Braucht man Torf in der Blumenerde?
Es ist eine Qual mit dem Gewissen. Nachdem es sich ins Essen eingemischt hat (bitte auf die Tierhaltung achten!), beim Kleiderkauf herummäkelt (an die Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern denken), meldet es sich jetzt bei der Auswahl von Erde zu Wort. Da steht man im Baumarkt, Gartencenter oder beim Gärtner, blickt auf eine Anhäufung von Erdsäcken und das Gewissen ruft: „Nimm torffreie Erde!“Stimmt, da war irgendwas mit Torf in der Erde und Mooren, die sterben, oder?
Genau, sagt Helmut Beran, Klimaexperte vom Landesbund für Vogelschutz. Torf entsteht in Mooren. Um es abzubauen, müssen diese trockengelegt werden. Das hat mehrere Nachteile, sagt der Experte. In den Mooren ist viel CO gespeichert (obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, ist dort mehr CO2 gespeichert als in der gesamten Waldfläche der Welt). Weil die Torfschicht so langsam wächst – einen Meter in 1000 Jahren –, ist dieses Kohlenstoffdioxid dem Kreislauf schon seit Jahrhunderten entzogen. Wird der Torf trockengelegt, kommt er mit Sauerstoff in Berührung und das CO2 entweicht. Zudem seien Hochmoore wichtig für den Hochwasserschutz, sagt Beran. Denn sie speisen sich aus Regenwasser. Weil Torf viel Wasser speichert, halten sie in Regenzeiten Wasser zurück. Ein weiterer Punkt ist der Artenschutz. Moore sind kein sehr lebensfreundliches Umfeld. Tiere und Pflanzen, die dort vorkommen, gibt es meist nur dort. Zwei Drittel dieser Arten sind schon vom Aussterben bedroht. Also lautet die Empfehlung der Naturschützer: Torffreie Erde kaufen. Torf enthalte zudem keine Nährstoffe, sodass er das Pflanzenwachstum nicht fördert. Aber warum ist er dann in Erde enthalten? „Viele Erden bestehen sogar zu 95 Prozent aus Torf“,sagt Beran.
Rut Alker vom Bayerischen Gärtnerei-Verband sagt, Torf habe durchaus eine Berechtigung im Gartenbau. Er macht die Erde locker, das heißt die Wurzeln bekommen ausreichend Luft. Diese luftige Struktur bleibt über lange Zeit erhalten. Torf im Blumentopf oder im Beet speichert Wasser und Nährstoffe gut. Schon seit Jahren forscht die Landesanstalt für Weinund Gartenbau in Veitshöcheim daran, einen Ersatzstoff zu finden. Auf eine perfekte Lösung ist sie noch nicht gestoßen. „Laien müssen sich wenig Gedanken um ihre Pflanzen machen, wenn sie Blumenerde mit Torf verwenden“, sagt Alker. Die Pflanze bekomme ausreichend Wasser und sei weder mit zu viel noch mit zu wenig Nährstoffen versorgt. „Wenn man auf torffreie Erde setzt, muss man das alles genau überprüfen. Für Anfänger ist torffreie Erde deshalb nicht so leicht zu handhaben.“Allerdings sagt auch sie, dass es manche Dinge gebe, die überflüssig seien: „Früher hat man einen Sack Torf gekauft und ins Beet geleert, um die Bodenstruktur zu verbessern. Das ist unnötig.“Kompost reiche. Das ist auch die Variante, zu der Beran vom Landesbund für Vogelschutz rät. Torf lasse sich durch eine Mischung aus Kompost, Rindenhumus und Holzspänen ersetzen, sagt er.
Es ist also wie immer, wenn sich das Gewissen einmischt: Eine einfache Lösung gibt es nicht.
Christina Heller ist Wirt schaftsredakteurin unse rer Zeitung. Sie beantwortet einmal in der Woche Fra gen des Alltags.