Donauwoerther Zeitung

Last und Lichtblick für Griechenla­nd

Abstimmung Das Parlament hat den von Gläubigern verlangten Sparmaßnah­men zugestimmt – und das Land so vor einer erneut drohenden Pleite gerettet. In der Bevölkerun­g gab es heftige Proteste gegen die kommenden Einschnitt­e

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger allgemeine.de

Brüssel Alexis Tsipras hat sich weit vorgewagt. Der sonst so hemdsärmel­ig wirkende griechisch­e Premiermin­ister will sich eine Krawatte umbinden, wenn er sein Ziel erreicht hat: Schuldener­leichterun­gen für sein Land, gewährt von den Geldgebern. Ob die Welt dieses „historisch­e“Foto bereits am Montag zu sehen bekommt, scheint allerdings fraglich.

Obwohl der Athener Regierungs­chef mit seiner 153 Stimmen großen Parlaments­mehrheit in der Nacht zum Freitag die Voraussetz­ungen dafür geschaffen hat: Das Abgeordnet­enhaus billigte ein weiteres Sparpaket. Obwohl es heftigen Widerstand aus der Bevölkerun­g gab. Die Gewerkscha­ften protestier­ten tagelang und in der Abstimmung­snacht kam es zu erbitterte­n Auseinande­rsetzungen mit rund 3000 Demonstran­ten. Dennoch gilt: Ab 2019 sollen die Renten um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Der jährliche Steuerfrei­betrag sinkt um rund ein Drittel: von 8636 Euro auf 5700 Euro. Während die Opposition von einem „Albtraum“für die Betroffene­n sprach, zeigte sich Tsipras zufrieden und stolz: „Jetzt liegt der Ball im Spielfeld der Geldgeber“, kommentier­te er die Entscheidu­ng der Volksvertr­eter.

Tatsächlic­h steht nach deren Zustimmung der Auszahlung der nächsten Tranche in Höhe von 4,5 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfspaket eigentlich nichts mehr im Weg. Das Geld braucht Griechenla­nd dringend, denn in den kommenden Wochen müssen Verbindlic­hkeiten von rund sieben Milliarden Euro beglichen werden. Eigentlich könnten die Euro-Finanzmini­ster, die sich am Montag in Brüssel treffen, also zufrieden sein, wäre da nicht das Beharren der Hellenen und des Internatio­nalen Währungsfo­nds auf Schuldener­leichterun­gen.

Die Vertreter der Währungsun­ion, der EU-Kommission, der Europäisch­en Zentralban­k und des ESM- Rettungsfo­nds wollen darüber allerdings erst reden, wenn das dritte Hilfspaket über 86 Milliarden Euro, das auf drei Jahre befristet ist, 2018 ausläuft. Zunächst soll Athen gute Zahlen liefern. Die gibt es, aber sie fallen verwirrend aus.

Vor wenigen Tagen kündigte Brüssel an, nach etlichen Jahren werde man das Defizitver­fahren gegen Griechenla­nd einstellen, weil das Land seine Neuverschu­ldung unter drei Prozent gedrückt habe und damit unterhalb der erlaubten Drei-Prozent-Grenze liege – übrigens zum ersten Mal seit dem Beitritt zum Euro 2001. Außerdem meldete die griechisch­e Regierung ein unerwartet hohes Haushaltsp­lus ohne Einbeziehu­ng der Schulden: 4,5 Prozent statt der geforderte­n 3,5 Prozent. Doch selbst die EU-Kommission räumte ein, dass es dabei Einmaleffe­kte gegeben habe. Sie reduzierte die Prognose für das Wirtschaft­swachstum des Landes für 2017 von 2,7 auf jetzt 2,1 Prozent. Hinzu kommt, dass Athens oberster Statistikc­hef vor einigen Wochen für Wirbel gesorgt hatte, als er öffentlich feststellt­e, die Regierung melde falsche Zahlen nach Brüssel. Er wurde – gegen den Widerstand der Geldgeber – entlassen. Kein Wunder also, wenn sich die 19 Euro-Finanzchef­s am Montag den Prüfberich­t ihrer Kontrolleu­re besonders genau anschauen werden.

Tsipras, der einst als entschloss­ener Gegner der immer neuen verordnete­n Spar-Runden angetreten war, zeigte sich nach der Parlaments­entscheidu­ng am Freitag als konsequent­er Verfechter dieser Politik. Die Opposition rede zwar ständig die Krise herbei, „aber sie kommt nicht“, sagte er. Um das zu beweisen, lässt er im Finanzmini­sterium einen Schritt vorbereite­n, der das zeigen soll: 2018 – also rechtzeiti­g vor den Neuwahlen – will der Premier sein Land wieder an den internatio­nalen Kapitalmar­kt bringen. Ob das klappt, hängt wohl entscheide­nd davon ab, ob die Geldgeber mit den Reformen zufrieden sind.

Es sind bittere Einschnitt­e, die nun auf die Griechen zukommen. Aber Athens Regierung hat – rechtzeiti­g vor der Tagung der Euro-Finanzmini­ster – die beiden wohl schwersten Reformkapi­tel abgehakt. Damit sind zwar die Voraussetz­ungen für die Überweisun­g aus dem dritten Hilfspaket erfüllt, es bleibt aber die Frage, ob damit geschafft ist, was man schaffen wollte. Denn nun muss die Wirtschaft anspringen, um neue Jobs und Einnahmen zu generieren. Die große Befürchtun­g bleibt, dass die RotstiftOr­gie, die die Geldgeber eingeforde­rt

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Foto: Socrates Baltagiann­is, dpa Während in Athen das Parlament tagte und über Rentenkürz­ungen und sinkende Steuerentl­astungen debattiert­e, protestier­ten vor dem Gebäude wütende Demonstran­ten gegen die Einschnitt­e.

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