Auf die alten Tage eine Reise
Auf seine alten Tage macht er noch eine große Reise. 92 Jahre hat er den immer gleichen Blick genossen, selbst gütig, väterlich geschmunzelt, von Touristen bewundert, von Einheimischen geliebt: Onkel Ludwig in Donauwörth. In Stein gehauen, hat er viel erlebt. Er ist beschmiert worden, mit Sonnenbrillen ausgestattet, musste sich mit Parolen bekritzeln lassen und ist auf unzähligen Fotografien verewigt. Japaner, Amerikaner, Italiener, einfach jeder wollte mit ihm fotografiert werden. Wie aus heiterem Himmel ist dann gestern ein Kran gekommen, um ihn hochzuhieven. Vermutlich wird er, nicht wissend wie ihm geschah, erst einmal eine Schwindelattacke bekommen haben. Und dann die erste Nacht in fremder Umgebung in Monheim. Schon in den letzten Monaten hat Ludwig einiges mitmachen müssen, Baulärm, -fahrzeuge, Staub, Menschen, die ihn nicht beachteten. Ja, sie werden ihm fehlen, die Touristen, deren Blicke von den Stadtführern gerne auf ihn und seine Kinderlein gelenkt wurden. Nun wird er die Tage herbeisehnen, wieder zurückzukehren. Aber er wird sich neu orientieren müssen. Am neuen Platz erwartet ihn ein Panoramablick. Der Onkel wird es verkraften. Es wird Zeit, dass rund um Heilig Kreuz wieder Ruhe einkehrt, die Störche unbeschwert ihre Runden drehen und Ludwig jene bewundernde Beachtung erhält, die er verdient.