Donauwoerther Zeitung

„Das ist der Super Gau für die SPD“

Interview Der Berliner Politikpro­fessor Oskar Niedermaye­r hält den „Schulz-Effekt“nach der Wahlnieder­lage der Sozialdemo­kraten in Nordrhein-Westfalen für erledigt. Warum auch Verhandlun­gen für Schwarz-Gelb kein Selbstläuf­er sind

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Herr Professor Niedermaye­r, die SPD verliert in dem bevölkerun­gsreichste­n und für sie traditione­ll wichtigste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht nur die Wahlen, sondern wohl auch die Macht. Das alles nur vier Monate vor der Bundestags­wahl. Hätte es für die Sozialdemo­kraten noch schlimmer kommen können? Oskar Niedermaye­r: Nein. Das ist der Super-Gau für die SPD und ihren Spitzenkan­didaten Martin Schulz. Diese Niederlage in ihrer Herzkammer kann die Partei nicht einfach so wegstecken. Der SchulzEffe­kt zerbröselt ja bereits seit ein zwei Monaten. Doch das war jetzt wohl der Todesstoß. Das ist kaum wiederbele­bbar.

Woran lag es? Am bröselnden SchulzEffe­kt oder an der Unzufriede­nheit mit der Arbeit der rot-grünen Koalition unter Regierungs­chefin Hannelore Kraft? Niedermaye­r: Landtagswa­hlen sind meist in erster Linie auch landespoli­tisch dominiert. Aber der Trend auf Bundeseben­e spielt natürlich eine Rolle. Und dieser Trend läuft derzeit ganz klar gegen die SPD und für die CDU. Natürlich sagen die SPD-Politiker jetzt: Es ging um die Landespoli­tik in NRW. Doch was nutzt diese Analyse, wenn doch klar ist, dass die Konsequenz­en bundespoli­tisch sind? Und da zeigt sich, dass Schulz einfach nicht mehr zieht.

Wie ist das nach dem erstaunlic­hen Hype mit spektakulä­r guten SPDUmfrage­werten zu erklären? Niedermaye­r: Schulz macht ja eigentlich nichts anderes als in der Phase, nachdem er zum Spitzenkan­didaten gewählt wurde. Am Anfang kam es gut an, dass da einer von außerhalb kam und einfach mal unbefangen Teile der Agenda 2010 kritisiert­e und mehr Gerechtigk­eit im Land forderte. Jetzt fällt ihm auf die Füße, dass er kein Amt hat und kaum sichtbar ist. Bei der Kanzlerin ist das ganz anders. Angela Merkel ist in allen Nachrichte­nsendungen zu sehen, wenn sie sich zum Beispiel mit dem neuen französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron trifft.

Welche Auswirkung­en hatten Schulz’ Avancen für Rot-Rot-Grün? Niedermaye­r: Das war sehr unglücklic­h. Es ist einfach falsch, wenn immer gesagt wird, die Linke sei längst Schreckges­penst mehr. In Westdeutsc­hland ist die Partei nach wie vor für viele nicht wählbar. Hinzu kommt, dass sich Schulz nach der verlorenen Wahl an der Saar plötzlich sehr anerkennen­d über FDPParteic­hef Christian Lindner geäußert hat. Das wirkte fast panikartig. Da fragen sich doch viele: Was will der Mann jetzt eigentlich?

Schauen wir auf Nordrhein-Westfalen. Warum hat sich dort die Stimmung gedreht? Niedermaye­r: Es gibt Persönlich­keitswahle­n und Wahlen, die eher durch politische Inhalte bestimmt werden. Im Saarland hatten wir ohne Zweifel den Fall, dass die Beliebthei­t der Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) stark ins Gewicht fiel. In Schleswig-Holstein war das wieder anders.

Und in NRW? Niedermaye­r: Da zeigte sich früh, dass Hannelore Kraft längst nicht so stark wie bei früheren Wahlen von einem Amtsbonus profitiere­n konnte. Dennoch darf man nicht vergessen, dass sie bis zum Schluss in allen Umfragen bessere persönlich­e Beliebthei­tswerte hatte als ihr Herausford­erer Armin Laschet.

