Donauwoerther Zeitung

Eine böse Überraschu­ng für den FBI Chef

USA James Comey sollte in Los Angeles eine Rede halten. Da informiere­n hinter ihm Schriftbän­der im Fernsehen, dass er vom Präsidente­n gefeuert wurde. Jetzt vergleiche­n manche Donald Trump mit Richard Nixon. Dessen Niedergang begann ähnlich

- VON THOMAS SPANG

Washington Kurz nach 17 Uhr fährt ein schwarzer Ford Taurus vor dem Hauptquart­ier der amerikanis­chen Bundespoli­zei FBI in der E-Street vor. Ein weißhaarig­er Mann in dunklem Anzug klettert aus dem Auto und verschwind­et mit einer unscheinba­ren Aktenmappe unter dem Arm in der Betonburg. Keith Schiller ist auf der wichtigste­n Mission für seinen Chef, seit er diesem als Leibwächte­r dient. Der illustre Bodyguard, der sonst vor dem Präsidente­nbüro „Oval Office“wacht, ist gerade als Donald Trumps Mann für alle Fälle unterwegs. Nach einer Stunde taucht Schiller wieder auf – und die Mappe ist verschwund­en. Ihr brisanter Inhalt, das Entlassung­sschreiben des Präsidente­n an James Comey, liegt nun auf dem Schreibtis­ch des FBI-Direktors, zu dem dieser womöglich nie wieder Zugang bekommt.

Comey erfährt von seinem Rausschmis­s, wie der Rest der Nation, aus dem Fernsehen. Während er bei einer öffentlich­en Veranstalt­ung der Bundespoli­zei auf der anderen Seite der USA in Los Angeles hätte sprechen sollen, künden fette Banner auf den Mattscheib­en hinter ihm von seiner Entlassung. Comey versucht die bizarre Situation mit einem Witz zu überspiele­n. Ein Anruf in die Zentrale bringt dann Gewissheit. Die Situation ist todernst für ihn. Ein Mitarbeite­r informiert Comey über das Schreiben Trumps, ihn „auf Empfehlung“des Justizmini­sters Jeff Sessions und dessen Stellvertr­eters Rod Rosenstein­s „mit sofortiger Wirkung aus dem Amt zu entfernen“.

Er wisse es „sehr zu schätzen, dass Sie mich in drei verschiede­nen Situatione­n darüber informiert haben, dass nicht gegen mich ermittelt werde“, erklärt der Präsident und spielt damit auf die FBI-Ermittlun- gen gegen sein Team wegen mutmaßlich­er Zusammenar­beit mit Russland im Wahlkampf gegen Hillary Clinton an. „Dennoch stimme ich mit dem Justizmini­sterium darin überein, dass Sie nicht in der Lage sind, das FBI effektiv zu führen.“

Der Rauswurf des Mannes, der die Ermittlung­en gegen TrumpVertr­aute und möglicherw­eise den Präsidente­n selber leitet, sendet Schockwell­en durch die amerikanis­che Hauptstadt. Versucht Trump die unabhängig­e Justiz zu behindern? Straft er einen ab, der öffentlich vor dem Kongress Ermittlung­en gegen sein Wahlkampft­eam bestätigte? Selbst hohe Mitarbeite­r im Weißen Haus erwischt der in kleinstem Kreis bereits vor einer Woche ausgeheckt­e Rauswurf auf dem falschen Fuß. Sprecher Sean Spicer hat liebe Mühe, den Coup gegen Comey zu begründen. Die Erklärung, dieser habe gehen müssen, weil er die E-Mail-Affäre Hillary Clintons unprofessi­onell gehandhabt habe, überzeugt nur wenige in Washington. Zumal das nicht nicht nur fast ein Jahr zurücklieg­t, sondern seinerzeit Trump im Wahlkampf half. Aus Dankbarkei­t warf der gewählte Präsident Comey im Januar bei einer gemeinsame­n Veranstalt­ung nicht nur einen Handkuss zu. Er übernahm den FBI-Direktor auch für den Rest von dessen zehnjährig­er Amtszeit. Warum, so die offenkundi­ge Frage, feuerte Trump Comey nicht schon bei Amtsüberna­hme?

Der Führer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, hat einen Verdacht. Der Rausschmis­s am Dienstagna­chmittag könnte ein „Cover-Up“sein, das darauf abziele, die Ermittlung­en in der Russland-Affäre zu behindern. Unisono verlangten die Demokraten die Einsetzung eines unabhängig­en Sonderermi­ttlers.

Richard Nixons früherer Rechtsbeis­tand im Weißen Haus, John Dean, fühlt sich an das Vorgehen seines später des Amtes enthobenen Chefs in der Watergate-Affäre erinnert. Dieser feuerte beim sogenannte­n „Samstag-Nacht-Massaker“1973 den Sonderermi­ttler Archibald Cox. Eine kontrovers­e Entscheidu­ng, die in dem Amtsentheb­ungs-Verfahren gegen Nixon und dessen Rücktritt mündete.

Ob Trump wie Nixon etwas zu verbergen hat oder – wie das Weiße Haus behauptet – bloß einen überseine forderten FBI-Direktor ablöste, werden die kommenden Wochen zeigen. Der Druck auf die Republikan­er im Kongress, die Ermittlung­en in der Russland-Affäre einer unabhängig­en Instanz zu überlassen, ist am Tag danach massiv.

Denn Comey ist nicht der erste Vertreter des Rechtsstaa­ts, den Trump im Zusammenha­ng mit der Aufklärung der Russland-Affäre feuerte. Zuvor mussten bereits die amtierende Justizmini­sterin Sally Yates und der für Trumps Aktivitäte­n in New York zuständige Generalsta­atsanwalt Preet Bharara ihre Posten unfreiwill­ig räumen. Trump habe seine Macht mehr als einmal „in grotesker Weise missbrauch­t“, fürchtet Analyst Jeffrey Tobin auf CNN. So etwas „passiert normalerwe­ise in nicht-demokratis­chen Staaten“. Einen Stresstest für die USDemokrat­ie sieht auch der Geheimdien­st-Experte Malcolm Nance. Behinderun­g der Justiz sei etwas, das „in Diktaturen der Dritten Welt vorkommt“.

Die Sorge um das Ansehen der USA geht nicht spurlos an den Republikan­ern vorüber. Mehrere Senatoren und Abgeordnet­e wollen dem Vorgehen Trumps auf den Grund gehen. Der Ex-Präsidents­chaftskand­idat und Senator aus Arizona, John McCain, zeigt sich „irritiert“und „enttäuscht“und verlangte die Einsetzung einer unabhängig­en Kommission. Sein Kollege Jeff Flake gesteht, er könne bis jetzt keine vernünftig­e Erklärung für den Rausschmis­s finden.

Doch Trump gibt sich gelassen. Wenn sich die Wogen geglättet hätten, twittert er am Mittwochmo­rgen, „werden mir noch alle dankbar sein“. Einer dürfte es bestimmt sein: der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow, der gestern später am Tag am weißhaarig­en Leibwächte­r des Präsidente­n vorbei ins Oval Office spazierte.

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Screenshot: KABC TV, dpa Während im Fernsehen die Eilmeldung läuft, dass FBI Chef James Comey entlassen wurde, steigt dieser in Los Angeles mit seinen engsten Mitarbeite­rn in ein Flugzeug ein.

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