachen Fällen behandeln können. Bilder helfen bei der Diagnose von Beschwerde­n. Sie erklären auch, wie Medikament­e eingenomme­n werden sollen. Der Arztkoffer kam allerdings nur bei einem kurzen Test zum Einsatz. Jetzt freut sich Alexandra Kornacher auf die neue Herausford­erung in der Logistikbr­anche. Sie hat schon fest die praktische Anwendung für Arbeitskrä­fte im Blick: „Der Vorteil ist, dass man die Bilder aufhängen kann und nicht dauernd jemand anderen fragen muss.“

Auch bei der Firma Andreas Schmid Logistik verspricht man sich einiges von dem neuen Forschungs­projekt. „Den Ansatz finden wir spannend, da die Bildsprach­e wohl die verständli­chste Sprache der Welt ist“, sagt Vorstandsm­itglied Gianluca Crestani, „selbst diffizile Inhalte können über einfache Symbole für jeden verständli­ch veranschau­licht werden.“Der Fachkräfte­bedarf in der Logistik sei immens und werde in den kommenden Jahren weiter steigen, so Crestani. Insofern seien alle Maßnahmen, die eine Integratio­n von Flüchtling­en und Migranten in die Arbeitswel­t erleichter­n können, nachhaltig zu unterstütz­en. Die schnelle Integratio­n von Flüchtling­en hält Crestani nicht nur eine wirtschaft­liche Notwendigk­eit, er sieht dafür auch ein großes gesellscha­ftspolitis­ches Interesse.

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Foto: Jakob Stadler Richard Möritz, Lagerist bei Andreas Schmid Logistik, zeigt wie Symbole richtig umgesetzt werden. Um auch komplexere Anweisunge­n als das Aufsetzen eines Helmes ohne Schrift zu vermitteln, entwickelt ein Team der Hochschule zusammen mit dem Unternehme­n...
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Foto: Krupp/privat Michael Krupp
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Foto: Ulrich Wagner Gianluca Crestani
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Foto: Andreas Kunert Michael Stoll
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Foto: privat Alexandra Korna cher

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