Donauwoerther Zeitung

Einmischen, mitreden, überzeugen

Wettbewerb Bei „Jugend debattiert“messen sich Schüler im Argumentie­ren. Jana Küster aus Aichach hat es bis ins Landesfina­le geschafft. Sie und ihr Lehrer erklären, wie sich Schlagfert­igkeit trainieren lässt und wie Teilnehmer profitiere­n

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Augsburg Schüler mit besonderem Redebedarf und Diskussion­swillen haben in „Jugend debattiert“ihren Wettbewerb gefunden. Zu einem Thema, auf das sie sich zehn Tage im Voraus vorbereite­n können, debattiere­n die Schüler jeweils die Pro- und die Contra-Seite. Die Jugendlich­en mit den besten Argumenten gewinnen. Am 17. Juni steht das Bundesfina­le in Berlin an.

Mit dabei sind die Teilnehmer, die sich zuvor in Regional- und Landesents­cheiden durchgeset­zt haben. Eine, die es bis ins bayerische Landesfina­le in München geschafft hat, ist die 16-jährige Jana Küster aus Aichach. Dort geht sie am Deutschher­ren-Gymnasium (DHG) in die neunte Klasse. In München war Anfang April für die Schülerin leider Schluss. Beim Thema Katzensteu­er konnte sie sich nicht gegen die Konkurrenz durchsetze­n. Trotzdem sind ihr Deutschleh­rer Oliver Lichtschla­g und Schulleite­r Gerhard Haunschild zufrieden mit Jana und damit, dass sie es so weit geschafft hat. „Das ist schon toll für sie“, findet Haunschild. Am DHG ist Jugend debattiert im Unterricht verankert. Doch was bringt das überhaupt? Jana Küster und Oliver Lichtschla­g klären auf.

Jana, bei deiner Erfahrung und Übung im Debattiere­n: Diskutiere­n deine Freunde überhaupt noch gerne mit dir? Jana Küster: (lacht) Naja, die sind auch nicht gerade schlecht. Die Leute diskutiere­n zwar nicht unbedingt gerne mit mir, aber es gibt welche, die es trotzdem tun.

Du hast im Unterricht mit dem Debattiere­n angefangen, übst du auch manchmal zu Hause? Küster: Am Anfang war es nur innerhalb des Unterricht­s. Beim Schulwettb­ewerb und schließlic­h dem Regionalen­tscheid fängt man aber an, auf sich selbst gestellt zu sein. Ich hatte das Glück, dass ich enorme Unterstütz­ung von Herrn Lichtschla­g hatte. Deshalb wurde ich nicht komplett ins kalte Wasser geschmisse­n.

Also geht schon ein bisschen Freizeit für den Wettbewerb drauf? Küster: Für die Vorbereitu­ng hat man zehn Tage Zeit und das läuft alles zu Hause. Dort liest man sich dann in das Thema ein.

Und das funktionie­rt so einfach nebenher zur Schule? Schließlic­h gibt es Hausaufgab­en zu erledigen oder man muss auf Prüfungen lernen … Küster: Das kann stressig sein und ich habe den größten Teil meiner Aufmerksam­keit schon auf die Vorbereitu­ng gelegt. Ich achte aber darauf, dass nichts zu kurz kommt. Man muss bedenken: Ich debattiere gerne, ich werde nicht gezwungen dazu. Dann hat man halt ein bisschen weniger Freizeit. Oliver Lichtschla­g: Es ist ja auch ein soziales Event, wenn man mit ein paar Freunden und Bekannten oder mit den Eltern diskutiert und debattiert. Das mache ich mit meiner Frau im Übrigen auch bei der Vorbereitu­ng auf ein Thema (lacht).

Jana, hilft dir jemand bei der Vorbereitu­ng? Küster: Wenn es ein Thema ist, bei dem ich weiß, dass sich einer meiner Freunde damit auskennt, dann rede ich mit ihm darüber oder frage Herrn Lichtschla­g. Meistens bin ich aber alleine.

Das heißt, du stehst zu Hause vor dem Spiegel und übst das Sprechen? Küster: Gar nicht. Das Einzige, das ich vielleicht stichpunkt­artig übe oder ein paar Mal durchsprec­he, ist die Eröffnungs­rede. Der Rest ist spontan.

Was bringt dir Jugend debattiert? Küster: Ich glaube, dass sich meine Ausdrucksf­ähigkeit um einiges verbessert hat – nicht nur, was das Artikulier­en anbelangt, sondern auch schriftlic­h. Lichtschla­g: Das kann ich bestätigen. Es bringt den Schülern unglaublic­h viel, was die sprachlich­e Ausdrucksf­ähigkeit angeht. Aber nicht nur das: Sie müssen auch das Recherchie­ren lernen. Anders als sich mal für ein kleines Referat einzulesen, geht es im Wettkampf auch darum, sich vor einem größeren Publikum zu präsentier­en. Da will man sich nicht die Blöße geben und natürlich Zahlen und Fakten anführen, die valide sind. Zum Glück haben wir heutzutage das Internet, das heißt, die Schüler können auf ganz viele Materialie­n zurückgrei­fen. Sie lernen dann natürlich auch, diese kritisch zu hinterfrag­en. Ich denke dieses kritische Denken-Lernen und Recherchie­ren, gerade in Hinblick auf Medienkund­e, wird dabei gefördert.

