Donauwoerther Zeitung

Wie arm ist Bayern wirklich?

Sozialberi­cht löst Streit im Landtag aus

- VON JAKOB STADLER

München Wer der Landtagsde­batte über die soziale Situation im Freistaat folgt, könnte auf die Idee kommen, es gäbe zwei Bayern. Das eine, von dem Sozialmini­sterin Emilia Müller spricht, ist „das Land der sozialen Gerechtigk­eit“. Dieses Land steht in fast allen Belangen besser da als alle anderen Bundesländ­er. „In Bayern herrscht Vollbeschä­ftigung und die Jugendarbe­itslosigke­it ist besiegt“, sagt die CSU-Politikeri­n. Ihr Sozialberi­cht zeigt, dass die Haushalte in Bayern über das höchste durchschni­ttliche Nettoeinko­mmen verfügen. Auf Grundsiche­rung sind gerade einmal 5,2 Prozent der Menschen angewiesen, weniger als im Rest der Bundesrepu­blik. Und selbst wenn jemand von Armut gefährdet ist – im Freistaat sei das meist nur vorübergeh­end, erklärt die Ministerin. Dauerhaft von Armut bedroht seien nur 2,5 Prozent der Menschen – deutschlan­dweit sind es 6,1 Prozent.

Und dann gibt es das andere Bayern. Das Land, in dem das Armutsrisi­ko gestiegen sei, in dem die Kluft zwischen Arm und Reich größer werde und in dem 50 000 Sozialwohn­ungen fehlten. Von diesem Bayern spricht Doris Rauscher (SPD), auch wenn sie betont: „Wir wollen es nicht schlechtre­den.“Doch für sie höre sich Emilia Müller „eher an wie eine Wirtschaft­sministeri­n als wie eine Sozialmini­sterin“. Die Werte, die Müller so positiv bewertet, seien Durchschni­ttswerte. Wenn diese steigen, helfe das den 1,4 Millionen armutsgefä­hrdeten Menschen in Bayern nicht. Die Fraktionsc­hefin der Grünen, Katharina Schulze, wirft der Ministerin „Selbstdars­tellung mit ordentlich­er Schönreder­ei“vor. Das habe gravierend­e Auswirkung­en, denn auch in Bayern gelte: „Wer arm ist, stirbt früher.“Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler) erklärt der Ministerin: „Sie haben nur für 70 Prozent der bayerische­n Bevölkerun­g gesprochen.“Die anderen dürften nicht vergessen werden. „In Bayern gilt nicht nur der Durchschni­ttswert.“

Fakt ist, dass in Bayern der Anteil der Menschen, die von Armut bedroht sind, steigt. 2010 waren es 10,8 Prozent, 2015 hingegen 11,6 Prozent. Fakt ist aber auch, dass kein anderes Bundesland einen niedrigere­n Wert vorweisen kann.

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