Und wo bleibt die Gerechtigkeit für den Steuerzahler?
Leitartikel SPD und Union verheißen neue soziale Leistungen. Eine spürbare Senkung der Steuern ist ihnen keine Anstrengung wert. Der Normalverdiener wird geschröpft
Die SPD zieht wieder mit dem Schlachtruf „Mehr soziale Gerechtigkeit“in den Bundestagswahlkampf. 2013 ist ihr das schlecht bekommen – vielleicht auch, weil der alte Hit aus dem Repertoire linker Politik mit einem Steuererhöhungsprogramm garniert war. Womöglich kommt die populäre Parole heuer besser an. Erstens hat nahezu jeder Bürger irgendeinen Grund, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Zweitens gibt es ja krasse Ungerechtigkeiten, wozu beispielsweise exorbitante Managergehälter, die Nöte vieler Alleinstehender mit Kindern, die Altersarmut nach einem langen Arbeitsleben oder die Hungerlöhne in einigen Branchen zählen. Drittens ist die Schere zwischen Reich und Arm zu weit aufgegangen – mit der Folge, dass der notwendige soziale Zusammenhalt verloren zu gehen droht. Viertens: Bei der großen Mehrheit der Bevölkerung hat sich – gewiss auch unter dem Eindruck parteipolitischer Brandreden – das Gefühl verfestigt, es gehe nicht gerecht zu in diesem Land.
Das ist insofern erstaunlich, als es den meisten Deutschen recht gut geht und der Sozialstaat in voller Blüte steht. Die Sozialausgaben, die seit langem stärker wachsen als die Wirtschaftsleistung, summieren sich inzwischen auf knapp 900 Milliarden Euro im Jahr. Am Mitteleinsatz kann es also nicht liegen, dass der Sozialstaat an Ansehen einbüßt. Das Problem ist, dass das viele Geld nicht zielgenau genug dort eingesetzt wird, wo es wirklich brennt. Zugleich erweckt die Politik den Eindruck, als ob der paternalistische Staat jedes gefühlte oder tatsächliche Gerechtigkeits-Defizit lösen könne. Daraus ist eine Erwartungshaltung entstanden, die den Gedanken von der Selbstverantwortung des einzelnen Bürgers verdrängt und gerade auch die etatistischen Volksparteien zu ständigen neuen (Wahlkampf-)Wettläufen um die schönsten sozialpolitischen Verheißungen verführt. Und weil das Thema Gerechtigkeit fast nur unter dem Blickwinkel zusätzlich nötiger sozialpolitischer Leistungen betrachtet wird, ist von einer der größten Ungerechtigkeiten im Lande erst gar nicht mehr die Rede. Der Staat schröpft die hart arbeitende Mittelschicht, die den ganzen Laden am Laufen hält, auf skandalöse Weise. Die Steuer- und Abgabenlast ist Weltspitze. Was ist gerecht daran, wenn schon bei Facharbeitern der Spitzensteuersatz greift oder Ledige die Hälfte ihres Verdienstes abliefern müssen? Es wäre nur gerecht, den Arbeitnehmern wenigstens einen Teil der Rekord-Steuermehreinnahmen zurückzugeben. Für die Gerechtigkeitsapostel der SPD jedoch sind Steuersenkungen kein Thema – man braucht das Geld ja zum Umverteilen. CDU und CSU verheißen mickrige 15 Milliarden – wie schon so oft, ohne dass den Worten Taten folgten. Ein Ende des steuerpolitischen Komas ist also nicht in Sicht. Schließlich wollen SPD und Union die Wähler mit neuen teuren Versprechen ködern. Das ist nicht nur schlecht für die Steuerzahler. Das ist auch Gift für die künftige Dynamik der – noch – florierenden Wirtschaft, wo ja das Geld für den Sozialstaat erwirtschaftet werden muss.
Wenn es gerechter zugehen soll, dann braucht diese Republik nicht nur einen effizienter funktionierenden Sozialstaat. Dann benötigt sie vor allem auch eine Steuerreform, die breite Schichten entlastet, den Subventionsdschungel lichtet und – ja, um der Gerechtigkeit willen – den wirklich Reichen und Vermögenden höhere Lasten auferlegt, Arbeit nicht höher besteuert als das Kapital und die Steuerschlupflöcher für Firmen und Konzerne verkleinert. Zu einer als gerecht empfundenen sozialen Ordnung gehört eine möglichst faire Lastenverteilung. Umso schlimmer, dass der unfaire Umgang mit der Masse der Steuerzahler offenbar weitergeht.
Damit es wieder gerechter zugeht in diesem Land