Mildes Urteil nach tödlichem Unfall
Mit 17 Jahren verursacht eine Abiturientin nahe Thierhaupten einen Zusammenstoß, der zwei jungen Menschen das Leben kostet
Aichach Es ist ein Horrorunfall: Eine 17-Jährige gerät in einer leichten Rechtskurve auf die Gegenfahrbahn. Ihr Auto kracht frontal in einen Kleinwagen, in dem drei junge Leute sitzen. Am nächsten Tag berichtet die Polizei, dass die drei Insassen schwer verletzt worden sind. Einen Tag später ist der 26-jährige Fahrer tot. Wenig später stirbt auch seine 21-jährige Lebensgefährtin. Für die tragischen Folgen des Unfalls zwischen Meitingen und Thierhaupten am Abend des 22. Juni 2016 musste sich nun die Verursacherin aus dem Landkreis Aichach-Friedberg nun vor dem Jugendgericht in Aichach verantworten.
Die Verhandlung fand hinter verschlossenen Türen statt, weil die Angeklagte zum Zeitpunkt des Unfalls noch minderjährig war. Pressesprecherin Daniela Lichti-Rödl berichtete, dass Jugendrichterin EvaMaria Grosse die heute 18-Jährige wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung zu 64 Stunden Hilfsdiensten verurteilt hat.
Es ist ein relativ mildes Urteil und hat seine Gründe, wie Lichti-Rödl erläuterte. Einer davon ist die Tatsache, dass die junge Frau über ihren Rechtsanwalt Günter Gollmann ein umfassendes Geständnis ablegte. Sie habe auch nicht ansatzweise versucht, etwas zu beschönigen, so Lichti-Rödl. Die Angeklagte stand also zu ihrem verhängnisvollen Fahrfehler. Dieser allein war offenbar die Ursache. Das machte ein Sachverständiger deutlich. Er betonte, dass kein Tempoverstoß vorlag.
Beide Fahrer hätten sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit gehalten oder diese allenfalls geringfügig überschritten. Warum die junge Frau mit ihrem Wagen auf die Gegenspur geraten war, bleibt rätselhaft. Auch die 18-Jährige selbst. Lichti-Rödl berichtete, diese habe glaubhaft versichert, keine Erinnerung an das Geschehen unmittelbar vor dem Unfall zu haben. Das deckt sich mit der Aussage des einzig Überlebenden im Kleinwagen. Auch dieser junge Mann, der eine Gehirnerschütterung und Brüche an einem Fuß und einem Daumen erlitt, konnte sich nicht erinnern.
Noch mehr als das Geständnis zählte für das Gericht die Tatsache, dass der Unfall für die Verursacherin selbst traumatische Folgen hatte. Die junge Frau, die kurz zuvor ihr Abitur mit Erfolg bestanden hatte und sich auf ihren 18. Geburtstag freute, trug kaum körperliche Beeinträchtigungen davon. An den schweren psychischen Folgen jedoch leide sie bis heute. Sie sei „sichtbar stark belastet“, so LichtiRödl, die von einem schicksalhaften Momentversagen der jungen Frau sprach. Diese war an dem verhängnisvollen Abend übrigens nicht allein unterwegs. Die 17-Jährige durfte nur am Steuer sitzen, weil sie die Option des begleiteten Fahrens gewählt hatte und ihr 53-jähriger Vater neben ihr saß. Doch auch er konnte den Unfall nicht verhindern. Laut Gutachter trifft ihn keinerlei Verschulden. Ein Verfahren gegen ihn stellte die Staatsanwaltschaft ein.
Die junge Frau entschuldigte sich bald nach dem Unfall bei den Hinterbliebenen der Opfer in Briefen. Vor Gericht tat sie das noch einmal, so Lichti-Rödl. Dass die Nebenkläger, die Eltern der getöteten Frau und die Mutter des 26-Jährigen, keine eigenen Strafanträge stellten, spricht für sich. Auf ein mildes Urteil zielte auch der Antrag der Staatsanwaltschaft auf 80 Stunden Hilfsdienst ab.
Der Unfall vom 22. Juni war der Beginn einer tragischen Serie im Lechtal. Am 21. Juli starb ein 32-jähriger Lastwagenfahrer zwischen Sand (Gemeinde Todtenweis) und Thierhaupten. Am 29. Juli geriet zwischen Thierhaupten und Münster ein 33-Jähriger in den Gegenverkehr und starb. Am selben Tag kam eine 77-jährige Geisterfahrerin auf der B2 bei Meitingen ums Leben.