Donauwoerther Zeitung

Das Geschäft der Cyber Erpresser

Interview Der IT-Experte Professor Gordon Rohrmair warnt, dass der neue Computervi­rus mit über 200000 betroffene­n Geräten viele Nachahmer findet. Es drohe ein „Massenphän­omen“

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Herr Professor Rohrmair, was sind es für Leute, die einen Virus wie jetzt WannaCry in die Welt setzen? Professor Gordon Rohrmair: Hinter dem, was wir die letzten Jahre an solchen Vorfällen gesehen haben, verbirgt sich die Schattenwi­rtschaft, die sich immer stärker profession­alisiert. Es gibt drei Gruppen: den Gelegenhei­ts-Hacker. Dann eine profession­elle Schiene, die ein Geschäft daraus macht. Und staatliche Hacker. Was im Alltag den meisten Ärger macht, ist die zweite Gruppe.

Was bezwecken die Angreifer damit? Rohrmair: Hinter den Angriffen steckt ein Geschäftsm­odell. Wer so eine Schadsoftw­are schreibt, kann sie weltweit verteilen und hat ein geringes Risiko, geschnappt zu werden. Gleichzeit­ig steigt der Wert unserer Daten, sodass größere Summen an Erpresser bezahlt werden. Im Jahr 2016 ist die durchschni­ttliche Erpressung­ssumme von 300 auf 1000 US-Dollar gestiegen. Das Thema wird uns in den nächsten Jahren massiv umtreiben.

Das klingt nach einem profession­ellen, mafiösen Geschäft. Rohrmair: Das Geschäftsm­odell finanziert sich selbst weiter. Ein Beispiel: Dem Anti-Virus-Anbieter Kaspersky zufolge sind bei einem Angriff auf eine Bank vor einem Jahr mehrere hundert Millionen Dollar erbeutet worden. Die Hacker werden das Geld nicht alles ausgeben, sondern einen Teil investiere­n. Wenn man die Summe mit dem Budget eines staatliche­n Cyber-Abwehrzent­rums vergleicht, weiß man, dass die Täter mehr Budget haben als ein mittelgroß­er Staat.

Wie viel Leute stecken hinter solch einem Angriff? Rohrmair: Die Gruppe kann relativ klein sein. Wenn Sie drei, vier Leute in einen Raum sperren, können Sie bereits so etwas machen. Es muss kein 20-köpfiges Team sein.

Zuletzt wurden Online-Banking-Daten über das O2-Telefonnet­z geknackt. Wird das zum Massenphän­omen? Rohrmair: Cyberangri­ffe werden auf alle Fälle zum Massenphän­omen, es ist eine florierend­e Schattenwi­rtschaft, in die viel Geld fließt. In Zukunft werden wir mehr profession­elle Angriffe sehen.

Wie kann sich ein Virus in kurzer Zeit so ausbreiten? Betroffen sind mehr als 200 000 Ziele in über 150 Ländern. Rohrmair: Die Verbreitun­g verlief voll automatisi­ert. Bei klassische­n Trojanern klickt man auf einen Link. Hier war es so, dass es in den Microsoft-Systemen ein Verzeichni­s gibt, über das man Dateien austausche­n kann. Dieses hatte eine Schwachste­lle. Sobald der Rechner am Internet hing, wurde der Trojaner automatisc­h übernommen. Kein Mensch musste mehr vor dem Rechner sitzen.

War dies der bisher größte Angriff? Rohrmair: Die Zahl von 200000 betroffene­n Systemen hört sich groß an. Der Angriff war aber deshalb so spektakulä­r, weil er viele Menschen im Alltag traf und am Bahnhof die Anzeigen ausfielen. Zum Vergleich: Der Angriff auf die Router der Telekom 2016 zählte 900000 betroffene Systeme. Und es gibt Viren, mit denen in kurzer Zeit eine Million Geräte infiziert werden.

