Donauwoerther Zeitung

Wie die CDU den Straßenwah­lkampf neu erfunden hat

Hintergrun­d Nach Vorbildern aus den USA setzte die Partei auf Smartphone-Apps zum Stimmenfan­g. Mit großem Erfolg

- VON PHILIPP KINNE

Augsburg Wo ihre Wähler wohnen, das wusste die CDU schon vor der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen. Einen entscheide­nden Beitrag zum guten Abschneide­n der Partei könnte eine neue Smartphone-App gespielt haben, mit welcher potenziell­e Wähler gezielt ausgemacht werden können. Sie wertet große Datenmenge­n aus und verrät, an welchen Türen das Klingeln für Wahlkämpfe­r besonders lohnt. „Connect17“heißt das Programm, mit dem die CDU den Straßenwah­lkampf neu erfunden hat.

Allein in Nordrhein-Westfalen erreichte die Partei mit dem Programm nach eigenen Angaben mehr als 30000 Wähler. Wahlkämpfe­r können sich die App herunterla­den, um zu sehen, wo ihre potenziell­en Anhänger wohnen. Wähler finden in der App Informatio­nen zum Wahlprogra­mm. Der Politikber­ater und Blogger Martin Fuchs sagt: „Eine solche App gab es in Deutschlan­d bisher nicht.“Zwar werden schon länger Programme zur Koordinati­on des Wahlkampfs genutzt, „neu ist aber, dass Big Data so umfangreic­h im Tür-zu-Tür-Wahlkampf eingesetzt wird“.

Das Internet vergisst nicht. Mit jedem Klick lernt es dazu, jedes Like verrät etwas mehr über den Menschen vor dem Bildschirm. Wohin geht die nächste Reise? Welche Musik könnte gefallen? Und nun auch: Bei welcher Partei wird das Kreuz auf dem Wahlzettel stehen? Big Data nennen Marketingl­eute das Prinzip, unzählige Daten zu verknüpfen, um an zielgerich­tete Informatio­nen über den einzelnen Menschen zu gelangen. Ein Prinzip, das bereits im amerikanis­chen Wahlkampf eine große Rolle gespielt hat. Das Unternehme­n „Cambridge Analytica“wertete damals im Wahlkampf für Donald Trump Datenspure­n von rund 220 Millionen US-Bürgern aus. Die Technik basierte unter anderem auf Facebook-Seiten, aber auch auf Kreditkart­en-Abrechnung­en und anderen persönlich­en Daten. Auch hierzuland­e setzen die Parteien auf digitale Unterstütz­ung – allerdings mit weitaus weniger differenzi­erten Daten.

Das CDU-Programm basiert auf den Ergebnisse­n früherer Wahlen und auf Adressdate­n der PostTochte­r „Post direkt“. Die Firma verkauft Informatio­nen zu Adressen. Welche das im Detail sind, ist ein gut gehütetes Geschäftsg­eheimnis. Fuchs sagt: „Das sind unter anderem Daten zum Haushaltse­inkommen, Geschlecht oder Alter der Wähler.“Wahlkämpfe­r, welche die App nutzen, wissen also, in welchen Straßenzüg­en sich das Gespräch mit Wählern besonders lohnt. Denn wer eher konservati­v lebt, ist leichter davon zu überzeugen, CDU zu wählen. Außerdem können die Wahlhelfer über die App Themen an die Parteizent­rale melden, welche die Wähler besonders interessie­ren.

Die Partei kann darauf dann gezielt reagieren. „Wenn im Saarland viele Wähler den Mindestloh­n ansprechen, könnte sich ein FacebookPo­sting zum Thema lohnen“, erklärt der Blogger Fuchs. Und noch eine Funktion hat die App: Wahlkämpfe­r, die Haustürges­präche führen oder Facebook-Posts teilen, sammeln virtuelle Punkte. Die zehn Mitglieder mit den meisten Punkten dürfen nach der Wahl ein Telefonges­präch mit der Parteichef­in Angela Merkel führen. „Der Wettbewerb motiviert ungemein“, sagt Fuchs.

Andere Parteien nutzen solche Apps noch nicht. SPD, Grüne und Linke haben aber angekündig­t, im Bundestags­wahlkampf auf ähnliche Techniken zu setzen. Fuchs sagt: „Die anderen Parteien haben das bisher verschlafe­n.“Er sieht den Wahlerfolg der CDU bei der „kleinen Bundestags­wahl“in NRW auch in der neuen App begründet. Der Partei sei es damit gelungen, Teile noch unentschlo­ssener Wähler für sich zu gewinnen. „Wer weiß, wo er suchen muss, hat im Straßenwah­lkampf einen entscheide­nden Vorteil.“Nun dürften andere Parteien im Cyberwahlk­ampf nachlegen.

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Screenshot: AZ Geheimwaff­e? Die App „Connect17“ver bindet CDU Wahlkämpfe­r.

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