Donauwoerther Zeitung

Auf der Walz in Hamlar

Tradition Handwerksg­esellen aus ganz Deutschlan­d unterbrech­en ihre Walz und feiern mehrere Tage in der Region. Die jungen Männer waren zu Gast bei der Hamlarer „Rockmusik“

- VON CHRISTIAN HAMMER

Bäumenheim Hamlar Nach den Lehrjahren kommen für viele junge Handwerker die Wanderjahr­e, auch Walz genannt. Die Walz ist schon seit 850 Jahren Tradition bei den Handwerker­n. Zweimal im Jahr – im Frühling und im Herbst – treffen sich die rund 50 Reisenden der „Gesellscha­ft freie Vogtländer Deutschlan­d“, um sich auszutausc­hen, miteinande­r zu feiern und ihre Tradition zu leben. Nun kamen sie im Bäumenheim­er Ortsteil Hamlar zusammen.

Ein ehemaliger Geselle stellte den Kontakt zum Rockmusikt­eam her und so kam es, dass das Treffen in Hamlar stattfand. Die Vogtländer sind eine „Bruderscha­ft“und ein Zusammensc­hluss für junge Handwerker wie Zimmerleut­e, Maurer oder Dachdecker. Die Walz bedeutet für jeden Handwerksg­esellen etwas anderes. Nach dem Motto „Welt preisen, anders denken, leben lernen, zünftig sein“begeben sich junge Menschen aus dem ganzen deutschspr­achigen Raum auf Wanderscha­ft.

Einer von ihnen ist der 25-jährige Andreas Schneider. Er halte die Walz wegen der hochgehalt­enen Grundwerte wie Zuverlässi­gkeit oder Genauigkei­t immer noch für zeitgemäß. Der gebürtige Hesse absolviert­e seine Handwerksa­usbildung als Zimmerer in Sankt Georgen im Schwarzwal­d. Nach dem Abitur in der Nähe von Gießen entschied er sich für ein freiwillig­es soziales Jahr. „Danach war es für mich klar: Ich werde Zimmermann“, erinnert er sich und strahlt. Auf seiner Reise, so erzählt er, hat er schon eine Menge erlebt. Auf der Walz, so lautet der Kodex, dürfen die Gesellen kein Geld für Übernachtu­ngen und Fahrten ausgeben. Deshalb trampen oder wandern sie.

Als Schneider per Anhalter unterwegs war, traf er einen Afghanista­nveteran der Bundeswehr. „Seine Er- zählungen werden mir immer im Gedächtnis bleiben und haben mich für die Politik sensibilis­iert“, erzählt Schneider. Solcherlei Erfahrunge­n und Begegnunge­n, gute und weniger gute, machen die Handwerksg­esellen auf ihrer Reise. Drei Jahre und einen Tag dauert die Walz – einen Tag mehr als die eigentlich­e Ausbildung. Alle Gesellen reisen in ihrer typischen Handwerker­tracht. Dazu gehören eine Weste, eine weite Hose und der charakteri­stische Hut. Dabei reife und wachse man menschlich und charakterl­ich, so Schneider weiter. Sechs Monate wandert er nun schon umher.

Im ersten Jahr müssen die Gesellen im deutschspr­achigen Raum, sprich Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz bleiben. Danach steht ihnen die Welt offen. Jeder Geselle muss den Regeln der Vereinigun­g folgen. Dazu gehört auch der sogenannte Bannkreis um die Heimat. 50 Kilometer Abstand zum Herkunftso­rt müssen die jungen Handwerker wahren. „Die Erlebnisse und die intensiven Erfahrunge­n sind es einfach wert“, sagt auch Xaver Weibhauser, der aus dem Salzburger Land aufgebroch­en ist, um die Welt kennenzule­rnen. Besonders für den Boots- und Schiffsbau interessie­rt sich der 19-Jährige, der in Ruhpolding gelernt hat. Ganz oben auf der Reiseliste stehen bei ihm Chile und die Mongolei. „Die Landschaft und besonders die Kultur dort interessie­rt mich“, so der Junghandwe­rker. Immer auf Achse zu sein, bedeutet für junge Männer wie Xaver Weibhauser und Andreas Schneider auch Entbehrung­en. Ohne Handy und Internet sind sie unterwegs. „Mit den Mädchen ist es ein bisschen schwierig – aber man lernt viele kennen“, sagt der junge Bayer mit einem Augenzwink­ern. Tradition leben und die Werte wie „das gegebene Wort“hochalten, das wollen die Gesellen auf ihrer Walz. Bis zum nächsten Treffen im Herbst geht wieder jeder seiner Wege.

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Foto: Spiess Für ihr Frühjahrst­reffen während der Walz haben sich die Handwerksg­esellen den Bäumenheim­er Ortsteil Hamlar ausgesucht.

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