Die künstlerischen Spuren der Hilda Sandtner
Bildband Ein neues Buch zeigt Leben und Werk der vielseitigen Künstlerin und Pädagogin. Der Förderkreis Gempfinger Pfarrhof stellt es vor
Gempfing/Donauwörth/Rain Wer in Donauwörth die Hauskapelle des Dominikanerinnenklosters St. Ursula besucht, lenkt seinen Blick schnell auf das leuchtende Chorfenster. Im Bildmittelpunkt steht die Darstellung des Gekreuzigten. Das Haupt des Heilands mit den dunkel fragenden Augen erinnert den Betrachter an die Klage der Karfreitagsliturgie: „Mein Volk, was hab ich dir getan?“Die Kreuzbalken sind in Violett-Tönen gehalten, der Bußfarbe der Fastenzeit. Mit großer Erzählfreude ist das Bildprogramm gestaltet. Es zeigt Ereignisse aus dem Leben der Kirchenpatronin, der Hl. Ursula und des Ordensheiligen Dominikus.
Das Glasfenster wurde 1950 von Hilda Sandtner (1919-2006) geschaffen, die damals mitten im Studium an der Münchner Akademie der Bildenden Künste und somit am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn war. Es ist nur eine von zahlreichen Arbeiten, die in unserer Region noch Jahre nach dem Tod Hilda Sandtners als bleibende Spuren Zeugnis ihres Schaffens ablegen. Jetzt gibt es einen Bildband, der eine kleine Auswahl ihrer Werke – etwa 300 Stück – dokumentiert. Unter dem Titel „Hilda Sandtner – Die Zeichnerin und Glasmalerin“ist er im Verlag Dr. Rudolf Wittmann (Augsburg) erschienen. Das Buch bietet einen repräsentativen Überblick über das grafische Werk der Künstlerin, außerdem gibt es Einblicke in die Entwicklung ihrer Glasmalerei. Der Bildteil wird durch eine Biografie und durch lebendige Erinnerungen von Weggefährten und Freunden ergänzt. Es sind sehr persönliche Begegnungen, die Hilda Sandtner sehr treffend und humorvoll charakterisieren. Dem Buch liegt vor allem der zeichnerische Nachlass in einer ungeheuren Materialfülle zugrunde, den der Förderverein Gempfinger Pfarrhof 2009 von Hilda Sandtner als Schenkung bekam.
Die junge Hilda Sandtner erfuhr ihre Förderung vor allem durch ihren Lehrer, Professor Josef Oberberger, selbst ein begnadeter Zeichner und bedeutender Glasmaler. Er erkannte ihre Begabung und ließ sie als Meisterschülerin an seinen Großaufträgen mitwirken. Oberberger hatte damals bereits bedeutende Arbeiten für die Dome von Augsburg, Luxemburg, Naumburg und München sowie für große Kirchen in Speyer und Berlin gefertigt. Der „Meister“, wie ihn seine Studenten nannten, ist in Donauwörth auch kein Unbekannter, schuf er doch die Chorfenster der Stadtpfarrkirche. Die Glasfenster der beiden Seitenkapellen sind allerdings eigenständige Schöpfungen seiner Schülerin Hilda Sandtner, die mit ihren Donauwörther Arbeiten eine eigene, unverwechselbare „Handschrift“offenbart.
Zum Künstlerberuf kam die junge Hilda erst auf Umwegen: Als zwölftes und jüngstes Kind eines Lehrers wurde sie 1919 in Türkheim geboren. Durch den Dienstortwechsel des Vaters wuchs sie in Steinheim bei Dillingen auf. Ihre eigene Ausbildung zur Lehrerin schien durch die familiäre Tradition vorgezeichnet. Die Jahre in der Lehrerbildungsanstalt Pasing und ihre Volksschulpraxis in Dillingen und Unterhausen bei Neuburg erlebte Hilda Sandtner jedoch als unbefriedigend, da sie ihre künstlerische Begabung nicht entwickeln konnte. 1943 begann sie an der Akademie für angewandte Kunst in München ein Studium, das sie im Jahre 1946 an der Hochschule der Bildenden Künste fortsetzte. Bei aller Einschränkung der Nachkriegszeit bezeichnete sie diese Jahre an der Akademie als die glücklichsten, „denn ich durfte zeichnen, malen, Glasfenster entwerfen, bekam durch die Vermittlung des ’Meisters’ schon die ersten Aufträge und durfte an seinen Großprojekten mitarbeiten.“
Nach dem Studium arbeitete sie als Kunsterzieherin in der Oberpfalz, wo sie auch als Porzellanmale- rin für die Firma Rosenthal tätig war. 1959 wechselte sie als Dozentin an die Pädagogische Hochschule Augsburg und erhielt 1976 den Lehrstuhl für Kunsterziehung an der neu gegründete Universität, den sie bis zur Emeritierung 1984 leitete. Damals war sie eine der wenigen Professorinnen im akademischen Lehrbetrieb.
Zu den großen Begabungen von Hilda Sandtner gehörte das Gestalten mit textilen Materialien. Noch während ihrer Akademiezeit lernte sie in der Paramentenwerkstatt des Klosters Wettenhausen den Umgang mit Fäden und Stoffen. Zu den Ergebnissen gehörten gewebte Wandbehänge, gebatikte Landschaften und Paravents. Diese Arbeiten zeugen von tiefer Religiosität, die ihrer Kunst Inhalt und Richtung verlieh. Dazu gehören auch vier Ambobehänge der Rainer Stadtpfarrkirche.
In der Kunstpädagogik räumte Hilda Sandtner der Kreativität stets den ersten Rang ein. Ihr großes pädagogisches Anliegen war das eigengestalterische Tun des Kindes, Jugendlichen und Erwachsenen. Aus Frankreich, Dänemark und Norwegen, ja selbst aus Korea kamen ihre Studenten, die sich stolz ihre Schüler nannten. Eigene textile Arbeiten und Objekte von Studenten und Schülern wurden in internationalen Ausstellungen gezeigt und erregten Aufsehen. Für eine vergleichende Kunstbetrachtung hatte sie Textilien und Kunstobjekte aus allen Epochen und Kulturen gesammelt. Diese Kostbarkeiten schenkte sie 1983 der Stadt Mindelheim, wo sie im einstigen Jesuitenkolleg ihr überregional bedeutendes Textilmuseum einrichtete.
Trotz ihrer unermüdlichen Lehrtätigkeit blieb sie selbst als Künstlerin ungebrochen kreativ. Vielerlei Arbeitsfelder lagen bei ihr dicht beieinander. Dazu gehörten auch Mosaike, Bilder und Zeichnungen. Unübertroffen sind die von ihr verfassten volkskundlichen Bücher zur schwäbischen Lebensart, die sie auf liebevolle Weise mit hintersinnigem Witz meisterhaft illustrierte.
Info Das Buch kann unter dr.witt mann verlag@t online.de oder über die Homepage des Gempfinger Pfarrhofes (www.gempfingerpfarrhof.de), 20 Euro, bestellt werden. Eine Ausstellung zeigt dort an den Sonntagen, 23. und 30. April, 14 bis 17 Uhr Zeichnungen und Skizzenbücher Hilda Sandtners. Die Schau wird ergänzt mit Skulpturen des Bildhauers Hans Malzer.