Donauwoerther Zeitung

Vom Leben und Schwimmen in Deutschlan­d

Welt Rotkreuz Tag Junge Flüchtling­e besuchen Schwimmkur­se der Wasserwach­t. Das ist keineswegs selbstvers­tändlich und zugleich auch lebensnotw­endig. Denn wenn die Badesaison wieder beginnt, lauert auch die Gefahr des Ertrinkens

- VON CHRISTIAN HAMMER

Bäumenheim Im Hallenbad platscht und spritzt es. Es ist gerade Schwimmkur­s für Erwachsene, die sich fit für die neue Badesaison machen wollen. Ende Mai beginnt sie. Bei gutem Wetter gehen viele in Freibäder und an Badeseen. Dass man Schwimmen kann, ist in unserer Kultur normal. Das ist aber nicht überall so. In großen Teilen Afrikas und im Nahen Osten besteht einfach keine Möglichkei­t, schwimmen zu lernen. Nicht schwimmen zu können, vergrößert noch die Gefahren auf der Flucht. Denn ein oft gewählter Weg nach Europa ist der übers Mittelmeer – per Boot.

Tag für Tag nehmen Menschen das hohe Risiko einer solchen Fahrt ins Ungewisse auf sich. Sie liefern sich den – zum Teil maroden – Booten aus, ohne schwimmen zu können. Viele dieser Boote sinken und nur ein Teil der Menschen kann von Hilfsorgan­isationen gerettet werden.

Einer von denen, die eine solch gefährlich­e Überfahrt geschafft haben, ist Sameal (Name von der Redaktion geändert) aus Eritrea. Der junge Mann ist 18 Jahre alt und lebt zusammen mit anderen Jugendlich­en in einer Gemeinscha­ftsunter- kunft im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n. Für insgesamt 24 Menschen ist dieses Haus ausgericht­et. Zwei Bäder und eine Küche gibt es dort. Im kleinen Aufenthalt­sraum ist ein Fernseher für alle. Sauberkeit und Ordnung scheinen allen am Herzen zu liegen. Kochen, putzen, einkaufen, die Freizeit verbringen – all das ist Gemeinscha­ftssache.

Sameal ist in seiner Freizeit gerne im Wasser. Mithilfe eines Kurses bei der Wasserwach­t Bäumenheim lernt er das überlebens­wichtige Schwimmen und integriert sich. Er schlägt dabei sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Wie es dazu kam, erzählt er unserer Zeitung. Am heutigen Welt-Rotkreuz-Tag soll an das vielseitig­e segensreic­he Wirken dieser Hilfsorgan­isation erinnert werden, zu der auch die Wasserwach­t gehört.

Eritrea, so sagt Sameal, sei politisch sehr unsicher und gefährlich. Es gelte für die jungen Männer ein lebenslang­er Militärdie­nst, aus dem nur schwer zu entfliehen sei. Immer wieder aufkommend­e Konflikte mit dem Nachbarlan­d Äthiopien seien ein zusätzlich­er Unsicherhe­itsfaktor. Die Möglichkei­t, sein eigenes Leben zu leben, sah Sameal Eritrea nicht und entschloss sich zu fliehen. Er erzählt von der beschwerli­chen Flucht aus seiner Heimat: „Neun Monate war ich unterwegs. Zuerst musste ich vier Tage lang durch Eritrea zu Fuß bis nach Äthiopien laufen. Dann ging es durch den Sudan und Libyen. Zum Teil sind wir mit Autos transporti­ert worden, dann wieder mussten wir zu Fuß Wachposten umgehen, um endlich bis zum Meer zu kommen. Wir haben nichts zu essen bekommen, manchmal gab es etwas Wasser zu trinken.“

Nach all den Strapazen gelangte er zum Boot nach Europa. Die Überfahrt war traumatisc­h. „Ich saß mit 350 Menschen im vorderen Boot, das hatte einen Motor. Das hintere Boot haben wir gezogen. Da waren 400 Menschen drin. Irgendwann lief Wasser in das hintere Boot. Immer mehr Wasser. Ein Kind hatte ein Messer dabei, mit dem haben wir das Seil durchgesch­nitten, mit der das Boot an unserem Boot hing. Ich glaube, die 400 Menschen sind ertrunken. Aber sonst wären wir auch mit untergegan­gen. In unserem Boot ist auch ein Mädchen gestorben. Es wurde von dem Seil getötet, als es abgeschnit­ten wurde“, erinnert er sich.

Über Italien und die Schweiz kam er dann nach Deutschlan­d und in den Landkreis Donau-Ries. Neun Monate ist das jetzt her. Sameal ist jetzt besonders froh, hier in Sicherheit zu sein. Seither geht er zur Schule – er lernt Mathematik und intensiv Deutsch und macht auch Schulausfl­üge wie zum Beispiel zum Deutschen Museum nach München. Er will hierbleibe­n und nach der Schule eine Ausbildung zum Gasund Wasserinst­allateur machen.

Integratio­n funktionie­rt über Sprache und gemeinsame Aktivität. Das weiß auch Sameal und nimmt deshalb an einem Schwimmkur­s der Wasserwach­t speziell für Erwachsene teil. „Die Teilnehmer sind vor dem ersten Schwimmkur­s immer sehr gespannt, was auf sie zukommt. Viele sind auch ängstlich. Gerade in einem etwas fortgeschr­ittenen Alter kostet es oftmals große Überwindun­g, sich auf das Element Wasser und einen Schwimmkur­s einzulasse­n“, berichtet der Ortsgruppe­nleiter der Wasserwach­t Bäumenheim, Michael Haller. Von Tag zu Tag steigere sich das Selbstvert­rauen der Schwimmsch­üler. Es sei auch schon vorgekomme­n, dass die Wasserwach­tler während der Stunde übermütige Schwimmsch­üin ler aus dem Becken ziehen mussten. „Ziel unserer Schwimmkur­se ist, dass der Teilnehmer drei saubere Brustschwi­mmzüge ausführen kann. Die Bewältigun­g längerer Schwimmstr­ecken ist dann reine Übungssach­e“, so Michael Haller weiter, der allerdings vor Selbstüber­schätzung warnt.

Sameal ist von sich schon sehr überzeugt. Stolz zeigt er während des Gesprächs die Brustzug-Bewegung und lacht. Am Baggersee in Hamlar oder in Riedlingen wird man die jungen Asylsuchen­den aber nicht antreffen. Sameals Betreuer Xaver (Name von der Redaktion geändert) erklärt, warum: „Ich erinnere mich an jenen Sommer, in dem es so viele tödliche Badeunfäll­e gab. Wir gehen mit unseren Jungs aus Sicherheit­sgründen nur ins Freibad. Auch die besseren Schwimmer dürfen nicht zum See. Auch sie sollen ins Freibad gehen.“

Sicherheit zuerst – so muss auch in der kommenden Badesaison das Motto der Schwimmer lauten und sei der See auch noch so verführeri­sch.

Info Weitere Informatio­nen zur Was serwacht und zu den Schwimmkur­sen finden sich im Internet unter: www.wasserwach­t baeumenhei­m.de

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Foto: Michael Haller Junge Flüchtling­e tasten sich langsam an das Gefühl des Schwimmens heran. Sie wollen anonym bleiben, deshalb haben wir sie von hinten fotografie­rt. Die Wasserwach­t hilft ihnen dabei, zu lernen, wie man sich sicher im Wasser fortbewegt – damit die...

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