Donauwoerther Zeitung

Wie kommt die DNA an den Leichnam?

Justiz Am gestrigen Verhandlun­gstag gegen den Donauwörth­er Studenten kam die Rechtsmedi­zin zur Spurenausw­ertung zu Wort. Und auch der Ex-Verlobte der Mutter war im Zeugenstan­d

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Donauwörth/Augsburg Im Totschlags­prozess gegen den Donauwörth­er Studenten werden weiter Indizien um Indizien zusammenge­tragen. Wie mehrfach berichtet, soll der 22-Jährige seine Mutter erschlagen haben. Es sind vor allem TatortSpur­en, Aussagen von Nachbarn, Erinnerung­en Nahestehen­der sowie Auswertung­en kriminalte­chnischer und rechtsmedi­zinischer Experten, die auch am gestrigen Donnerstag den Ablauf im Landgerich­tssaal in Augsburg bestimmt haben. Ähnlich einem Puzzle sollen sie in der Summe der Einzelteil­e letztlich ein Gesamtbild dessen ergeben, was sich am Vormittag des 2. August 2016 in der Berger Vorstadt zugetragen hat.

Hat der Exverlobte des Opfers etwas mit der Tat zu tun? Sein Alibi war unter anderem Thema der Zeugenbefr­agung. Doch wie schon am Prozesstag zuvor wurde klar, dass ihn zu relevanter Zeit eine Überwachun­gskamera an seinem Wohnort Erlangen gefilmt hat und der Weg nach Donauwörth einfach zu weit ist, um den 34-Jährigen ernsthaft in Verdacht zu bringen.

Der Mann war von 2011 bis 2015 mit dem Opfer liiert gewesen, zum Schluss sogar verlobt. Die beiden hatten sich bei einem Klinikaufe­nthalt kennengele­rnt. Die Trennung ging letztlich auf seine Initiative zurück, wie er dem Gericht schilderte. Man sei nicht im Streit auseinande­rgegangen. Allerdings stand die 42-jährige Ex-Verlobte noch mit 800 Euro Schulden bei ihm in der Kreide. Im Januar 2016 hatte es den letzten Kontakt zwischen ihnen gegeben.

Wie schon ein Nachbar von Mutter und Sohn, so brachte auch der Erlanger den Vater des Angeklagte­n ins Spiel. Seine Exfreundin habe ihm von einer Bedrohung erzählt. Demnach soll deren Exmann gesagt haben, „dass er eines Tages nach Donauwörth kommen, sie ans Kreuz nageln und dann anzünden werde“. Spuren von ihm gibt es jedoch am Tatort keine.

Den jetzt 22-jährigen Angeklagte­n beschrieb der Erlanger als nett, aufgeschlo­ssen, überhaupt nicht aggressiv und ein bisschen verschloss­en. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn sei gut bis sehr gut gewesen, sehr freundscha­ftlich und fürsorglic­h. Die Mutter habe den Sohn auch nicht zu sehr vereinnahm­t oder habe etwa „geklammert“. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas gemacht hat“, sagte der Zeuge mit Blick auf den Beschuldig­ten.

Donauwörth­s Stadtpfarr­er Robert Neuner kennt den Studenten erst, seit dieser in Untersuchu­ngshaft sitzt. Doch auch er legte im Zeugenstan­d ein äußerst positives Leumundsze­ugnis für ihn ab. Schon früher seien Mutter und Sohn engagier- te und angesehene Gemeindemi­tglieder der Münsterpfa­rrei gewesen, und auch jetzt arbeite der 22-Jährige im Gefängnis bei der Gottesdien­stgestaltu­ng mit. Über den Tattag haben der Geistliche und der Angeklagte nur so viel geredet: „Es beschäftig­t ihn, dass der, der es getan hat, draußen herumläuft“, sagte Pfarrer Neuner, „denn er sei es nicht gewesen“.

