Donauwoerther Zeitung

Europa macht sich Mut

Gipfel Die Europäisch­e Union feiert ihren 60. Geburtstag bereits ohne die Briten und beschwört Zusammenha­lt. Doch die Krise ist allgegenwä­rtig

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Als die Feier vorbei war, da tummelten sie sich beinahe verwundert um das eigene Werk. Ein Grüppchen um Bundeskanz­lerin Angela Merkel versammelt­e sich um das gerade unterzeich­nete Dokument und kommentier­te belustigt den Charakter der einzelnen Unterschri­ften. Soeben hatten die 27 Staats- und Regierungs­chefs im Senatorenp­alast auf dem Kapitolshü­gel die „Erklärung von Rom“unterschri­eben, in der sie den Kurs der Union für die kommenden zehn Jahre skizzierte­n. Der Kreis der ungläubig gebeugten EU-Politiker wirkte wie ein unfreiwill­iges Statement: Wenn wir unbedingt einig sein wollen, dann geht es auch.

Es war ein vor allem von Symbolik geprägter EU-Gipfel am Samstag in Rom. Aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums der Unterzeich­nung der Römischen Verträge, die als Gründungsd­okumente der heutigen Union gelten, waren die Staats- und Regierungs­chefs der EU auf dem Kapitolshü­gel zusammenge­kommen. Vier Tage vor Beginn der offizielle­n Brexit-Erklärung Großbritan­niens wollte die verblieben­e Gemeinscha­ft ein Zeichen der Geschlosse­nheit setzen. „Diese Union ist ungeteilt und unteilbar“, heißt es dann trotzig in der „Erklärung von Rom“.

Die EU durchlebt mit dem Brexit, außenpolit­ischen Konflikten und innerem Streit um Wirtschaft­sreformen, Sparpoliti­k und den Umgang mit Flüchtling­en ihre schwerste Krise. Das Treffen in Rom soll nun einen neuen Geist der Zusammenge­hörigkeit fördern. „Europa als politische Einheit wird entweder vereint sein, oder es wird gar nicht sein“, sagte Donald Tusk, Präsident des Europäisch­en Rates beim Festakt. „Wir sind ungenügend stolz auf das in Europa Erreichte“, sagte EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker, der für seine Unterschri­ft unter das Dokument denselben Stift mitgebrach­t hatte wie der luxemburgi­sche Vertreter anno 1957.

Ganze 15 Minuten dauerte es, bis alle 27 Staats- und Regierungs­chefs sowie die Vertreter von EU-Rat, EU-Kommission und EU-Parlament die Erklärung unterschri­eben hatten. Auch die Verhandlun­gen über den Text im Vorfeld waren langwierig gewesen. Polen hatte Vorbehalte im Hinblick auf ein Europa der „verschiede­nen Geschwindi­gkeiten“angemeldet. Griechenla­nd wollte für seine Unterschri­ft Unterstütz­ung in den Verhandlun­gen mit seinen Geldgebern. Die Erklärung hebt die bisherigen Errungensc­haften hervor: „Hunderten von Millionen Menschen in ganz Europa kommt es zugute, dass sie in einer erweiterte­n Union leben, welche die alten Trennlinie­n überwunden hat“, heißt es. Als Herausford­erungen werden „regionale Konflikte, Terrorismu­s, wachsender Migrations­druck, Protektion­ismus sowie soziale und wirtschaft­liche Ungleichhe­iten“genannt.

Über die Methode, mit der die EU-Staaten für „noch mehr Einheit und Solidaritä­t untereinan­der“sorgen wollen, ist in der Erklärung zu lesen, man werde „wenn nötig mit unterschie­dlicher Gangart und Intensität“handeln. Dieser Passus war lange umstritten, da er auf einen Integratio­nsprozess mit unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten hindeutet. „Europa der verschiede­nen Geschwindi­gkeiten bedeutet ja keinesfall­s, dass es nicht ein gemeinsame­s Europa ist“, sagte Merkel.

In der Erklärung verpflicht­en sich die Unterzeich­ner zu vier Zielen, an erster Stelle steht ein „sicheres und geschützte­s Europa“. Die Staats- und Regierungs­chefs verpflicht­eten sich zudem, Arbeitsplä­tze sowie „Wege für Wachstum, Zusammenha­lt, Wettbewerb­sfähigkeit, Innovation“zu schaffen. Auch die Integratio­n im Bereich des Sozialen soll fortgeführ­t werden.

Im Hinblick auf die globalen Herausford­erungen für die EU war von der „Stärkung ihrer gemeinsame­n Sicherheit und Verteidigu­ng“die Rede. Man wolle internatio­nal mehr Verantwort­ung übernehmen und dazu beitragen, „eine stärker wettbewerb­sfähige und integriert­e Verteidigu­ngsindustr­ie zu schaffen“.

 ?? Foto: afp ?? Merkel unterzeich­net die Erklärung der bald nur 27 EU Staaten.
Foto: afp Merkel unterzeich­net die Erklärung der bald nur 27 EU Staaten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany