Donauwoerther Zeitung

Der bayerische Amazonas

Natur Im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen erstreckt sich an der Donau der größte intakte Auwald Deutschlan­ds. Das Gebiet ist heißer Kandidat für den dritten Nationalpa­rk in Bayern

- VON NORBERT EIBEL

Neuburg Noch Mitte der 70er Jahre wurde der Auwald bei Neuburg an der Donau für das größte Gewerbegeb­iet der Stadt in der Grünau großflächi­g gerodet, erinnert sich Siegfried Geißler. Als der Leiter der Unteren Naturschut­zbehörde am Landratsam­t Neuburg-Schrobenha­usen 1988 seinen Dienst antrat, war dieser Raubbau längst Geschichte. Die Reste zwischen der Lechmündun­g und Ingolstadt stehen heute als Natura2000-Gebiet unter europäisch­em Schutz. „Von außen mag der Auwald unscheinba­r sein, doch wer mal drin war, kann sich an der Vielfalt der Lebensräum­e begeistern“, sagt Geißler. Jetzt könnte dieser ökologisch­e Hotspot geadelt werden. Denn Bayerns letzter „Dschungel“an der Donau ist ein ernsthafte­r Kandidat für den von der Staatsregi­erung geplanten neuen Nationalpa­rk in Bayern.

16 Nationalpa­rks gibt es in Deutschlan­d von der Küste bis zu den Alpen. Zwei davon liegen in Bayern: der Nationalpa­rk Bayerische­r Wald (gegründet 1970) und der Nationalpa­rk Berchtesga­den (1978). Seit Ministerpr­äsident Horst Seehofer vergangene­n Sommer die Ausweisung eines dritten Großschutz­gebietes verkündet hat, läuft die Suche nach einer naturschut­zfachlich sinnvollen und politisch durchsetzb­aren Kulisse. „Unseren wertvollen Naturregio­nen legen wir mit dem dritten Nationalpa­rk ein Premiumang­ebot vor“, wirbt Umweltmini­sterin Ulrike Scharf.

Doch das sieht man nicht überall so. Ungern denkt man in München an das jahrelange Gezänke im Steigerwal­d, wo Naturschut­zverbände mit aller Macht einen Nationalpa­rk zum Schutz der wertvollen Rotbuchenw­älder erzwingen wollten. Der Streit spaltet die ganze Region, weshalb die Staatsregi­erung das Mittelgebi­rge von vornherein ausgeschlo­ssen hatte.

Wo der dritte Nationalpa­rk ausgewiese­n wird, soll im Juli bekannt gegeben werden, hat Ministerin Scharf angekündig­t. Die Standortwa­hl soll in enger Abstimmung und im Dialog mit den Menschen vor Ort erfolgen, hat sie größtmögli­che Transparen­z und einen offenen Dialog versproche­n. Weitere Vorgabe: Das Gebiet soll möglichst in Staatsbesi­tz und mindestens 10 000 Hektar groß sein.

„Das wird schwierig, denn die Donau-Auen sind eher kleinteili­g“, weiß der Neuburg-Schrobenha­usener Landrat Roland Weigert. Doch der passionier­te Jäger sieht die Ge- bietskulis­se nicht als Dogma. Ein Nationalpa­rk sei eine Riesenchan­ce für die Region, verweist er auf das touristisc­he Potenzial. Der ökologisch­e Wert des Lebensraum­s am Fluss ist unumstritt­en. Zwar hat die Donau selbst nichts mehr mit einem mäandriere­nden Urstrom gemein. Sie ist längst reguliert, von Dämmen gesäumt und zwischen der Lechmündun­g bei Rain und Ingolstadt mit vier großen Staustufen zur Stromerzeu­gung verbaut. Doch in den Auwaldrest­en haben Lebensräum­e überdauert, die Heimat sind für eine herausrage­nde Zahl an Tier- und Pflanzenar­ten.

Im Umweltmini­sterium galt das Gebiet im Herzen Bayerns dennoch nur als dritte Wahl. Ulrike Scharf führte, nachdem der Suchkreis auf drei geeignete Kandidaten eingegrenz­t war, zunächst Gespräche im Spessart und in der Rhön. Die Buchenwäld­er der beiden fränkische­n Mittelgebi­rge waren erklärte Favoriten von Politik und Umweltverb­änden. Doch weil sich im Spessart, angeführt vom Aschaffenb­urger CSU-Landtagsab­geordneten Peter Winter, schnell massiver Widerstand formiert hatte und in der Rhön die Gebietskul­isse unrund erscheint, rückten die Donau-Auen immer mehr in den Fokus. Anfang April radelte die Ministerin dann zusammen mit Landrat Weigert an der Donau entlang und zeigte sich von der Landschaft sehr angetan.

Der Charme der Region liegt womöglich auch darin, dass sich im Heimatwahl­kreis von Ministerpr­äsident Horst Seehofer – sein Wohnort Gerolfing bei Ingolstadt liegt einen Steinwurf vom Donauufer entfernt – bislang kaum Widerstand gegen einen Nationalpa­rk geregt hat. „Wir hören uns alles an und verfallen nicht in Beißreflex­e“, sagt Landrat Weigert.

Mit der Dynamisier­ung der Donau-Auen hat man schon gute Erfahrunge­n gemacht. Mit viel Einsatz und Geld haben Landkreis und Freistaat in Kooperatio­n mit Verbänden und der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt ein europaweit beachtetes Projekt zur Renaturier­ung der vom Fluss abgetrennt­en Auwälder durchgefüh­rt. Doch nicht überall musste wiederbele­bt werden, bemerkensw­erte botanische Relikte gab es immer am Fluss. Siegfried Geißler, der den Auwald seit fast 30 Jahren wie seine Westentasc­he kennt, weiß nicht nur, wo Blaustern und Frauenschu­h wachsen. Ein sogenannte­r Endemit ist das Bayerische Federgras. Es wächst weltweit nur an einem einzigen Standort, auf rund 30 Quadratmet­er Trockenras­en am Finkenstei­n, einem Jurafelssp­orn vier Kilometer flussaufwä­rts von Neuburg. „Das Federgras mag unscheinba­r sein, ist aber eine botanische Rarität. Genauso wie die Auwälder, größere Reste gibt’s in Deutschlan­d nur mehr an der Donau“, weiß der Fachmann.

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Foto: Landratsam­t Fast so undurchdri­nglich wie Regenwald muten die Donau Auen im Landkreis Neu burg Schrobenha­usen an. Das größte Auwaldgebi­et Bayerns ist als dritter bayeri scher Nationalpa­rk im Gespräch.

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