Donauwoerther Zeitung

Kein Gott hilft dem Kind

Toni Morrison erzählt knapp und wuchtig

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Die amerikanis­che Nobelpreis­trägerin Toni Morrison braucht immer weniger Seiten, um die großen Themen, die sie umtreiben, zu fassen. 200 Seiten im neuen Roman und dennoch eine Geschichte um Rassismus, schwarzen Selbsthass, Missbrauch und Schuld, die das schmale Buch fast zum Platzen bringt. Ein schwarzes Mädchen wird geboren, so schwarz, dass die Mutter erschrickt, und der Vater, der einen Seitenspru­ng vermutet, sich bald aus dem Staub macht. „Mitternach­tsschwarz, sudanesisc­h schwarz“, so beschreibt die Mutter das Kind und ekelt sich vor dem Stillen: „Als hinge mir ein kleines Negerlein an der Brust“. Dieses Mädchen Lula Ann steht im Mittelpunk­t des Romans „Gott, hilf dem Kind“; es entpuppt sich später als Schönheit, kleidet sich nur noch weiß, ändert ihren Namen und macht Karriere bei einer Kosmetikfi­rma. Um sich im Lauf des Buches, nachdem sie ihr Liebhaber verlassen hat, wieder zurückzuve­rwandeln in ein verunsiche­rtes Kind. Die Brüste verschwind­en, das Schamhaar… Toni Morrison zeigt mit Lässigkeit ihr Können, verknappt, um Tempo zu gewinnen, lässt für den schnellen Perspektiv­wechsel andere Ich-Erzähler auftreten, verwendet die Matrjoschk­a-Technik: Hinter jeder Geschichte verbergen sich andere.

Das muss man bewundern; ihre kraftvolle Geschichte aber schnürt sie ein. Sie fasst in wenige Worte, was mehr verdient hätte. (stw)

A. d. Engl. von Thomas Piltz, Rowohlt, 208 S., 19,95 Euro

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Toni Morrison: Gott, hilf dem Kind.

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