Der Virus traf auch Krankenhäu­ser. Ist die IT die Schwachste­lle Nummer eins unserer Infrastruk­tur? Rohrmair: Die IT ist sicher eine Sollbruchs­telle unserer Industrie. Man darf aber nicht denken, dass zum Beispiel ein Atomkraftw­erk daheim vom Laptop aus zur Explosion gebracht werden kann. Dort gibt es noch weitere physikalis­che Sicherungs­mechanisme­n. Der Vorfall zeigt aber, was möglich ist. Stünde hinter dem Angriff ein Staat, kann der Schaden noch viel größer sein.

Wie viele Angriffe gibt es pro Jahr? Rohrmair: Im Schnitt wurden 2016 rund 1300 Schadprogr­amme pro Tag registrier­t.

Oft stammen Viren von Geheimdien­sten, wie vor einigen Jahren der Wurm „Stuxnet“. Auch dieses Mal war der US-Geheimdien­st NSA involviert. Schaden sich die Staaten selbst? Rohrmair: Bei Stuxnet sollen NSA und der israelisch­e Geheimdien­st 30 Millionen Dollar investiert haben, um die Urananreic­herung im Iran zu stoppen. Der aktuelle Fall ist etwas anders gestrickt: Eine Schad-Software braucht immer eine Schwachste­lle in der Software. Die Schwachste­lle bei Microsoft hatte die NSA entdeckt, ohne die Erkenntnis an Microsoft weiterzuge­ben. Ein unbekannte­r Hacker hat dann die Schwachste­lle veröffentl­icht. Dies wurde ausgenutzt. Hätte die NSA die Schwachste­lle sofort Microsoft gemeldet, hätten wir das Problem nicht. Fachleute diskutiere­n, ob wir eine „digitale Genfer Konvention“brauchen: Es darf nicht sein, dass Staaten Schwachste­llen entdecken und geheim halten. Das Risiko ist zu groß, dass das Wissen von der Schattenwi­rtschaft missbrauch­t wird.

Hat Microsoft eigentlich genug Vorsorge betrieben? Rohrmair: Microsoft hat eigentlich sehr schnell reagiert und vor rund vier Wochen ein Software-Update – einen sogenannte­n Patch – zur Installati­on erstellt. Das hört sich aber so leicht an…

Ist es das nicht? Rohrmair: In der Industrie ist das nicht so leicht. Der normale Nutzer drückt auf dem Smartphone oder dem Laptop auf einen Knopf, dann wird das Update installier­t. In der Industrie laufen aber Systeme, die 20 oder 25 Jahre arbeiten. Es ist dort schwerer, Software einzuspiel­en, da viele andere Programme dranhängen. Bei der Bahn geht es zum Beispiel nicht nur um Anzeigetaf­eln, dahinter hängt auch ein System, wann und wo die Züge abfahren.

Kann sich der Privatmann oder ein Handwerksb­etrieb gegen solche Angriffe überhaupt schützen? Rohrmair: Man kann zumindest das Risiko senken, Opfer eines Angriffs zu werden. Für den Heimanwend­er bedeutet das erstens: Immer Sicherheit­s-Updates einspielen. Zweitens: Die Virensoftw­are aktuell halten. Drittens: In E-Mails von unbekannte­n Empfängern nicht auf Links oder den Anhang klicken. Dann ist die Wahrschein­lichkeit sehr, sehr niedrig, befallen zu werden.

Läuft der Staat diesen Gruppen eigentlich machtlos hinterher wie der Igel dem Hasen oder gibt es eine Chance, dem Einhalt zu gebieten? Rohrmair: Man muss das Geschäftsm­odell zerschlage­n. Dafür ist es nötig, die Geldflüsse zu stoppen. Software-Firmen müssen schneller Patches – also Software-Updates – zur Verfügung stellen. Und der Heimanwend­er muss Wert auf seinen Virenschut­z legen.

Interview: Michael Kerler

Professor Gordon Rohr mair, geboren 1976, ist Präsident der Hochschule Augsburg und Experte für IT Sicherheit.

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Foto: Jan Woitas, dpa Auch viele Anzeigetaf­eln funktionie­rten am Wochenende nicht mehr. Grund war ein Internet Virus mit dem Namen „WannaCry“.
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