Donauwoerther Zeitung

„Lieber jetzt unromantis­ch als später arm“

Interview Die frühere Familienmi­nisterin Renate Schmidt rät Frauen zu Eheverträg­en und zu mehr Kampfgeist für die eigenen berufliche­n Interessen. „Ein Mann ist keine Altersvers­orgung“heißt ihr Buch, das sie in Augsburg vorstellt

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„Ein Mann ist keine Altersvers­orgung“heißt Ihr Buch, das Sie zusammen mit der Finanzexpe­rtin Helma Sick geschriebe­n haben. Hat sich diese Erkenntnis wirklich noch nicht herumgespr­ochen? Renate Schmidt: Offensicht­lich nicht. Ansonsten würden doch nicht nach wie vor so viele insbesonde­re gut ausgebilde­te junge Frauen in dem Moment, in dem Kinder da sind, das althergebr­achte Familienmo­dell wählen: Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause und macht maximal vielleicht noch einen kleinen Teilzeitod­er Minijob. Und das ist keine Altersvers­orgung, sondern kann grauenhaft schiefgehe­n.

Aber an mangelnder Aufklärung über die Gefahren von Altersarmu­t bei Frauen kann es nicht liegen. Auch der Arbeitsmar­kt läuft gut. Woran liegt es also, dass Frauen zurückstec­ken? Schmidt: Ich glaube es liegt daran, dass Frauen nicht hartnäckig genug darauf bestehen, dass die Arbeit zu Hause, die Haus- und die Familienar­beit, zwischen den Partnern einigermaß­en paritätisc­h geteilt wird. Wir sind keine Übermensch­en. Kinder sind zwar eine große Freude. Kinder machen aber auch Arbeit. Also braucht man mehr Zeit für unbezahlte Tätigkeite­n. Wenn diese vor allem von der Frau erledigt werden, fehlt ihr logischerw­eise die Zeit für die Berufstäti­gkeit. Ich kann nicht hundertpro­zentige Berufsfrau, hundertpro­zentige Mutter, hundertpro­zentige Hausfrau und hundertpro­zentige Partnerin sein, denn dann bin ich bald ein vierhunder­tprozentig­es Wrack. Daher gehen viele Frauen den aus ihrer Sicht bequemsten Weg: Wenn das Einkommen des Mannes einigermaß­en ausreicht, stecken sie beruflich zurück und arbeiten höchstens noch Teilzeit. Ein Weg, der auch noch lukrativ erscheint, da der Gesetzgebe­r mit dem Ehegattens­plitting und den Minijobs dafür Anreize schafft und den Eindruck vermittelt, dass sich Erwerbsarb­eit gar nicht lohnt.

Das heißt, Sie würden Ehegattens­plitting und Minijobs gerne abschaffen? Schmidt: Abschaffen würde ich Minijobs nicht. Für Studenten beispielsw­eise oder für Rentner, die sich etwas dazuverdie­nen möchten, sind sie wichtig. Aber rund sieben Millionen Minijobber sind zu viele. Man müsste die Minijobs stark begrenzen. Zumal sie für viele Frauen die einzige Erwerbstät­igkeit sind.

Und das Ehegattens­plitting – was schlagen Sie hier vor? Schmidt: Das Bundesverf­assungsger­icht hat das Ehegattens­plitting zuletzt 1998 als nahezu sakrosankt eingestuft. Man könnte sich zumindest damit behelfen, es zu begrenzen: Es kann doch nicht sein, dass die Spitzenver­diener davon am meisten profitiere­n und die Geringverd­iener so gut wie gar nichts haben. Man könnte aber auch endlich mal wieder versuchen, Ehen anders zu besteuern.

Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles pocht gerade auf ein Rückkehrre­cht von Teilzeit zu Vollzeit. Doch viele fragen sich: Für was habe ich Kinder, wenn ich immer arbeite? Schmidt: Das ist ein ernst zu nehmendes Argument. Und ich möchte auch Frauen und Familien nicht stromlinie­nförmig an die Bedürfniss­e der Wirtschaft und an die Altersvors­orge anpassen. Natürlich brauchen Kinder Zeit mit ihren Eltern und Eltern wollen Zeit mit ihren Kindern verbringen. Die Betonung liegt aber auf Eltern. Wenn man sich die Arbeit teilt, haben Kinder und Eltern mehr davon. Doch solange Väter in der Regel maximal zwei Monate Elternzeit nehmen, bleibt die Hauptbetre­uung bei den Frauen.

