Donauwoerther Zeitung

Mühsame Suche nach einem Motiv

Totschlag Prozess Warum sollte der 22-jährige Student seine Mutter getötet haben? Auch am sechsten Tag der Verhandlun­g suchen die Richter eine Antwort auf diese Frage

- VON BARBARA WILD

Augsburg/ Donauwörth Auch am sechsten Prozesstag im Fall der getöteten Michaela B. versuchte sich gestern das Landgerich­t Augsburg dem Rätsel um den gewaltsame­n Tod der 42-Jährigen ein Stück weit zu nähern. Denn nach wie vor scheint zwar klar, dass Michaela B. in der Toilette ihrer Wohnung in der Berger Vorstadt von einer anderen Person getötet wurde. Doch die Beweislage gegen den Sohn ist nach wie vor dünn. Und eine große Frage schwebt im Gerichtssa­al: die nach dem Motiv des 22-Jährigen.

Um eine mögliche Antwort auf diese Frage zu finden, wurden auch gestern wieder zahlreiche Zeugen gehört. Durch die Bank schilderte­n alle den Sohn als ruhigen, höflichen, netten jungen Mann, der es zwar offensicht­lich Zuhause nicht leicht hatte, sich aber davon äußerlich betrachtet beirren ließ und zumindest schulisch erfolgreic­h war.

Unter den Zeugen war auch eine Mitarbeite­rin des Jobcenters Donauwörth, die von der etwas schwerfäll­igen Suche des Angeklagte­n nach einer passenden Arbeitsste­lle oder einem Studienpla­tz nach dem Abitur erzählte. Der Sohn habe zwar einen aufgeweckt­en und stets höflichen Eindruck gemacht, doch sein eigener Antrieb, tatsächlic­h mit einer Ausbildung oder einem Studium zu beginnen, sei nicht sehr ausgeprägt gewesen. Doch scheinbar war auch das kein Grund für einen Zwist zwischen Mutter und Sohn. Vielmehr – so schildern Kripobeamt­e den Inhalt der Aussagen des Angeklagte­n – lebten beide zwar in einer Wohnung aber doch mehr oder weniger jeder für sich. Der Sohn soll wohl einen Auszug erwogen haben, habe aber die psychisch kranke Mutter nicht allein lassen wollen.

Die wurde nach einer stationäre­n Behandlung in der Psychiatri­e Donauwörth in der Woche vor ihrem Tod in einer Tagesklini­k betreut. Sie hatte aber für diese Termine kaum Antrieb, meldete sich krank und verbrachte die Tage im Bett. Der Sohn hingegen bereitete sich auf Prüfungen für sein Studium in Augsburg vor und wusste auch nicht immer, ob die Mutter sich in ihrem Schlafzimm­er aufhielt oder doch bei der Behandlung war. Und so scheint es auch am Vortag des Todes von Michaela B. keine außergewöh­nliche Situation gewesen zu sein, dass sich die beiden am Morgen noch in der Küche trafen, aber abends keinen persönlich­en Kontakt mehr hatten. Ein gemeinsame­s Abendessen war wohl eh nicht die Regel.

Am nächsten Morgen, dem Todestag von Michaela B., war der Sohn nach Aussagen bei der Kriminalpo­lizei wohl erst spät aufgestand­en und dachte, die Mutter sei in die Tagesklini­k gefahren. Sein Frühstück ließ er ausfallen, beschäftig­te sich lieber mit seinem Laptop und tauschte mit seiner Freundin Nachrichte­n aus. Wie genau er dann seinen Vormittag verbracht hat, darüber hat er selbst unterschie­dliche Angaben gemacht. Gegen 13 Uhr aber sei er in der gemeinsame­n Wohnung gewesen, wollte auf die Toilette und fand dort seine Mutter – leblos, blutüberst­römt und offensicht­lich Opfer einer Gewalttat.

Der Sohn aber, so schilderte­n es Mitglieder des Kriseninte­rventionst­eams und des zentralen Ermittlung­sbeamten, ging wohl von einem Selbstmord der Mutter aus und äußerte dies auch. „Das kann doch niemand glauben, wenn man die Bilder vom Tatort sieht“, zweifelte Richter Thomas Junggeburt­h offen am Angeklagte­n. Spuren von einem möglicherw­eise anderem Täter gibt es zudem nicht.

Und so wurde gestern auch nochmals deutlich, dass sich der Verdacht auf den Sohn der Toten konzentrie­rt, weil alle anderen, in Frage kommenden Bekannten der Getöteten als Täter ausgeschlo­ssen werden konnten. Der Ex-Mann war in seinem Wohnort im Ruhrgebiet beim Arzt, der Ex-Freund auf der Arbeit, die Kurbekannt­schaft wurde an jenem Morgen von einer Videokamer­a in Erlangen gefilmt und die Freundin des Angeklagte­n, deren DNA-Spuren auf dem Körper der Toten gefunden wurden, war nachweisli­ch im Spanien-Urlaub.

Doch reicht das aus, um von der Schuld des jungen Mann überzeugt zu sein?

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