Donauwoerther Zeitung

Vorort Drama aus Köln

Tatort: „Nachbarn“

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ARD, Sonntag, 20.15 Uhr Deutschlan­d ist das beste Land für Nachbarsch­aftswitze. Deshalb reicht in einem solchen „Tatort“schon ein Toter. Denn von Haus zu Haus passiert so viel, dass die Tätersuche fast schon ins zweite Glied rücken würde, wenn nicht verschiede­ne psychologi­sche Komponente­n ins Spiel kämen. In „Nachbarn“– ein so langweilig­er wie passender Titel – fällt halt ein gewisser Holtkamp (Uwe Freyer) von einer Brücke und wird von einem Lastwagen erfasst. Wie Pathologe Dr. Roth (Joe Bausch), ohne den der Kölner „Tatort“gar nicht vorstellba­r wäre, aber herausfind­et, war der Herr da schon über drei Stunden tot, im Bett erschlagen. Außerdem hatte er kurz vor seinem Tod Geschlecht­sverkehr, in neuen TV-Krimis offenbar die Vorstufe zum Mord. Soweit musste es kommen.

Vielleicht schaut der Kölner Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) allein schon wegen der Batterie des Personen-Konglomera­ts aus Suburbia so liberal entspannt aus. Denn durchsteig­en kann man hier kaum noch. Einen Wirrwarr von Personen hat der Drehbuchau­tor Christoph Wortberg da zusammenge­rührt. Klar ist: Mordopfer Holtkamp lag im Clinch mit seinem Nachbarn Leo Voigt (sehr gut: Werner Wölbern) von Nummer 17. Der stellte Zypressen auf, die Voigt als „Friedhofsb­äume“beschimpft.

Obwohl es verschiede­ne Gestalten gibt, die man in der cleanen Welt der Sofas mit Abdeckfoli­en als Täter vermutet, ist Voigt die spannendst­e Figur. Er hat eine erwachsene Stieftocht­er, die unter Heiserkeit leidet. Und deren Tochter Voigt aufrichtig liebt. In der Vorortwelt, die in Leverkusen gedreht wurde, vollziehen sich hinter glänzenden Fassaden fast schon Dramen, wie man sie aus Skandinavi­en kennt. Ballaufs Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) fällt vor allem dadurch auf, dass er die Dezibel des lauten Aras vom Nachbargru­ndstück aufzeichne­t. Empfehlens­wert? Ja, schon wegen einiger witziger Dialoge. Mehr ein Gesellscha­ftsporträt als ein Krimi.

Rupert Huber

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