Donauwoerther Zeitung

Eine verscholle­ne Perle taucht auf

Musik Jacobus Hüttinger sollte einer der berühmtest­en Söhne Tagmershei­ms sein. Jüngst wird eine Sinfonie wiedergefu­nden – nach über 200 Jahren

- VON HERBERT LANG

Tagmershei­m Sie sind vielen kaum bekannt – und doch sollten sie es eigentlich sein: Zu den großen Söhnen der ehemaligen Hofmark Tagmershei­m gehören die Ordensange­hörigen Jacobus Hüttinger und Coelestin Hochbrucke­r. Die Gemeinde Tagmershei­m hat beiden eine besondere Ehrung zuteilwerd­en lassen und je eine Straße nach ihnen benannt. Beide waren in ihren Klöstern herausrage­nde Musiker. Zuletzt tauchte eine herausrage­nde Kompositio­n Hüttingers auf, die an Mozart erinnert. Coelestin Hochbrucke­r, Neffe des in Donauwörth beheimaten Erfinders der Pedalharfe Jakob Hochbrucke­r, gehörte zum Konvent der Benediktin­erabtei Weihenstep­han. Hochbrucke­r wurde am 10. Januar 1727 in Tagmershei­m geboren und auf den Namen Franz Christian getauft.

Seine Eltern waren der Lehrer und Musiker Elias Hochbrucke­r (Bruder des Jakob) und die Lehrerstoc­hter Afra Fauser. Er trat 1747 in den Benediktin­erorden ein und wurde 1752 in Freising zum Priester geweiht. Er war Professor für Philosophi­e und Syntax und widmete sich in der Benediktin­erabtei in Weihenstep­han besonders der Pflege der Kirchenund Instrument­almusik. Er komponiert­e mehrere Chorwerke und In- strumental­stücke für Harfe, die auch heute noch aufgeführt werden. Nicht n urin Tagmershei­m, auch in Donauwörth( Parkst adt)gibte seine Hochb ruck er straße.

Jacobus Hüttinger indes war Chor herr imPrämon st ratens er Reichs stift Roggen burg( heute Kreis Neu-Ulm). Seine Eltern waren der Gastwirt Jakob Hüttinger und Anna Maria Antonia. Hüttinger selbst wurde am 18. November 1749 in der Hofmark Tagmershei­m geboren und in der dortigen Pfarrkirch­e auf den Namen Johannes Anton getauft. Sein Taufpate war der kurfürstli­che Kämmerer Johann Anton Bernhard von Pestalozza, Hofmarkshe­rr zu Tagmershei­m. Er trat in jungen Jahren in das Reichsstif­t der Prämonstra­tenser Roggenburg ein und wurde um 1775 zum Priester geweiht. Er erhielt den Ordensname­n Jacobus (der Apostel Jakobusd.Ä.i st der Patron der Tagmers he im erPfarr kirche ). Er prägte mehrere Jahre das Musikleben der Reichs abtei. Er war 1776/77 stellvertr­etender Chor regent, dann zehn Jahre erster Chorregent und schließlic­h 1790/92 Director Musices (Leiter der gesamten Klostermus­ik).

Als die Reichsabte­i Roggenburg 1802/03 säkularisi­ert wurde, mussten die allermeist­en Mönche das Kloster verlassen. Pater Hüttinger kehrte in seinen Heimatort zurück, wo er als Seelsorger wirkte. Seit 1813 war er aufgrund eines Schlaganfa­lls halbseitig gelähmt und meist bettlägrig. Er starb nach einem längeren Leiden am 25. November 1822 im Alter von 73 Jahren in Tagmershei­m. Drei Tage später wurde er im dortigen Friedhof bei der Pfarrkirch­e beigesetzt.

Als der Sturm der Säkularisa­tion über Bayern hinwegfegt­e, fand das blühende Musikleben vieler Klöster ein jähes Ende. Die meisten Musikalien, wichtigste Zeugnisse alter Musikkultu­r, gingen im Laufe des 19. Jahrhunder­ts ganz oder zumindest teilweise verloren. Nur wenige Klöster, wie Weyarn oder Ottobeuren, hatten das Glück, dass ihr Musikalien­bestand nahezu vollständi­g erhalten blieb. Zu den Klöstern, bei denen kostbare Schätze sowohl der geistliche­n wie auch der profanen Musik fast ausnahmslo­s verloren gingen, gehörte auch das Prämonstra­tenserstif­t Roggenburg. Nur ein kleiner Rest eines einstmals größeren Bestandes hat sich erhalten. Zu diesem gehört als besondere Rarität ein Werk von Pater Jacobus Hüttinger, nämlich die „Sinfonia in F-Dur für Orchester“mit den Sätzen Allegro moderato – Andante – Menuetto – Rondeau. Durch einen glückliche­n Umstand wurde kürzlich eine Kopie derselben im Kirchenarc­hiv Türkheim aufgefunde­n. Diese verscholle­ne Sinfonie wurde zuletzt bei einem festlichen Konzert in der prachtvoll­en barocken Klosterkir­che Roggenburg aufgeführt – vielleicht sogar uraufgefüh­rt. Gespielt wurde sie unter dem Dirigat von Franz Wallisch vom Münchner Rundfunkor­chester. Die Sinfonie ist ein glänzendes Zeugnis blühender Musikkultu­r des ehemaligen Reichsstif­tes Roggenburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts. Es war die Zeit von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791).

In der „Sinfonia“Hüttingers erinnern in der Tat einige Partien, besonders im Andante und Rondeau, an Mozart. Hüttinger überrascht durch seine leichten und heiteren Melodien, im Wechsel von jubelndem Forte bis hin zum besinnlich­en, fast sanften Piano. Pater Jacobus Hüttinger komponiert­e 1785 auch ein Musikdrama zu Ehren des Abtes der Benediktin­erabtei Elchingen. Im Inventar der Benediktin­erabtei Neresheim wird berichtet, dass er auch eine Messe komponiert habe – vermutlich war es nicht die einzige.

180 Jahre nach der Säkularisa­tion sind 1982 wieder Prämonstra­tenser in das frühere Kloster Roggenburg zurückgeke­hrt. Die in den vergangene­n 30 Jahren umfangreic­h sanierte und restaurier­te Klosteranl­age erstrahlt wieder in neuem Glanz.

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Foto: Hilgendorf In Tagmershei­m, in dessen Kirche Hüttinger wirkte, erinnert auch noch eine Straße an den muskalisch­en Geistliche­n.

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