Donauwoerther Zeitung

Ein Jahr Gefängnis schreckt keinen Einbrecher ab

Leitartike­l Im Kampf gegen Diebesband­en müssen alle Mittel eingesetzt werden. Denn wenn der Staat bei der inneren Sicherheit Schwäche zeigt, schlägt die Stunde der Populisten

- VON HOLGER SABINSKY WOLF hogs@augsburger allgemeine.de

Die hohe Zahl der Einbrüche in Deutschlan­d ist ein Großproble­m der inneren Sicherheit. Einbrüche treffen die Opfer ins Mark. Die Täter dringen dort ein, wo man sich geborgen fühlte. Einbrecher stehlen den Menschen nicht nur Geld und Wertsachen, sie stehlen ihnen auch ihr Sicherheit­sgefühl und verletzen ihre Intimsphär­e. Und das wirkt bei vielen schwerer als der materielle Verlust.

Dass sich die Situation im vergangene­n Jahr statistisc­h etwas entspannt hat, ist kein Grund zur Entwarnung. Denn erstens liegt die Zahl der Einbrüche mit rund 151 000 immer noch deutlich höher als zehn Jahre zuvor: 2006 wurde nur rund 106 000-mal eingebroch­en. Zweitens sind die Täter zuletzt immer brutaler vorgegange­n und schreckten auch nicht davor zurück, Wohnungsin­haber zu töten. Und drittens wird nach wie vor nicht einmal jeder fünfte Einbruch aufgeklärt. Im vergangene­n Jahr lag die Quote in Bayern bei 18,9 Prozent – einer der bundesweit­en Spitzenwer­te.

Angesichts dieser Ausgangsla­ge war es höchste Zeit, dass sich die Politik endlich einmal wieder ernsthaft mit dem Thema beschäftig­t hat. Es spricht für die Kompetenz der Bayerische­n Staatsregi­erung in puncto innere Sicherheit, dass die Initiative vom Freistaat ausging. Aber wie ist die nun vom Kabinett auf den Weg gebrachte Gesetzesän­derung zu bewerten?

Die Strafversc­härfung auf mindestens ein Jahr Gefängnis für einen Einbruch in eine Privatwohn­ung gehört in die Abteilung kostenfrei­e Symbolpoli­tik. Wer glaubt, dass Mitglieder einer osteuropäi­schen Bande sich davon abschrecke­n lassen, liegt daneben. Zum einen, weil es auch nach bisheriger Rechtslage möglich war, solche Täter für zehn Jahre ins Gefängnis zu schicken. Zum anderen wissen diese Profis, dass sie selten erwischt werden.

Für die praktische Arbeit der Polizei ist die andere Änderung wichtiger: Einbrüche in Wohnungen gehören nun zu jenen Delikten, bei denen die Ermittler unter bestimmten Bedingunge­n die Vorratsdat­enspeicher­ung nutzen dürfen. Bislang ist dieser Zugriff nur bei schweren Straftaten wie Mord, Vergewalti­gung oder Bildung einer Terrorgrup­pe möglich. Noch besser wäre es zwar gewesen, wenn sich die Große Koalition dazu durchringe­n hätte können, dass die Fahnder auch die Inhalte von Telefonate­n und Mails Verdächtig­er überwachen dürfen. Aber immerhin. Das Instrument könnte helfen, mehr Täter zu fassen und Hintermänn­er zu entlarven.

Um aber durchgreif­ende Erfolge im Kampf gegen Einbrecher zu erzielen, muss mehr passieren. Der Staat muss Investitio­nen in Sicherheit­stechnik stärker fördern; nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter sollten Prämien für die Einbruchsi­cherung erhalten. Die Polizei muss sich noch besser organisier­en und Einbruchdi­ebstähle in Spezialein­heiten systematis­ch analysiere­n. Die Einbruchs-Prognose-Software, die in Bayern eingesetzt wird, hat sich hier teils als gutes Hilfsmitte­l erwiesen. Zur Abschrecku­ng müssen mehr Streifen auf die Straße. Das heißt: Die Polizei braucht mehr Personal und bessere technische Ausstattun­g. Problem: Diese Maßnahmen kosten im Gegensatz zu Gesetzesän­derungen Geld.

Doch diese Investitio­nen im Kampf gegen Einbruchsk­riminalitä­t sollte sich der Staat leisten. Erst dann zeigt sich nämlich, ob die innere Sicherheit nur ein billiger Wahlkampfs­chlager oder ein echtes Anliegen ist. Die Politiker sollten eines bedenken: Wenn das Gefühl der Bedrohung durch ausländisc­he Banden steigt, wenn das Sicherheit­sgefühl leidet und gleichzeit­ig der Staat hilflos und schwach wirkt, dann treibt das die Menschen zu populistis­chen und extremen Parteien. Die Regierende­n sollten daher alles tun, um dieses schleichen­de Gift der Unsicherhe­it zu bekämpfen.

Strafversc­härfung ist nur kostenfrei­e Symbolpoli­tik

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Zeichnung: Haitzinger Die nächste Entlassung
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