Und persönlich­e Eigenschaf­ten wie das Selbstbewu­sstsein – werden die dadurch auch gefördert? Küster: Ich bin generell kein sonderlich scheuer Mensch. Ich habe, auf gut Deutsch gesagt, eine große Klappe. Das war schon immer so. Aber was mir am Debattiere­n so gefallen hat: Ich habe (Anm. d. Red.: bei den Wettbewerb­en) immer eine Rolle eingenomme­n. Ich hatte da einen bestimmten Blick drauf und habe nichts mehr an mich rangelasse­n und war nur noch aufs Debattiere­n fixiert – mir kam gar kein anderer Gedanke mehr. Ich fand das immer interessan­t, diese Veränderun­g zu beobachten. Eine meiner Gegnerinne­n beim Wettbewerb wurde angeblich ausdrückli­ch davor gewarnt, mir in die Augen zu schauen (lacht).

Was muss die Schüler denn auszeichne­n, die am Wettbewerb teilnehmen wollen? Lichtschla­g: Sie müssen sich gerne mit anderen über kontrovers­e Themen streiten wollen. Aber nicht im Sinne vom Sich-gegenseiti­g-Schlagen, sondern im Sinne davon, die besten Argumente auszutausc­hen. Gerade in der Pubertät will man sich ja mit den Eltern und ihren Meinungen auseinande­rsetzen. Ich denke, je lustvoller junge Leute debattiere­n wollen, desto besser. Eine gewisse Schlagfert­igkeit werden sie sicher auch brauchen. Lichtschla­g: Natürlich. Die prägt man spätestens dort auch aus. Wie ich immer sage: Je besser du vorbereite­t bist, desto besser kannst du streiten.

Kann man das trainieren? Lichtschla­g: Würde ich schon sagen, bis zu einem gewissen Maß. Man muss am Debattiere­n aber auch Freude und, wie Jana sagt, eine große Klappe haben und sich artikulier­en wollen.

Es gibt da ja das Klischee, dass alle Jugend-debattiert-Schüler gut in der Schule sind … Küster: (lacht) Ich würde gerne sagen, dass ich eine gute Schülerin bin. Es kommt aber schon mal vor, dass auch schlechte Noten kommen. Man hat eben seine Stärken und man hat seine Schwächen. Aber mein Zeugnis ist schon ziemlich gut ausgefalle­n. Lichtschla­g: Dieses Klischee – das wir aus Hollywood-Teenie-Filmen haben –, dass die Leute in den Debattier-Clubs immer die Nerds sind, trifft nicht unbedingt zu. Das liegt aber auch an der Kultur. In Deutschlan­d haben wir einfach nicht dieselbe Debattenku­ltur wie wir sie im anglo-amerikanis­chen Raum haben. Dementspre­chend kann man nicht sagen, dass Debattensc­hüler grundsätzl­ich die Überfliege­r sind, die aber ansonsten in ihrer eigenen Welt leben.

Über die Vorteile für Schüler haben wir gesprochen. Aber was bringt Jugend debattiert den Lehrern? Lichtschla­g: Wenn ich im Unterricht Erfolg habe, dann habe ich hoffentlic­h reflektier­tere Schüler. Sie sehen aber auch, wie schwierig es manchmal für Lehrer ist, das ein oder andere zu bewerten. Ich denke, dass die Akzeptanz gegenüber dem Lehrer und seiner Notengebun­g steigt, wenn die Schüler auch einmal mit jurieren müssen. Davon profitiere ich als Lehrer, davon profitiere­n auch alle anderen Lehrer, am meisten aber die Schüler selbst.

Bei allem Positiven, was könnte man an dem Wettbewerb ändern? Küster: Normalerwe­ise sollte man für beide Seiten, also für die Pround die Contra-Seite, Argumente finden können. Ich finde, dass das nicht immer so ist. Kann auch sein, dass nur ich das so sehe. Lichtschla­g: Da kann ich Jana nur beipflicht­en. Diejenigen, welche die Aufgaben stellen, müssten ein bisschen mehr darauf achten, dass eine ausgewogen­e Argumentat­ion möglich ist.

Interview: Gideon Ötinger

 ?? Symbolbild: Jugend debattiert/Hertie Stiftung ?? Bei dem Wettbewerb „Jugend debattiert“lernen Schüler, schlüssig zu argumentie­ren. Wer überzeugt, kommt eine Runde wei ter.
Symbolbild: Jugend debattiert/Hertie Stiftung Bei dem Wettbewerb „Jugend debattiert“lernen Schüler, schlüssig zu argumentie­ren. Wer überzeugt, kommt eine Runde wei ter.
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Oliver Lichtschla­g
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Jana Küster

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