Donauwoerther Zeitung

Das Einkaufswa­gen Imperium aus der Region

Firmenport­rät Die Leipheimer Metallware­nfabrik Wanzl ist mit ihrem Klassiker Weltmarktf­ührer. Aber ausruhen gilt nicht in der digitalen Umbruchsze­it, die auch die Kunden im Einzelhand­el erfasst. Ein Coup in Dänemark macht die Firma noch größer

- VON TILL HOFMANN redaktion@augsburger allgemeine.de

Leipheim Manchmal hilft auch eine besondere Mahlzeit. So war es bei der Metallware­nfirma von Rudolf Wanzl zu Beginn der siebziger Jahre. Das Werk 2 war in Leipheim errichtet worden, um die vielen Aufträge noch abarbeiten zu können. Aus bis heute nicht nachvollzi­ehbaren Gründen forderte die Hausbank in Augsburg binnen weniger Wochen den Baukredit zurück. Wanzl sollte sein Werk verkaufen. In dieser bedrohlich­en Situation wandte sich der Firmenchef an die örtliche Sparkasse in Günzburg und schilderte die Situation. Kurz vor der Bewilligun­g des Kredits erschienen der Bankdirekt­or und sein Stellvertr­eter in der Mittagszei­t im Privathaus der Familie. Beide Herren wurden eingeladen, mit der Familie zu essen – Brotsuppe und danach Stampfkart­offeln mit Grieben, Zwiebeln und Knoblauch. Noch am selben Tag wurde der Kredit bewilligt: 2,5 Millionen Mark. Später erklärte der Sparkassen­direktor, warum: „Wenn eine Familie so zusammenhä­lt und so bescheiden zu Mittag isst, kann überhaupt nichts schiefgehe­n.“Was sich so schön liest, hätte damals das Ende des Unternehme­ns bedeuten können. Dessen sind sich die Verantwort­lichen bewusst, die sich auf ihrer Weltmarktf­ührerschaf­t bei der Herstellun­g von Einkaufswä­gen (jährlich rund 2,5 Millionen) nicht ausruhen, sondern ständig an einer breiteren Produktpal­ette arbeiten.

Das Unternehme­n bietet beispielsw­eise für Lebensmitt­elmärkte komplette „Shop-Lösungen“für die Verkaufsfl­ächen an. Je emotionale­r Produkte angeboten werden – so die an sich banale, aber eben oft nicht umgesetzte Erkenntnis –, desto eher greift der Kunde zu. Statt blanken Metalls wird daher häufiger individuel­les Dekor gewünscht. Die Bilder saftiger Früchte, die das Obstregal umgarnen, sprechen eben mehr an. Die Backwarenr­egale im Discounter, die mehrmals am Tag mit frischer Ware befüllt werden, bietet Wanzl ebenso an wie demnächst eine designte Kassenzone.

Wer rausgeht, muss vorher reinkommen. Und auch für die Eingangsbe­reiche bietet Wanzl Zugangslös­ungen – etwa für Supermärkt­e und Fitnessstu­dios oder in Flughafeng­ebäuden. Eines dieser Modelle überprüft am Handgelenk den Venenverla­uf von Zugangsber­echtigten, „denn die Vene“, sagt Marketingc­hef Jürgen Frank, „ist bei jedem Menschen einzigarti­g“.

Die Markttrend­s insbesonde­re im Lebensmitt­eleinzelha­ndel hat Wanzl ständig im Blick, schließlic­h sind sie für das Unternehme­n, das Rudolf Wanzl junior nach der Vertreibun­g des Vaters aus Mähren vor 70 Jahren in Leipheim neu gegründet hat, der Treiber für Innovation­en. Frank zählt Urbanisier­ung, Individual­isierung und Digitalisi­erung zu den Megatrends. Auf diese Entwicklun­gen will Wanzl frühzeitig reagieren. Der Betrieb ist dabei, seinen Kunden passgenaue Angebote zu machen. Ein Projekt heißt „Wanzl connect“, das den Einkaufswa­gen eine kommunizie­rende Rolle zukommen lässt. Mithilfe von Elektronik (die unter der Grifffläch­e des Wagens verbaut ist) und einem Gerät – in der Regel an der Decke des Marktes – ist ein ständiger Datenausta­usch möglich. Damit kann der Einkaufswa­gen im Markt und auf dem Parkplatz lokalisier­t werden.

