Schön wär’s
Alternative Antriebe Fast alle Elektroautos nutzen die Energie aus einer großen Batterie, dabei ist Wasserstoff auch eine Lösung – wenn nicht sogar die bessere, wie der Honda Clarity Fuel Cell nahelegt. Es gibt nur ein Problem
Dass man Wasser unter Stromzufuhr in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen kann, wissen wir noch aus dem Physikunterricht (oder war es Chemie?). Dass der Prozess auch rückwärts funktioniert, daran erinnern sich wohl nur Einserschüler – und der ein oder andere AutomobilIngenieur. Schon vor 20 Jahren hatten Motorenentwickler nämlich mit der Brennstoffzelle experimentiert. Sie kann aus Wasserstoff und Luft elektrische Energie gewinnen. Emissionen? Keine.
Heute, da alle Welt nach alternativen Antrieben sucht, ist das Thema plötzlich wieder auf der Tagesordnung. Denn ein mit Brennstoffzelle betriebenes Elektroauto spart sich die sonst übliche riesige Batterie. Und die ist bekanntlich die Schwachstelle der aktuellen Stromer. Die Akkus halten oft nicht lange genug durch und sie brauchen zu lange, um geladen zu werden.
Das Reichweiten-Problem hat der Honda Clarity Fuel Cell, das neueste Brennstoffzellen-Auto, schon mal nicht. Der Norm nach geht ihm erst nach 650 Kilometern die Puste, sprich das Gas, aus. Erste Praxistests ließen auf eine tatsächlich mögliche Distanz von knapp 500 Kilometern schließen. Als Fahrer guckt man praktisch nie mehr auf die Tankuhr. Zweites Plus: Die Befüllung mit neuem Wasserstoff funktioniert so schnell und so einfach, als wäre es herkömmlicher Sprit.
vorausgesetzt, man findet eine Tankstelle. Gerade einmal 50 Wasserstoff-Tanken soll es bis Ende 2017 in Deutschland im allerbesten Fall geben – ein Witz von einer Infrastruktur. Da ist sogar die Versorgung mit Ladesäulen weit besser. Dass Wasserstoff als Abfallprodukt der Industrie häufig vorkommt und seine Produktion überdies geeignet wäre, Strom-Überkapazitäten etwa aus Windkraftanlagen sinnvoll aufzufangen, nützt demzufolge auch wenig.
Schade, denn die Brennstoffzellen-Technologie wirkt ausgereifter als die vieler batteriebetriebener Stromer. Der futuristisch gestylte Honda zieht lautlos und geschmei- dig davon. 174 PS und 300 Newtonmeter vom Stand weg verfehlen ihre Wirkung nicht. Übrigens hat der Japaner trotz Brennstoffzelle noch eine kleine Batterie (1,7 kWh). In ihr wird Bremsenergie abgespeichert und beim Beschleunigen verhilft sie dem Elektromotor zu einem Extra-Boost. Immerhin 165 km/h sind drin. Der Sprint auf 100 km/h dauert neun Sekunden.
War der Brennstoffzellen-Stapel im Vorgängerauto noch zwischen Fahrer- und Beifahrersitz montiert, ist er nun dank kompakterer Bauweise unter die Motorhaube gewandert und nimmt den Passagieren keinen Platz mehr weg. Lediglich der Wasserstoff-Tank im KofferImmer raum beschränkt diesen auf 334 Liter. Ein zweiter Tank befindet sich unter den Rücksitzen. Beide zusammen fassen 141 Liter hoch verdichteten Wasserstoff, was einem Gewicht von rund fünf Kilogramm entspricht. Pro Kilogramm kommt das Auto grob gerechnet um die 100 Kilometer weit.
Auf so einer Wasserstoff-Bombe zu sitzen, behagt nicht jedem; es sei noch einmal an den Chemie-Unterricht erinnert, konkret an die beliebte Knallgas-Probe. Honda beruhigt, spricht von einem „herausragenden Sicherheitsniveau“. Zwei Sensoren sollen mögliche Lecks sofort erkennen, den ausgetretenen Wasserstoff ableiten und das System abschalten. Zulassungsbehörden jedenfalls hatten bislang keine Bedenken.
Sorgen muss man sich hierzulande ohnehin nicht machen. Das Auto wird in Deutschland bis auf Weiteres nämlich gar nicht regulär angeboten; die jetzt präsentierten Fahrzeuge sind Teil eines europaweiten „Demonstrations-Projekts“. In den USA dagegen wird der Honda Clarity Fuel Cell zu einem subventionierten Preis gepusht: 369 Dollar monatliche Leasingrate, 2900 Dollar Einmalzahlung. Doppelt schade, dass der deutsche Markt offenbar nicht reif ist für ein emissionsfreies Auto mit einer fast unschlagbaren Reichweite.