Mühsame Suche nach einem Motiv
Totschlag Prozess Warum sollte der 22-jährige Student seine Mutter getötet haben? Auch am sechsten Tag der Verhandlung suchen die Richter eine Antwort auf diese Frage
Augsburg/ Donauwörth Auch am sechsten Prozesstag im Fall der getöteten Michaela B. versuchte sich gestern das Landgericht Augsburg dem Rätsel um den gewaltsamen Tod der 42-Jährigen ein Stück weit zu nähern. Denn nach wie vor scheint zwar klar, dass Michaela B. in der Toilette ihrer Wohnung in der Berger Vorstadt von einer anderen Person getötet wurde. Doch die Beweislage gegen den Sohn ist nach wie vor dünn. Und eine große Frage schwebt im Gerichtssaal: die nach dem Motiv des 22-Jährigen.
Um eine mögliche Antwort auf diese Frage zu finden, wurden auch gestern wieder zahlreiche Zeugen gehört. Durch die Bank schilderten alle den Sohn als ruhigen, höflichen, netten jungen Mann, der es zwar offensichtlich Zuhause nicht leicht hatte, sich aber davon äußerlich betrachtet beirren ließ und zumindest schulisch erfolgreich war.
Unter den Zeugen war auch eine Mitarbeiterin des Jobcenters Donauwörth, die von der etwas schwerfälligen Suche des Angeklagten nach einer passenden Arbeitsstelle oder einem Studienplatz nach dem Abitur erzählte. Der Sohn habe zwar einen aufgeweckten und stets höflichen Eindruck gemacht, doch sein eigener Antrieb, tatsächlich mit einer Ausbildung oder einem Studium zu beginnen, sei nicht sehr ausgeprägt gewesen. Doch scheinbar war auch das kein Grund für einen Zwist zwischen Mutter und Sohn. Vielmehr – so schildern Kripobeamte den Inhalt der Aussagen des Angeklagten – lebten beide zwar in einer Wohnung aber doch mehr oder weniger jeder für sich. Der Sohn soll wohl einen Auszug erwogen haben, habe aber die psychisch kranke Mutter nicht allein lassen wollen.
Die wurde nach einer stationären Behandlung in der Psychiatrie Donauwörth in der Woche vor ihrem Tod in einer Tagesklinik betreut. Sie hatte aber für diese Termine kaum Antrieb, meldete sich krank und verbrachte die Tage im Bett. Der Sohn hingegen bereitete sich auf Prüfungen für sein Studium in Augsburg vor und wusste auch nicht immer, ob die Mutter sich in ihrem Schlafzimmer aufhielt oder doch bei der Behandlung war. Und so scheint es auch am Vortag des Todes von Michaela B. keine außergewöhnliche Situation gewesen zu sein, dass sich die beiden am Morgen noch in der Küche trafen, aber abends keinen persönlichen Kontakt mehr hatten. Ein gemeinsames Abendessen war wohl eh nicht die Regel.
Am nächsten Morgen, dem Todestag von Michaela B., war der Sohn nach Aussagen bei der Kriminalpolizei wohl erst spät aufgestanden und dachte, die Mutter sei in die Tagesklinik gefahren. Sein Frühstück ließ er ausfallen, beschäftigte sich lieber mit seinem Laptop und tauschte mit seiner Freundin Nachrichten aus. Wie genau er dann seinen Vormittag verbracht hat, darüber hat er selbst unterschiedliche Angaben gemacht. Gegen 13 Uhr aber sei er in der gemeinsamen Wohnung gewesen, wollte auf die Toilette und fand dort seine Mutter – leblos, blutüberströmt und offensichtlich Opfer einer Gewalttat.
Der Sohn aber, so schilderten es Mitglieder des Kriseninterventionsteams und des zentralen Ermittlungsbeamten, ging wohl von einem Selbstmord der Mutter aus und äußerte dies auch. „Das kann doch niemand glauben, wenn man die Bilder vom Tatort sieht“, zweifelte Richter Thomas Junggeburth offen am Angeklagten. Spuren von einem möglicherweise anderem Täter gibt es zudem nicht.
Und so wurde gestern auch nochmals deutlich, dass sich der Verdacht auf den Sohn der Toten konzentriert, weil alle anderen, in Frage kommenden Bekannten der Getöteten als Täter ausgeschlossen werden konnten. Der Ex-Mann war in seinem Wohnort im Ruhrgebiet beim Arzt, der Ex-Freund auf der Arbeit, die Kurbekanntschaft wurde an jenem Morgen von einer Videokamera in Erlangen gefilmt und die Freundin des Angeklagten, deren DNA-Spuren auf dem Körper der Toten gefunden wurden, war nachweislich im Spanien-Urlaub.
Doch reicht das aus, um von der Schuld des jungen Mann überzeugt zu sein?