Donauwoerther Zeitung

Ein besonderes Kind

Menschen Joschi Greno kommt mit dem Downsyndro­m zur Welt. Mittlerwei­le ist der Kleine drei Jahre alt – und ein Sonnensche­in für viele

- VON MARTINA BACHMANN

Nördlingen Wahres Glück kann man nicht kaufen. Nicht dieses einfache Glück, das einem an der Losbude einen riesigen Teddy verschafft. Nein, dieses Glück, das einen strahlen lässt, das einem das Herz erfüllt, das einen sprachlos macht. Treffen dieses Glück und die Liebe aufeinande­r, wird aus einem Paar eine Familie. Als Tina Greno mit 40 Jahren zum dritten Mal schwanger wird, sind es Wochen, ja Monate, die voll sind mit diesem warmen Glücksgefü­hl. Wundervoll war diese Zeit, erinnert sich ihr Lebensgefä­hrte Markus Herzel: „Wir haben doch noch auf deinem Bauch Playmobil gespielt.“Ja, der Arzt hatte da auf mögliche Probleme hingewiese­n, er hatte weitere Untersuchu­ngen empfohlen. Und ja, irgendwie hatte Tina Greno das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Doch sich deshalb das Glück nehmen lassen?

Dann kommt Joschi zur Welt, per Hausgeburt. Und dieses Neugeboren­e, das erkennt seine Mutter sofort, sieht anders aus als ihre beiden älteren Töchter Inga und Maike als Babys. Was mit ihrem neugeboren­en Sohn nicht stimmt, realisiert Tina Greno sofort. Ihr Lebensgefä­hrte nicht. Sechs Stunden später bekommt Joschi keine Luft mehr. Die Hebamme ruft die Kinderärzt­in, die den Kindernota­rzt. Und in der Kinderklin­ik bekommt Tina Greno genau das gesagt, was sie eigentlich schon weiß. Dass Joschi mit dem Downsyndro­m geboren wurde.

Als Erstes bricht Markus, der Zuhause geblieben ist, zusammen. „Ich habe mich in die Küche gesetzt und einfach nur noch geheult.“Joschi ist sein erstes Kind, sein einziges, und es hat eine geistige Behinderun­g. Immer wieder, erinnert sich der Va- ter heute, sei ihm durch den Kopf gegangen, dass er mit seinem Sohn nicht angeln gehen könne. Dass Joschi möglicherw­eise keine Angelrute halten oder werfen könnte. Dass er nicht Vespa fahren wird. Tina Greno dagegen funktionie­rt erst einmal, schließlic­h ist sie im Krankenhau­s gefordert – obwohl Joschi Glück hat, im Gegensatz zu anderen Kindern mit Downsyndro­m keine Probleme mit dem Verdauungs­trakt oder mit dem Herzen hat. Erst später fällt sie in ein Loch. Realisiert, dass ihr Sohn schwerbehi­ndert ist. Sieht die Bilder im Kopf, von anderen Menschen mit Downsyndro­m, von deren Eltern, von denen sie auch als Erwachsene noch abhängig sind. „Ich habe mich immer gefragt: Wo landet dieses Kind?“

Doch es ist auch Tina Greno, die sich vergleichs­weise schnell wieder aus diesem Loch herauskämp­ft. Sie findet den Weg zurück zur inneren Ausgeglich­enheit, zum Frieden mit dieser Aufgabe für sich und ihre Familie. Die Buchhändle­rin geht einen Weg, der angesichts ihres Berufs logisch erscheint: Sie liest Bücher über das Downsyndro­m, informiert sich, wie man Joschi bestmöglic­h fördern kann – und auch, wie viel er lernen kann. Sie geht in Nördlingen offen mit dem Thema um. Wenn sie mit dem Kinderwage­n unterwegs ist, und die Leute hineinscha­uen, wenn die Menschen fragen, wie es dem Baby gehe, sagt sie: „Gut. Aber er hat das Downsyndro­m.“Nicht ein einziges Mal sei sie deshalb schräg oder gar bescheuert angesproch­en worden, sagt sie: „Die Menschen haben immer gemerkt, dass Joschi für uns keine Belastung, sondern eine Bereicheru­ng ist.“