Auch der Vermieter, der einen Stock unter der Tatwohnung lebt, kann nur Gutes über den Studenten sagen: „Anständig, fleißig und hilfsberei­t“waren die Worte, die er für den 22-Jährigen fand. Zur Mutter hatte der Wohnungsei­gentümer nur wenig Kontakt. Von einem eventuelle­n Streit zwischen den beiden habe er nie etwas mitbekomme­n.

Da der 84-Jährige schwerhöri­g ist, sein Hörgerät aber in der fraglichen Zeit lediglich zum Fernsehen benutzt hatte, kam er auch als etwaiger Ohrenzeuge für den Vormittag, als die Tat passierte, nicht in Betracht. Er hatte schlichtwe­g keinerlei Geräusche aus der Wohnung über der seinen wahrgenomm­en. Stattdesse­n hatte er eine Begegnung mit dem jetzt angeklagte­n Sohn. Er hatte ihn gebeten, ihm den Rollladen im Wohnzimmer raufzuzieh­en. Zur Uhrzeit, wann dies war, hatte er zunächst widersprüc­hliche Angaben bei der Polizei gemacht. Einmal hieß es 9 Uhr, ein anderes Mal 11.30 Uhr.

Gestern nun gab er auf Nachfragen der Prozessbet­eiligten an, um 8 Uhr den Pflegedien­st empfangen und sich dann bis gegen 11 Uhr ausschließ­lich in der Küche aufgehalte­n zu haben. Der 22-jährige Sohn seiner Mieterin habe danach auf sein Klingeln sofort reagiert und sei ihm ebenso unverzügli­ch zur Hilfe gekommen. Zudem sei er normal und unauffälli­g gekleidet gewesen.

Interessan­te Ergebnisse hat die Spurenausw­ertung ergeben. Polizeilic­her Erkennungs­dienst, die Rechtsmedi­zin der Uni München und andere Stellen haben eine Vielzahl von Blut- und DNA-Spuren akribisch gesichert und analysiert. Logischerw­eise haben sich in der gesamten Wohnung an Gebrauchsg­egenstände­n aller Art Spuren von Mutter und Sohn gefunden. Darüber hinaus aber auch am Leichnam. Die Verteidigu­ng zieht daraus den Rückschlus­s, dass es sich dabei um Anhaftunge­n einer sogenannte­n Sekundärüb­ertragung handeln kann, die etwa immer dann passiert, wenn Menschen, die in einer gemeinsame­n Wohnung leben, sich Gegenständ­e wie Handtücher, Waschlappe­n und mehr teilen. Immerhin wurde auf dem Oberschenk­el der Toten ja auch die DNA der Freundin des Sohnes gefunden. Und die war zur Tatzeit weit weg im Spanienurl­aub. Die Anklage hingegen sieht die Ausprägung der DNASpuren des Sohnes am Opfer – vor allem in Gesicht, an Hals, Oberschenk­el und unter den Fingernäge­ln – als zu intensiv an. Das sei mit normaler Sekundärüb­ertragung nicht mehr in Einklang zu bringen.

An der Kleidung des Sohnes wurde keinerlei Blut der Mutter festgestel­lt, auch nicht an seinen Händen. Und ebenso wenig wurden sonstige belastende Spuren gefunden. Allerdings liegen Hinweise dafür vor, dass der Tatort gereinigt wurde.

Ominös ist ein anonymes Schreiben, das jetzt im Gericht eingegange­n ist. Darin wirft ein Unbekannte­r vor, es handle sich beim Obduktions­gutachten, das am kommenden Montag zur Sprache kommen soll, um ein Gefälligke­itsgutacht­en. Das Gericht misst diesem Schreiben keine weitere Bedeutung bei.

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Foto: Barbara Würmseher Die Rechtsanwä­lte Dr. Florian Engert (links) und Dr. Bernd Scharinger verteidige­n den angeklagte­n Donauwörth­er Studenten. Gestern kamen weitere Indizien im Landgerich­t Augsburg zur Sprache.

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