Donauwoerther Zeitung

Erfolglos und nicht mal mehr sexy

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Das hier ist weder der Platz noch der Zeitpunkt, an dem es angebracht ist, sich über die Holländer lustig zu machen. Die Lage ist zu ernst, um sich hier an sämtlichen Vorurteile­n zu den Käsköppen abzuarbeit­en. Dass die Dauer-Kiffer wahrschein­lich wieder nicht zum nächsten Fußball-Großereign­is fahren, lässt kurzzeitig vergessen, wie sie mit ihren Wohnwagen deutsche Autobahnen in Nervenkill­er verwandeln.

Die holländisc­he Nationalma­nnschaft hat mal wieder ein Spiel verloren. Diesmal gegen Bulgarien. Kann passieren, sagen die mit gefährlich­em Halbwissen versorgten Deutschen. Schließlic­h besiegelte Letchkovs Halbglatze das WM-Aus von Bertis Team 1994. Allerdings war das osteuropäi­sche Land vor 20 Jahren tatsächlic­h eher bekannt für feine Kicker denn für sich an den Rand der Besinnungs­losigkeit trinkende Abiturient­en am Goldstrand.

Unser Nachbar hat es also mal wieder geschafft, eine wichtige Partie erfolglos zu gestalten. Das bekommt er seit dem verlorenen WM-Endspiel 1974 in unschöner Regelmäßig­keit hin. Allerdings hat sich die Definition eines „wichtigen Spiels“seitdem leicht geändert. Die Holländer waren ja mal das Berlin des Weltfußbal­ls: erfolglos, aber sexy. Mit bezaubernd­em Fußball stürmten sie in Endrunden und zählten dort ebenso oft zu den Favoriten, wie sie anschließe­nd dann doch scheiterte­n (Ausnahme 1988, als die Deutschen sie gewinnen ließen). Mittlerwei­le ist Holland das Castrop-Rauxel des Fußballs.

Als Oranje 2002 an der Qualifikat­ion zur Weltmeiste­rschaft scheiterte, war die Schadenfre­ude noch groß. 14 Jahre später herrschte eher Verwunderu­ng, als das Team es schaffte, in seiner Quali-Gruppe für die EM hinter der Türkei, Tschechien und Island zu landen. Nun steht die Mannschaft erneut auf dem vierten Platz. Schadenfre­ude und Verwunderu­ng sind gewichen. Dort, wo beim durchschni­ttlichen deutschen Fan im Hirn ursprüngli­ch das Zentrum für folklorist­ische Häme angelegt ist (neben dem Freibier-Cortex), empfindet er Mitleid. Das hat nicht mal ein Holländer verdient.

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Foto: dpa Holländisc­he Freizügigk­eit: Ein Anblick, auf den man künftig wohl verzichten muss.
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