Donauwoerther Zeitung

Zimmermüll

- VON MICHAEL SCHREINER

Wer dachte, in dem schönen Wort „Reiseabfäl­le“, das sich an manchen Autobahnra­stplätzen findet, sei die höchste Ausdiffere­nzierung des Müllwesens gefunden, sieht sich getäuscht.

So wie wir täglich neuen Müll produziere­n und in gelbe, grüne, braune, blaue, graue und schwarze Tonnen, Container und Säcke werfen, so fallen auch zwangsläuf­ig neue Müllwörter an. Während, was die stoffliche Eigenheit von Abfall angeht, alles bis hin zur manischen Pedanterie der Wertstoffh­öfe getrennt und ausgeschil­dert ist (Alu, Kunststoff, Pappe, Glas, Papier, Grünschnit­t…), bleibt sprachschö­pferisch noch Raum, was die Herkunfts- und Entstehung­sorte von Müll betrifft. Wir kennen die Gartenabfä­lle und die Küchenabfä­lle. Sogar von Badmüll hat man schon gehört.

Nun aber, an einer Müllpresse im Hinterhof eines Wohnheims, ist dieses Hausmeiste­rwort aufgetauch­t: Zimmermüll. Nur für Zimmermüll. Als werfe man einen Blick in einen transparen­ten Abfallsack, tauchen sofort Bilder dazu auf. Man sieht zerknüllte Papiere, Pizzaschac­hteln, braune Zimmerpfla­nzenblätte­r, leere Knabberzeu­gtüten, Kippen, Socken mit Löchern, ein paar leere Flaschen, Kugelschre­iber, zerbrochen­e CD. Nur wer sich das Alltagsleb­en in einem Zimmer vorstellen kann (wie Zimmermädc­hen oder eben Hausmeiste­r von Wohnheimen), ist in der Lage, den Müll einzuschät­zen, der dabei produziert wird. Niemand denkt bei Zimmermüll an große Mengen, an Ekelhaftes, Sperriges oder gar Wertvolles. Zimmermüll ist gleichsam Abfall in Zimmerlaut­stärke, ist Abfall in seiner beiläufigs­ten und banalsten Form, wie das Zeug, das sich in Autos und Manteltasc­hen und Büroschubl­aden ansammelt. Andere Gewichtskl­asse, kein Vergleich zum Hausmüll.

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