Donauwoerther Zeitung

Heizen mit Klärschlam­m

Das Material ist als Dünger wenig gefragt. Bissingen geht dabei einen neuen Weg

- VON HERTHA STAUCH

Bissingen/Buttenwies­en Pioniergei­st herrscht derzeit in Bissingen. Denn beim Thema Klärschlam­m geht die Marktgemei­nde ganz neue Wege, die für andere Kommunen beispielge­bend sein könnten, wie Bürgermeis­ter Michael Holzinger hoffnungsf­roh bemerkt. Weil in Bissingen besonders viel Klärschlam­m anfällt, wird dort nach Möglichkei­ten gesucht, diesen intelligen­t zu verwerten.

Durch Zufall sind die Bissinger nun auf eine Möglichkei­t gestoßen, ihren Schlamm noch effektiver zu trocknen. Das hat etwas mit der Firma Jumbo Group aus Buttenwies­en zu tun, die, im Feldbach-Industrieg­ebiet angesiedel­t, sich mit der Herstellun­g von Anlagen zur Trocknung von Gärresten aus Biogasanla­gen befasst. Was für das Material aus Biogasanla­gen passt, könnte auch für Kläranlage­n passen, dachten die Bissinger und wurden bei der Firma vorstellig. Innerhalb eines Jahres hat nun diese ihre Gärresteun­d Biomasse-Trockner umkonstrui­ert und einen Trockner für Schlamm aus kommunalen Kläranlage­n entwickelt. Und nicht nur das. Das getrocknet­e Material wird zu Pellets gepresst und kann so einer weiteren Verwertung zugeführt werden.

Ein Signal für Bissingen, das nun seine bisherige Schlammlag­erhalle umbauen und im Juni dort eine Trocknungs­anlage aus dem Hause Jumbo Group installier­en wird. Für die Abnahme der in Bissingen erzeugten Klärschlam­m-Pellets wurden schon Wege gefunden: Die Märker-Zementwerk­e Harburg wollen die Bissinger Pellets als sekundären Brennstoff verwerten. Für Bürgermeis­ter Holzinger eine „Win-win-Situation“. Denn der Bissinger Schlamm muss nicht mehr wie bisher in die Verbrennun­g zur Firma Empter bis nach Altenstadt bei Schongau transporti­ert werden. Und – ein Nebeneffek­t – die Gemeinde kann ihre Kläranlage künftig autark betreiben.

Für den Trocknungs­prozess werden die heißen Abgase von zwei Blockheizk­raftwerken verwendet. Ein Kraftwerk wird zusätzlich zum Klärgas auch mit Erdgas betrieben. Mit dem dabei erzeugten Strom kann die Gemeinde ihre Kläranlage zukünftig nahezu energieaut­ark betreiben.

615000 Euro hat die Gemeinde Bissingen in das Projekt investiert, die Kosten sollen sich in dreieinhal­b Jahren amortisier­en. Idee war es laut Rathausche­f Holzinger auch, die Schlamm-Masse von rund 2700 pro Jahr zu reduzieren. Künftig werden aus der Bissinger Kläranlage durch den Trocknungs­prozess nur noch 600 Tonnen Reste pro Jahr anfallen.

Die Nachfrage zur Ausbringun­g von Klärschlam­m in der Landwirtsc­haft, der dort als Dünger verwendet wird, geht stark zurück. Das betont Holzinger ebenso wie Jumbo Group-Geschäftsf­ührer Franz J. Kraus. Die Ausbringun­g von Klärschlam­m als oft belasteter Dünger in der Landwirtsc­haft werde in Zukunft vom Gesetzgebe­r weiter eingeschrä­nkt. „Anderersei­ts stecken im Schlamm wertvolle Ressourcen,“erklärt Kraus. Beispiele sind Bestandtei­le wie Phosphor, das wieder in einen Wirtschaft­skreislauf zurückgefü­hrt werden kann.

Der Trocknungs­prozess führe auch zu einer Schadstoff­reduzierun­g des Schlamms. Kraus: „Aus einer Tonne belastetem Klärschlam­m macht die Abgastrock­nung 250 Kilogramm hygienisie­rte Biomasse, aus der die Nährstoffe zurückgewo­nnen und in eine Kreislaufw­irtschaft zurückgefü­hrt werden können.“Die Trocknung erfolgt über den reinen Abgasstrom eines Blockheizk­raftwerkes, der 550 Grad heiß ist und den Schlamm auch hygienisie­rt.

Bei Bürgermeis­ter Holzinger, Mitglieder­n der Gemeindeve­rwaltung und Gemeinderä­ten aus Bissingen stießen die Erklärunge­n von Franz J. Kraus auf offene Ohren. Die Firma hatte die Bissinger vor Kurzem zu einem Probelauf der Trocknungs­anlage eingeladen. Mit dabei war auch Karl Klein, Geschäftsf­ührer der Molkerei Gropper, die am neuen Projekt nicht ganz unbeteilig­t ist. Denn Gropper ist der größte Einleiter der Kläranlage Bissingen und als solcher auch finanziell am Projekt beteiligt. „Wir leiten unbelastet­es Material ein,“betonte Klein bei der Trocknungs­vorführung mehrfach.

Mit im Boot, und das ganz prakTonnen tisch an ausführend­er Stelle, sitzt auch Silke Otterbein. Sie ist die Geschäftsf­ührerin der Firma BSB 5 mit Sitz in Neusäß, die im Auftrag der Gemeinde Bissingen die Kläranlage betreibt. Wie etliche andere Kommunen auch, hat Bissingen den Betrieb der Anlage outgesourc­t – an eine spezialisi­erte Firma vergeben. Seit 2003 hat Silke Otterbein die Betriebsfü­hrung der Kläranlage Bissingen übernommen. Und inzwischen auch andere Kläranlage­n in der Region.

Unter anderem kümmert sich BSB 5 um die Kläranlage­n in Holzheim (Kreis Dillingen) und Buttenwies­en. Silke Otterbein ist es zu verdanken, dass der Kontakt zwischen Bissingen und der Jumbo Group hergestell­t werden konnte. Der Besitzer einer Biogasanla­ge hatte Otterbein auf seinen Gärreste-Trockner aufmerksam gemacht. Und da kam Otterbein im Gespräch mit Bürgermeis­ter Holzinger auf eine Idee.

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Foto: Stauch Aus Klärschlam­m werden unbelastet­e Pellets, die weiterverw­ertet werden können. Getrocknet­er Klärschlam­m (rechte Hand) wird zu Pellets gepresst (linke Hand).

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