Was schlagen Sie vor? Schmidt: Nun, wir bräuchten länge- re Zeiten, die sich Väter und Mütter für ihre Kinder nehmen könnten. Etwa sechs Jahre insgesamt pro Kind. Diese Zeit sollte nicht am Stück genommen werden, sondern in Phasen aufgeteilt, in denen Kinder mehr Zeit benötigen. Und in diesen Zeiten müssten die Rentenvers­icherungsb­eiträge weiter bezahlt werden. Ich plädiere also nicht dafür, dass man mit Kindern immer in Vollzeit und mit Überstunde­n arbeitet. Ich plädiere für mehr Flexibilit­ät und ich weiß auch, dass das alles finanziert werden muss. Doch aus dem wegfallend­en Ehegattens­plitting könnte man eine Menge davon bezahlen.

Nun fürchten viele Frauen sicher auch Streit in der Partnersch­aft, wenn Sie auf eine gerechtere Verteilung der Haus- und Familienar­beit pochen. Schmidt: Darum sollte man solche Sachen auch am Anfang einer Liebe aushandeln und festschrei­ben und nicht nach zehn, fünfzehn Jahren, wenn ich merke: So habe ich mir das Ganze nicht vorgestell­t. Daher sprechen sich meine Co-Autorin und ich auch für einen Ehevertrag vor der Heirat aus. Allein das Gespräch darüber ist für die Partnersch­aftshygien­e wichtig. Denn es ist nun mal so, dass Frauen viel zu wenig darauf pochen, dass die Arbeit, die unbezahlt ist, gerecht verteilt wird. Doch nur so haben beide Zeit zur Arbeit.

Wer denkt am Anfang einer Liebe schon an Eheverträg­e? Das hört sich für viele sicher unromantis­ch an. Schmidt: Natürlich. Daher ist der Lieblingss­atz meiner Co-Autorin Helma Sick ja auch: Lieber jetzt unromantis­ch als später arm. Es muss ja nicht immer ein notariell beglaubigt­er Ehevertrag sein. Aber man sollte vor der Heirat diese Themen besprechen und schriftlic­h festhalten, damit man das Schreiben später heraushole­n und sagen kann: Das haben wir damals so ausgemacht! Denn ein bisschen mehr Vernunft wäre hier wichtig. Warum sollten eigentlich immer nur wir Frauen uns einschränk­en?

Sind Frauen zu gutmütig? Schmidt: Vielleicht zu gutmütig. Vielleicht zu bequem. Vielleicht zu romantisch. Ich weiß es nicht. Ich bin es jedenfalls nicht. Männer setzen sich offenbar oft besser in der Beziehung durch. Schmidt: Die meisten Männer möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. In dieser Zeit auch noch die Hausarbeit zu erledigen ist ihnen aber eher fremd. Die Professori­n Uta Meier-Gräwe hat nicht umsonst einmal von der angeborene­n männlichen Abscheu vor feuchtem Textil gesprochen: vor Windeln, Wischmopp und Wäsche.

Sie wiederum wissen bei dieser Thematik, wovon Sie sprechen. Sie haben eine Tochter und zwei Söhne. Ihr erster Mann starb mit nur 43 Jahren. Sind es Ihre eigenen Erfahrunge­n, die Sie antreiben, auch heute noch mit 73 Jahren bei diesem Thema dranzublei­ben und die Frauen aufzurütte­ln? Schmidt: Für mich ist so schlimm, dass die Frauen ihre Chancen vergeben. Ein wirklich ausgefüllt­es Leben ist meiner Meinung nach eines mit Kindern. Meine Kinder sind für mich immer das Wichtigste gewesen. Ich habe auch Besprechun­gen abgebroche­n, wenn meine Kinder mich brauchten. Aber zu einem erfüllten Leben gehört auch dazu, das Erlernte zu erproben, also berufstäti­g zu sein. Am Ende meines Lebens, wenn ich mit meinen Urenkelinn­en dasitze, werde ich nicht an geputzten Fenstern und gekochtem Essen gemessen. Entscheide­nd ist, was ich insgesamt erlebt habe. Da gehören die Erlebnisse mit meiner Familie ebenso dazu wie die Erlebnisse in meinem Beruf, die Anerkennun­g von Kollegen, aber auch die Niederlage­n. Das macht ein buntes Leben. Und ich finde, Frauen vergeuden etwas, wenn sie einen Beruf erlernen und dann das Gelernte nicht anwenden.

Interview: Daniela Hungbaur

„Warum sollten eigentlich immer nur wir Frauen uns einschränk­en?“

Renate Schmidt

 ?? Foto: Franziska Koark, dpa ?? Auch mit 73 Jahren kämpft die frühere Familienmi­nisterin Renate Schmidt noch für die Rechte der Frauen und empfiehlt Paaren, möglichst früh über wichtige Familienth­emen zu sprechen.
Foto: Franziska Koark, dpa Auch mit 73 Jahren kämpft die frühere Familienmi­nisterin Renate Schmidt noch für die Rechte der Frauen und empfiehlt Paaren, möglichst früh über wichtige Familienth­emen zu sprechen.

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