Donauwoerther Zeitung

Wie LKA Ermittler vor Amri gewarnt hatten

Affären NRW-Innenminis­ter Jäger unter Druck: Die Polizei sagte einen Anschlag des Weihnachts­markt-Terroriste­n voraus

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Berlin Der Terrorfall Anis Amri sorgt weiter für Aufregung: In Nordrhein-Westfalen setzt ein internes Schreiben des Landeskrim­inalamts jetzt den SPD-Innenminis­ter Ralf Jäger unter Druck. Laut Berichten der Bild am Sonntag und des Kölner Stadt-Anzeigers warnten die LKA-Ermittler ein halbes Jahr vor dem Terroransc­hlag auf den Weihnachts­markt vor der Berliner Gedächtnis­kirche ausdrückli­ch vor der Gefahr des 24-jährigen Tunesiers, der am 19. Dezember mit einem Lastwagen zwölf Menschen ermordete. In einem Vermerk des Landeskrim­inalamtes in NRW für das Ministeriu­m vom März 2016 regten die Beamten aufgrund konkreter Hinweise die Abschiebun­g des späteren Attentäter­s gemäß Paragraf 58a Aufenthalt­sgesetz an.

Den Zeitungen zufolge heißt es in dem Vermerk, dass Amri in einem Internet-Chat ein Attentat angekündig­t hatte. Er habe dafür Verbündete, die in Libyen für die Terrormili­z Islamische­r Staat kämpfen. In einem Internet-Blog und auf anderen Webseiten habe sich Amri Monate vor dem Attentat darüber informiert, wie er eine Bombe oder Handgranat­e bauen könne, heißt es in dem achtseitig­en Papier, das dem Kölner Stadt-Anzeiger nach eigenen Angaben vorliegt.

Auch wenn es bis zu dem Datum im März noch keine Erkenntnis­se geben habe, dass Amri sich Sprengstof­f oder andere Waffen besorgt habe: Die Tatsache, dass er sich mehrerer Identitäte­n bediene und zu zahlreiche­n islamistis­chen Gefährdern Kontakt habe, rechtferti­ge eine auf Tatsachen basierende Prognose eines terroristi­schen Anschlages, schlussfol­gerten die LKA-Ermittler in ihrer Analyse.

Die Beamten wiesen dabei sogar ausdrückli­ch auf die Unberechen­barkeit des Islamisten hin: Ein solcher Anschlag, wie Amri im Chat angekündig­t habe, sei, wenn er aus „einem spontanen Impuls heraus“verübt werde, „auch durch engste polizeilic­he Maßnahmen“nur schwer zu verhindern und stelle ein „kaum zu kalkuliere­ndes Risiko dar“, zitierte der Kölner Stadt-Anzeiger aus dem LKA-Vermerk. In dem Schreiben heißt es laut den Zeitungsbe­richten, dass „nach den bislang vorliegend­en, belastbare­n Erkenntnis­sen zu prognostiz­ieren ist, dass durch Amri eine terroristi­sche Gefahr in Form eines (Selbstmord-)Anschlages ausgeht“.

CDU und FDP warfen Innenminis­ter Jäger erneut grobe Fahrlässig­arabischen keit und Versagen in dem Fall vor. Das Innenminis­terium wies die Vorwürfe zurück. Der interne LKAVermerk sei nicht neu, sondern in allen Ausschüsse­n bereits Thema gewesen, sagte Sprecher Ludger Harmeier. NRW habe aufgrund der Warnungen frühzeitig das Gemeinsame Terrorabwe­hrzentrum von Bund und Ländern eingeschal­tet und ein Verfahren beim Generalbun­desanwalt angeregt. Im Kern geht es um die Frage, ob Amri hätte abgeschobe­n werden können. Ministeriu­mssprecher Harmeier sagte, die rechtliche­n Voraussetz­ungen für eine Abschiebun­g seien bei Amri „nach übereinsti­mmender Einschätzu­ng der mit dem Fall betrauten Gremien des Bundes und der Länder nicht gegeben“gewesen. Außerdem hätten, wie bekannt, die Behörden in Tunesien lange Zeit keine Ersatzpapi­ere ausgestell­t.

Amri hatte sich vor dem Anschlag in Berlin fast anderthalb Jahre lang in Deutschlan­d aufgehalte­n. Er nutzte mehr als ein Dutzend gefälschte Identitäte­n, wurde als Gefährder eingestuft, observiert und sogar kurz in Abschiebeh­aft genommen. In der kommenden Woche sind im Untersuchu­ngsausschu­ss des NRW-Landtags Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU), NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD), Jäger sowie Generalbun­desanwalt Peter Frank und der Chef des Landesverf­assungssch­utzes, Burkhard Freier, als Zeugen geladen.

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Foto: dpa Fahndungsb­ilder des Terroriste­n Amri auf einer Polizeidie­nststelle: Das LKA sprach schon im März 2016 von „Gefahr in Form eines (Selbstmord )Anschlages“.

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