Politik ist ihr neues Hobby
Politik Seit der Wahl des neuen US-amerikanischen Präsidenten treten immer mehr junge Leute aus der Region in Parteien ein. Warum sie etwas verändern wollen und was sie sich von ihrem Engagement erhoffen
Donauwörth Ein bisschen muss sich Florian Geiger noch gedulden. Seit einigen Wochen ist der 24-Jährige Mitglied bei den Jungen Sozialen der SPD (Jusos). Normalerweise bekommen alle, die neu in die Partei eintreten, ein Parteibuch. Davon gibt es im Moment allerdings keine mehr. Das liegt nicht nur am viel zitierten „Schulz-Effekt“. Politik erfreut sich seit einiger Zeit größter Beliebtheit – besonders bei jungen Menschen. Doch woran liegt das?
Florian habe sich durch die Wahlergebnisse in den USA und den Brexit angestachelt gefühlt, da in diesen Abstimmungen allen voran die älteren Wähler den Unterschied gemacht haben. Florians Ziel ist ein Politikwechsel. Für die Sozialdemokraten entschied er sich, „weil sie in der Vergangenheit die besten Kanzler gestellt haben“. Um einen weiteren Rechtsruck in Deutschland zu verhindern, sagt Florian: „Wir müssen selbst die besseren Argumente liefern und analysieren, was in den vergangenen Monaten falsch lief.“
Laurin Strobl ist seit Anfang des Jahres Mitglied bei der Jungen Union in Donauwörth. Ein Parteibuch hat auch er noch nicht. Und bis zu seiner ersten Wahl muss sich Laurin ebenfalls noch gedulden, denn die Bundestagswahl im September kommt für den 17-Jährigen zu früh – er wird erst im November 18. Doch das hält ihn nicht davon ab, sich bereits jetzt politisch zu engagieren:
„Einmal monatlich findet ein Stammtisch statt, auf dem ich bislang immer war.“Für seinen aktiven Einsatz gebe es viele Gründe. „In erster Linie wegen der aktuellen politischen Lage, dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und der Flüchtlingspolitik“, erklärt der Schüler. Auch die AfD und die Wahl Donald Trumps seien für ihn ausschlaggebend gewesen.
Für die Wahl des US-Präsidenten schlug sich Laurin vergangenes Jahr sogar die Nacht um die Ohren. Als das Ergebnis feststand, sei er zunächst „erschrocken“gewesen, „vor allem auch, weil viele erst kurz vor Wahlende gegoogelt haben, welche Interessen die beiden Kandidaten überhaupt vertreten“, beschreibt der 17-Jährige.
So etwas kann Laurin nicht pas- sieren. Schon immer interessiert er sich für Politik und deren Hintergründe. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, im Bekanntenkreis über aktuelle Themen zu diskutieren. Diese Fähigkeit kann er auf den monatlichen Stammtischen der Jungen Union weiter vertiefen, denn auch dort wird viel diskutiert. „Der Vorstand und die anderen Mitglieder sind immer gut informiert“, sagt Laurin.
Auch an seiner Schule, dem Donauwörther Gymnasium, bemerkt er unter seinen Mitschülern ein gestiegenes Interesse an Politik: „Einige engagieren sich ebenfalls aktiv in Parteien.“Seine Unterstützung der Jungen Union beruhe auf dem positiven Bild, das er von der CSU habe: „Vor allem Politiker wie Markus Söder, der sich mit dem Thema Internet-Ausbau sehr für die Jugend einsetzt, finde ich gut.“Aber der 17-Jährige findet auch lobende Worte für den Kanzlerkandidaten der SPD: „Martin Schulz hat zwar wenig Erfahrung, was innerdeutsche Politik angeht, aber Konkurrenz ist für eine Demokratie immer gut.“
Das parteiliche Engagement ist für Laurin mehr als nur eine Panikreaktion auf Erdogan oder Trump. Auch in Zukunft soll die Politik eine große Rolle im Leben des Schülers spielen. „Nach meinem Abitur möchte ich am liebsten Politikwissenschaften in Eichstätt studieren.“
Er und Florian sind nicht die einzigen jungen Erwachsenen, die die derzeitige politische Lage zu einem aktiven Einsatz verleitet. Das weiß auch Stephan Geist, Vorsitzender der Jungen Union in Donauwörth: „Seit der Wahl Trumps verzeichnete der JU-Ortsverband drei Neumitglieder. Bei einer Verbandsstärke von 30 Personen bedeutet das immerhin einen Anstieg um zehn Prozent.“Zudem seien mehr Mitglieder bei den monatlich stattfindenden Stammtischen regelmäßig anwesend als zuvor.
„Die Anwesenden scheinen noch besser informiert zu sein, außerdem wird leidenschaftlicher und emotionaler argumentiert“, resümiert der Vorsitzende. Rückblickend habe es nur ein Ereignis gegeben, das noch mehr Auswirkungen auf die Arbeit der Jungen Union gehabt hätte: der Beginn der Flüchtlingskrise im September 2015.
Daniel Becht, Chef der Jusos in Donau-Ries, findet das gestiegene Interesse der jungen Menschen wichtig. „Die Wahlbeteiligung der jungen Wähler war meist geringer. Das Problem lag darin, dass etablierte Parteien die Jugend vernachlässigten.“Der Aufschwung seiner SPD sei auch für die Demokratie ein Vorteil: „Der SPD hat lange jemand gefehlt, der charismatisch war. Schulz ist eine Identifikationsfigur. Konkurrenz ist für eine Demokratie wichtig.“
Auch andere Parteien spüren, dass junge Menschen aktiv etwas verändern wollen. Die Landessprecherin der Grünen Jugend in Bayern, Eva Lettenbauer, nennt Zahlen, die das belegen: „Derzeit haben wir über 1000 Mitglieder in Bayern. Seit dem 9. November vergangenen Jahres, ein Tag nach den US-Wahlen also, gab es bereits weit über 100 Neueintritte.“Und auch bei der Linken wird auf den Stammtischen mehr diskutiert, wie Heiner Holl, stellvertretender Kreisvorstand im Verband Donau-Ries/Dillingen bestätigt: „Dafür sind vor allem die internationalen Konflikte – sei es Syrien oder Südamerika – verantwortlich.“Neben den globalen Brandherden sei es typisch für ein Wahljahr, dass sich mehr Menschen für Politik interessieren.
Konkurrenz ist für eine Demokratie immer gut Es wird leidenschaftlicher ar gumentiert