Eine musikalische Zeitreise in Mertingen
Frühjahrskonzert Die Leistung des Akkordeonorchesters überzeugt das Publikum. Ein Chor erlebt in diesem Rahmen seine Premiere
Mertingen „Ist doch klar: Wir kommen wieder nächstes Jahr“– das Akkordeonorchester, zehn Köpfe stark, des Musikvereins Mertingen und der für diesen Anlass gegründete Frauenpower-Chor unter Leitung von Barbara Stempfle hatten gerade die zweite Zugabe beendet und sich mit dieser Ansage vom begeisterten Publikum verabschiedet.
In Mertingen spielt zum Frühlingskonzert in jedem Jahr das (Sparten-)Akkordeonorchester unter seinem Dirigenten Josef Deffner aus Biberbach. Der hatte ein abwechslungsreiches und ansprechendes Programm zusammengestellt, das die Stärken der „Ziehharmonika“, vulgo Akkordeon, wunderbar zur Geltung brachte. Der auch einen Multiinstrumentalisten als Verstärkung mitbringt: Winfried Kraus, zugange an Keyboard, Klavier und Akkordeon. Er hatte großen Anteil am unterhaltsamen Programm.
Eine musikalische Zeitreise sollte es sein, die Josef Brunner, Vorsitzender des Mertinger Musikvereins, als Reiseleiter launig moderierte: Das „Stagione di Venezia“des Rondò Veneziano, in barocker Manier komponiert, überraschte mit dem typisch perlenden, akzentuiertweichgezeichneten Rondò-Veneziano-Klang – erstaunlich, wie die Akkordeonisten ihrem Instrument doch Klänge zu entlocken vermochten, einen sehr homogenen Orchesterklang erzeugten. Eine gelungene Einführung in das Konzert, das mit der „Italienischen Tango-Serenade“dann vollends überzeugte. Tango und das „Handzuginstrument“(etwa Akkordeon oder Bandoneon) passen nahtlos zusammen und sind auch für Ungarn aus der Musik der Roma nicht wegzudenken. Es wurde ja aus der vom Wiener A. Hackel erfundenen Physharmonika entwickelt. Daher passte auch der „Ungarische Tanz Nr. 6“von Johannes Brahms, der in diesen Kompositionen Elemente ungarischer Volksmusik verarbeitete, bestens zum Konzert.
Aber nicht nur Klassik – nein, die Reise ging über, klavierbegleitet und einfühlsam gespielt, „Laras Thema“aus dem Filmdrama „Dr. Schiwago“zum Jazzstandard „On the Sunny Side of the Street“, ebenfalls Evergreen durch Interpreten wie Louis Armstrong, Frank Sinatra und andere. Eigentlich hätte ein Tusch dazugehört, um „Frauenpower“einzuführen – ein Lob an Gründerin und Dirigentin Stempfle und die rund 20 Mädchen und Frauen in dieser Formation, die hoffentlich Bestand über diesen Abend hinaus haben darf. Nachdem die Damen also auf der „weißen“, sonnigen Straßenseite sehr akkurat und melodisch flaniert waren, versenkten sie das Auditorium noch über „California Dreamin’“in kollektive Ferien-Verzückung ob des alten Millionensellers von The Mamas & The Papas. Der stürmische Beifall steigerte sich bei dem swingenden „Mr. Sandman“und Trude Herrs trotzig-vergeblichem „Ich will keine Schokolode“mit den ins Publikum geworfenen Schokoküssen noch erheblich. John Miles Rockklassiker „Music Was My First Love (and Will Be My Last)“wurde vom Orchester wiederum großartig musiziert in allen Facetten des abwechslungsreichen und mit Schwierigkeiten gespickten Librettos.
Nach dem Hochzeitsschlager „The Rose“, einem Medley der größten Hits von Simon & Garfunkel, einem gar nicht getragenen „Erlösungssound“, ein kurzer Abstecher zu Status Quo mit „Rockin’ All Over the World“: gespielt und gerockt mit erkennbarer Begeisterung. Das Publikum nahm es mit erkennbarer Freude auf und applaudierte begeistert. Der „Deutschmeister-Regimentsmarsch“beendete den Abend – bis auf die Zugaben natürlich. (uhw)