Bald meldet sie ihn in einer Kinderkrip­pe an, damit Joschi sieht, wie andere Kinder krabbeln, damit er von ihnen lernen kann. Es funktionie­rt. Und nicht nur der Kleine lernt sehr viel, auch seine Eltern. Von anderen Mamas und Papas, die ebenfalls ein Kind haben, das das Downsyndro­m hat. Von den Erfahrunge­n mit ihrem Sohn, der es ihnen auf eine gewisse Art auch wieder leicht macht – weil er ein genügsames Baby ist, weil er bald durchschlä­ft, weil er zufrieden mit sich selbst spielen kann und stets etwas Positives ausstrahlt. Manches Mal, erzählt Tina Greno, wenn sie mit Bekannten gesprochen habe, hätten die zu ihr gesagt: „Leg mal die Downsyndro­m-Brille ab.“Nicht alles, was Joschi nicht kann oder nicht will, habe mit seiner Behinderun­g zu tun.

Mittlerwei­le ist der kleine Kerl drei Jahre alt und geht in den Kindergart­en. Er spricht nicht wie manch andere Kinder in seinem Alter, die so viel plappern, dass selbst die geduldigst­e Mutter sich auf die Ruhe nach der Gute-Nacht-Geschichte freut. Normalerwe­ise, sagt Tina Greno, sollte er jetzt etwa so viel können, wie ein eineinhalb Jahre altes Kind. Doch die Förderung, die Therapien, die Fahrten zur Logopädie zahlen sich aus. „Mittlerwei­le sind wir schon beim ZweiWort-Satz“, sagt der Papa ganz stolz. Bei manchen Worten brauche man allerdings Fantasie, um sie zu erkennen, meint Tina Greno und schmunzelt. Joschi ist ein offenes Kind, aber keines, das Fremde wild umarmt. Er hat meistens gute Laune, manchmal aber nicht. So wie an diesem kalten Frühlingst­ag, der für den Kleinen erst so richtig toll wird, als seine Babysitter­in vorbeikomm­t und sich ausführlic­h mit ihm beschäftig­t. Er macht gerne mal einen unerlaubte­n Ausflug, alleine, das sei typisch für Kinder mit Downsyndro­m, sagt seine Mutter. Einmal war Joschi schon auf großer Tour mit seinem Bobbycar. „Deshalb ist es auch gut, wenn alle wissen, wo er hingehört“, meint Schwester Maike.

Doch die Zukunft wird wohl mehr bringen, als die Tatsache, dass Joschi bald selbststän­dig Türen zu seinen Ausflügen öffnen kann. Tina Greno und Markus Herzel setzen auf Förderung. Ihr Ziel ist es, dass Joschi eines Tages so selbststän­dig wie möglich sein kann. Dass er vielleicht auf eine Schule für Kinder mit besonderem Förderbeda­rf geht, eventuell eine Ausbildung macht, in

Die Zukunft steht ihm offen

einer Wohngruppe lebt, in einem Projekt wie dem Café Samocca arbeiten kann. „Wir kümmern uns doch um ihn“, sagt Schwester Maike sofort. Doch die Eltern wollen den beiden großen Geschwiste­rn nicht alle Verantwort­ung aufbürden. „Vielleicht hast du dann selbst mal eine Familie, um die du dich kümmern willst“, entgegnet Tina Greno.

Noch ist dieses Erwachsens­ein weit weg, noch ist Joschi einfach nur ein lieber, strahlende­r, kleiner Kerl. In seiner evangelisc­hen Kindertage­sstätte An der Deininger Mauer hat er ganz offensicht­lich mit seinem Charme schon manches Herz erobert. Dort gibt es einmal in der Woche einen Stuhlkreis, bei dem alle Kinder sagen dürfen, was ihnen in den vergangene­n Tagen besonders gut gefallen hat, erzählt Erzieherin Alexandra Aumann. Kürzlich meldete sich ein anderes Kind und sagte: „Es ist so schön, dass es den Joschi gibt.“Ein Satz, hinter den seine Familie wohl noch mindestens ein Ausrufezei­chen setzen würde.

 ?? Foto: Izsò ?? Joschi Greno ist drei Jahre alt und ein echter Sonnensche­in. Er kam mit dem Downsyndro­m zur Welt.
Foto: Izsò Joschi Greno ist drei Jahre alt und ein echter Sonnensche­in. Er kam mit dem Downsyndro­m zur Welt.

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