Advocaat ist Hollands Liebling
Mal angenommen, der Deutsche Fußball-Bund käme auf den Gedanken, Berti Vogts noch einmal die Nationalelf – und damit auch das Glück weiter Teile der Bevölkerung im Land – anzuvertrauen. Es zöge Jammer und Wehklagen nach sich. Die Wirtschaft würde lahmen und Merkel wäre erledigt.
Für junge Leser, die sich nicht vorstellen können, dass es vor Jogi Löw einen anderen Bundestrainer gegeben hat: Berti Vogts war dessen Vor-Vorgänger. Ein kleiner, humorloser Mann, der es als Spieler mit wenig Talent, aber viel Fleiß zum Verteidigerterrier und Weltmeister gebracht hat. Ein deutscher Tugendgänger, was ihm den Weg ins höchste Fußball-Amt geebnet hat. Berti blieb auch dort Berti. So hat er 1996 den EM-Titel gewonnen. Als er 1998 ging, war das Land erleichtert. Ähnlich wie bei seinem Kumpel Helmut, den ehemaligen Mittelläufer, für den es nach 16 Jahren Kanzlerschaft ebenfalls nicht mehr zu einer weiteren Spielzeit gereicht hat. Beide hatten abgewirtschaftet, würden nie wiederkommen. Schließlich greift die Boxer-Regel des „They never come back“nirgendwo gnadenloser als in den beiden Spitzenämtern des Landes.
Anders bei unseren holländischen Nachbarn. Der Königlich Niederländische Verband hat soeben Dick Advocaat wieder zum Teamchef der Elftal berufen – sein drittes Engagement bei Oranje. Advocaat ist die holländische Ausgabe von Vogts, nur knurriger und in Frisurfragen mutiger. Als einer der Ersten hat er sich an eine Haarverpflanzung gewagt. Erst viel später kam Jürgen Klopp. Wer ein Vorbild für Trennungen ohne Rosenkriege sucht, findet es in der Beziehung des kleinen Dick mit Hollands FußballVerband. Der 70-Jährige hat die Nationalteams der Arabischen Emirate, Südkoreas, Serbiens und Belgiens trainiert, Klubs wie St. Petersburg oder Mönchengladbach, aber vor allem immer wieder die Elftal. Der Verband hat ihm jedes Mal den orangen Teppich ausgelegt, dabei hat er 2016, nach nur drei Monaten als Assistent der Oranjes, kurzerhand in Istanbul angeheuert. Möglich ist aber auch, dass die alte Fußball-Macht Holland inzwischen in Trainerfragen gar keine Wahl mehr hat. Nach der verpassten EM droht nun auch eine Weltmeisterschaft ohne Robben & Co. Aber keine Sorge: Mag der Königliche Verband den kleinen Dick im Fall des Scheiterns auch feuern – er kommt wieder.