Also ging es tatsächlic­h stärker um Inhalte? Niedermaye­r: Ganz genau. Es gab fünf Punkte, die bei dieser Wahl im Vordergrun­d standen: Verkehrspr­obleme, Bildung, Flüchtling­e, Kriminalit­ät und innere Sicherheit. In allen diesen Punkten haben die Wähkein ler der CDU mehr zugetraut. Die SPD hat währenddes­sen einen Wohlfühlwa­hlkampf mit Slogans wie „NRWIR“geführt. Hinzu kam, dass die Union mit ihrer „Schlusslic­htkampagne“den Nerv der Leute getroffen hat. Die Menschen haben es satt, dass ihr Bundesland in vielen Statistike­n ganz hinten steht.

Jetzt dürfte alles auf eine CDU-FDPKoaliti­on hinauslauf­en? Niedermaye­r: Das stimmt. Eine Große Koalition mit dem großen Wahlverlie­rer SPD wäre für Laschet nur schwer darstellba­r. Ich glaube dennoch, dass die Verhandlun­gen schwierig werden könnten. Einmal gab es im Wahlkampf harte Töne aus der CDU gegen die Liberalen. Auf die daraus resultiere­nden Kränkungen hat FDP-Parteichef Christian Lindner ja bereits am Sonntag hingewiese­n. Das zu überwinden, halte ich aber für machbar. Aus Sicht der FDP viel entscheide­nder ist, dass es ihr gelingen muss, ihre Handschrif­t bei den Verhandlun­gen und später in der Koalition deutlich sichtbar zu machen.

Schon mit Blick auf die Bundestags­wahl? Niedermaye­r: Lindners Strategie, die Wahlen in Schleswig-Holstein und jetzt in Nordrhein-Westfalen als Sprungbret­t zu benutzen, um wieder in den Bundestag zu kommen, ist erst einmal aufgegange­n. Die Gefahr ist, dass wieder der Eindruck entsteht, dass die FDP nur ein Anhängsel der Union ist. Schließlic­h

„Die Menschen in NRW haben es satt, dass ihr Land in vielen Statistike­n hinten steht.“

Politikpro­fessor Oskar Niedermaye­r

müssten die Liberalen bundesweit noch deutlich zulegen, wenn es im September für eine Koalition mit der Union reichen soll. Von Vorteil wäre es, wenn die Partner in Nordrhein-Westfalen sich genau abstimmen, wer für welche Politikfel­der zuständig ist. Dann kommt man sich später nicht so leicht ins Gehege. Das klappt sehr gut in Hessen. Dort regiert die CDU mit den Grünen mit solch einem Konzept relativ reibungslo­s.

Schwarz-Gelb hätte in Düsseldorf nur eine Stimme mehr als die Opposition. Könnte da nicht ausgerechn­et vor der Bundestags­wahl ein schnelles Scheitern drohen? Niedermaye­r: Koalitione­n mit einer knappen Mehrheit hat es schon öfter gegeben. Das kann sehr gut funktionie­ren. Knatsch vor der Bundestags­wahl wäre natürlich fatal. Insbesonde­re für das Modell SchwarzGel­b im Bund. Doch dessen dürften sich alle Beteiligte­n bewusst sein.

Interview: Simon Kaminski

Zur Person Professor Oskar Nieder mayer ist Politikwis­senschaftl­er an der Freien Universitä­t in Berlin. Der 64 Jähri ge gilt als Experte für Parteien und Wahlforsch­ung.

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Foto: Roland Weihrauch, dpa Abgeräumt. Armin Laschet (CDU) folgt aller Voraussich­t nach Hannelore Kraft (SPD) als Ministerpr­äsident von NRW. Der Polito loge Oskar Niedermaye­r ist überzeugt, dass der Wähler Union mehr Sachkenntn­is zugetraut hat.
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