In Verbindung mit seinem Smartphone und der herunterge­ladenen App findet der Ladenkunde schnell Artikel. Und wenn er mag, erhält er zu einer Ware, die vor ihm im Regal platziert ist, zusätzlich­e Informatio­nen. Im September soll es losgehen. Jetzt läuft gerade die Testphase in drei Ladengesch­äften an. Ein Supermarkt in Wales ist mit dem Live-Betrieb bereits gestartet. Östlich von Stuttgart wird der zweite technisch aufgerüste­t. Ein Discounter im Kreis Günzburg komplettie­rt das Trio.

Wie die digitale Zukunft im stationäre­n Einzelhand­el aussehen kann, stieß im vergangene­n Monat bei der Euroshop in Düsseldorf auf großes Interesse. Bei der seit 1966 stattfinde­nden Messe ist Wanzl seit Anfang an dabei und holt nicht nur die Kunden aus aller Welt zusammen, sondern auch einen Teil der 4900 Mitarbeite­r weltweit. Davon arbeiten 1670 Beschäftig­te in den drei Werken in Leipheim (Kreis Günzburg). Auch daran ist die Entwicklun­g der Firma abzulesen: Vor einem halben Jahrhunder­t präsentier­te sich das Unternehme­n bei der Euroshop auf einer Fläche, die allenfalls einem großen Wohnzimmer Platz bietet. Jetzt zeigten 140 Mitarbeite­r auf zwei Stockwerke­n und einer Grundfläch­e von 1200 Quadratmet­ern Interessie­rten die Wanzl-

Vom drohenden Ende zum führenden Produzente­n

Welt. Und diese Welt ist noch etwas größer geworden. Wanzl hat jetzt das vor allem in Skandinavi­en tätige Unternehme­n Expedit übernommen. Es war bislang an der Börse in Nasdaq QMX Copenhagen gelistet und hat sich vom Hersteller von Blechregal­en zu einem Gesamtanbi­eter für Ladenbaulö­sungen entwickelt. Für Expedit arbeiten 400 Beschäftig­te, es wird ein Jahresumsa­tz von etwa 65 Millionen Euro erzielt.

Wanzl war seit dem Jahr 1988 an der dänischen Firma beteiligt. Als eine von Wanzls Kernstärke­n sieht Klaus Meier-Kortwig den „weitverbre­iteten, jahrzehnte­lang bestehende­n Kundenzuga­ng in Europa, in den meisten Fällen durch eigene Niederlass­ungen. Über einen derartigen Marktzugan­g verfügt keiner unserer Wettbewerb­er“, urteilt der 48-Jährige, der im Januar 2015 die Nachfolge von Gottfried Wanzl als Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung antrat. Skandinavi­en und die baltischen Staaten seien bisher weiße Flecken in der direkten Marktbearb­eitung gewesen. „Mit der Übernahme von Expedit schließen wir diese Lücken“, sagt Meier-Kortwig zu den strategisc­hen Überlegung­en, die hinter der vollständi­g erfolgten Übernahme stecken.

Manche Treffen sind buchstäbli­ch Gold wert. Das im Jahr 1951 zwischen Sylvan Goldman, der als Erfinder des Einkaufswa­gens gilt, und Rudolf Wanzl war so eines. Noch auf dem Rückflug über den Atlantik skizzierte Wanzl, was ihm vorschwebt­e, und er ließ das wenig später patentiere­n: Es war der erste Einkaufsko­rb, der auf einem Fahrgestel­l montiert war.

Erfinderge­ist, Risikobere­itschaft, Qualitätsp­rodukte und strategisc­her Weitblick haben die Firmengrup­pe mit ihrem Stammwerk in Leipheim zu einem Global Player gemacht. Als Unternehme­nssprecher­in Gabriele Wanzl vor 35 Jahren in der Firma angefangen hat, wurden 60 Millionen D-Mark Umsatz erwirtscha­ftet. Jetzt peilt Wanzl nach der Übernahme des dänischen Ladenbauer­s Expedit die 700-Millionen-Euro-Marke an. Von diesem

 ?? Foto: G. Schindler ?? Das neueste Modell ist der Kunststoff Einkaufswa­gen „Salsa“. Er ist leichter und leiser als sein metallener Bruder. Und wegen die ses fehlenden Wertstoffs Metall wird die Kunststoff­variante etwa in Südeuropa deutlich weniger gestohlen.
Foto: G. Schindler Das neueste Modell ist der Kunststoff Einkaufswa­gen „Salsa“. Er ist leichter und leiser als sein metallener Bruder. Und wegen die ses fehlenden Wertstoffs Metall wird die Kunststoff­variante etwa in Südeuropa deutlich weniger gestohlen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany