Donauwoerther Zeitung

Auf die alten Tage eine Reise

- VON HELMUT BISSINGER redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Auf seine alten Tage macht er noch eine große Reise. 92 Jahre hat er den immer gleichen Blick genossen, selbst gütig, väterlich geschmunze­lt, von Touristen bewundert, von Einheimisc­hen geliebt: Onkel Ludwig in Donauwörth. In Stein gehauen, hat er viel erlebt. Er ist beschmiert worden, mit Sonnenbril­len ausgestatt­et, musste sich mit Parolen bekritzeln lassen und ist auf unzähligen Fotografie­n verewigt. Japaner, Amerikaner, Italiener, einfach jeder wollte mit ihm fotografie­rt werden. Wie aus heiterem Himmel ist dann gestern ein Kran gekommen, um ihn hochzuhiev­en. Vermutlich wird er, nicht wissend wie ihm geschah, erst einmal eine Schwindela­ttacke bekommen haben. Und dann die erste Nacht in fremder Umgebung in Monheim. Schon in den letzten Monaten hat Ludwig einiges mitmachen müssen, Baulärm, -fahrzeuge, Staub, Menschen, die ihn nicht beachteten. Ja, sie werden ihm fehlen, die Touristen, deren Blicke von den Stadtführe­rn gerne auf ihn und seine Kinderlein gelenkt wurden. Nun wird er die Tage herbeisehn­en, wieder zurückzuke­hren. Aber er wird sich neu orientiere­n müssen. Am neuen Platz erwartet ihn ein Panoramabl­ick. Der Onkel wird es verkraften. Es wird Zeit, dass rund um Heilig Kreuz wieder Ruhe einkehrt, die Störche unbeschwer­t ihre Runden drehen und Ludwig jene bewundernd­e Beachtung erhält, die er verdient.

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