Aus der Schankwirtschaft wurde ein Speiselokal Der Adler einst und jetzt
Ein Gasthaus erzählt auch von den Veränderungen in unseren Dörfern. Lorenz Reichenspergers Wirtschaft in Tapfheim ist ein Beispiel dafür, dass sich Bodenständigkeit bewähren kann
Tapfheim Ein Wirtshausbesuch heutzutage gleicht nicht der Einkehr vor fünfzig, hundert oder hundertfünfzig Jahren. Oder einem Besuch, der noch länger her ist – in alten Zeiten, als man sich bei Kerzenlicht und einem trüben Humpen Bier Neuigkeiten erzählte, Kutschen Rast machten und Fremdenzimmer noch Zimmer für Fremde waren. Als Tapfheim noch weit weg von Donauwörth war und von Augsburg sowieso. Wirtshäuser sind mitunter ein Spiegel der Zeit. Sie verändern sich wie die Dorfgemeinschaft. Den Wandel sieht man auch bei den gutbürgerlichen Gastwirtschaften in der Region, wie etwa beim Gasthaus Adler in Tapfheim – seit Generationen in Familienhand.
Lorenz Reichensperger hat bereits einen großen Wandel mitgemacht, als er 1977 die Wirtschaft vom Vater übernahm. „Damals war der Gasthof noch eine typische Schankwirtschaft“, sagt er. Es wurde vor allem beim Bier zusammengesessen, abends, nach getaner Arbeit. Die Bauern, von denen es vormals, bis weit in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, sehr viele gab in Tapfheim, sie gesellten sich gern zueinander im Adler. Gegessen wurde aber meist zu Hause. Das wandelte sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen. Die zunehmende Industrialisierung habe das Leben auf dem Dorf verändert, erzählt Reichensperger: „Wir haben hier alles mitgemacht“– von der Agrar- zur Industrie- bis hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Der „Adler“indes war eine Konstante, wenngleich er sich hier und da anpassen musste. So, wie etwa in der Zeit des Wirtschaftswunders und den Folgejahrzehnten.
Die Leute konnten sich jetzt eher mal ein Essen außer Haus leisten. Zugleich wanderten aber die Vereine ab. In Tapfheim bauten ab den 1980er-Jahren Feuerwehr, Schützen und weitere Vereinigungen zunehmend ihre eigenen Heime; man sich nicht mehr zwangsläufig in der Dorfwirtschaft treffen.
Indes lag es eigentlich auf der Hand, dass man beim Adler verköstigt wurde mit bester schwäbischer und bayerischer Kost. Schließlich entstammt Reichensperger einer Metzgersfamilie, er selber ist Meister seines Fachs. Geschlachtet wurden die eigenen Rinder und Schweine seit jeher nebenan, im eigenen Schlachthaus. Der Schweinebraten aus dem Holzbackofen genießt noch immer einen schier legendären Ruf.
Mittlerweile wird zwar immer noch gemetzgert bei den Reichenspergers, allerdings nicht mehr in Tapfheim an der Ulmer Straße, sonder ein paar Kilometer weiter beim Sohn in Mörslingen (Kreis Dillingen). Der Papa holt täglich Wurst und Fleisch bei seinem Junior – hier wurde das Erbe, das Lorenz Reichensperger einst übernahm, weitergegeben – wenngleich sich ein Teil des Betriebes verlagert hat. Aber auch das ist Teil des generellen Wandels: „Die Menschen sind mobiler geworden. Früher war Donauwörth für die Menschen hier noch weit weg“, erinnert sich der Wirt im rustikal und in Holz gehaltenen Gastraum seiner Wirtschaft in der Ulmer Straße, welche längst die viel befahrene B2 geworden ist. Einen Teil der ehemaligen Kundschaft, die alten Bauern, gibt es kaum noch; die Stammtische sind rar geworden. Doch es haben sich neue Geschäftsfelder ergeben, mit denen Lorenz Reichensperger, 62, und seine Frau Maria Luise, 61, im Übernahmejahr 1977 niemals gerechnet hätten.
Eine zugezogene, berufstätige Französin habe nach der Möglichkeit eines warmen Essens für die Kleinen im Kindergarten gefragt. Was mit Einzelmahlzeiten angefangen hat, ist zu einem gastronomischen Pfeiler des Adler geworden. Zwischen 80 und 100 Mahlzeiten bereiten die Reichenspergers, bei denen auch die Tochter des Hauses kräftig mithilft, tagtäglich für den Kindergarten und die Tapfheimer Grundschule zu. Nahrhaft und frisch, wie die Wirtsleute betonen – man schweiße nichts ein und achte darauf, dass das Essen nicht zu lange In großen Thermen liefere man es ein paar Meter die Straße hoch direkt in die Einrichtungen. Umweltfreundlich, frisch, reichhaltig, zuverlässig Tag für Tag.
Indes ist es für die Reichenspergers klar, dass sie nicht jeden kulinarischen Trend, der etwa in Kochsendungen im Fernsehen zelebriert wird, mitmachen. „Bei uns gibt es traditionelle schwäbische Küche – ohne Schnickschnack“, sagt der Wirt fast schon ein wenig trotzig. Was nachvollziehbar erscheint, denkt man daran, dass beispielsweise in sogenannten In-Restaurants ein paar geschmückte Salatblätter mitunter zu Mondpreisen angeboten werden. Beim Adler kann man dagegen auch für wenige Euro pappsatt werden. Viele Menschen schätzten das, wie Reichensperger berichtet: „Einige Stammkunden kommen sogar aus der Schweiz oder aus Nürnberg regelmäßig zu uns.“
Seine Stoßzeiten erfährt der Gasthof sonntags. Da sei die Wirtschaft gut gefüllt, seit der Jahrtausendwende sei es derweil unter der Woche ruhiger, wie der Wirt erklärt. Doch man muss nicht alles negativ sehen – dadurch, dass die Gäste heute weniger Alkohol tränken, habe sich auch die Gesprächskultur geänmusste dert. Zum Besseren, wie Maria Luise Reichensperger ergänzt: „Dass sich die Gäste lautstark echauffieren und zanken, das gibt es nicht mehr.“Blieben die Stammgäste früher fast schon tagtäglich bis zur Sperrstunde, so dächten die meisten heute abends um acht ans Heimgehen.
Lorenz Reichensperger weiß, dass es bei seinem Gasthaus auch um den Erhalt der Familientradition geht. Die Wirtschaft gibt es seit 1750, das Haus war gar 1650 erbaut worden – zwei Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, der auch in Schwaben wütete. Seit 1919, ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkrieges, ist die Wirtschaft in Familienhand, so wie auch die Metzgerei. Der Wirt interessiert sich für die Historie, für das Erbe. Er zeigt eine alte Liste mit den Hausbezeichnungen von früher in der Ulmer Straße, die immer schon Durchfahrtsstraße für Fremde und Handelnde, aber einst noch geschottert war. „Nachtwächterhaus“ist da zu lesen und „Bachfischerhaus“– und man bekommt einen Eindruck vom Leben einst: Die Arbeit war vor Ort; das Leben, in dem jeder seine Aufgabe finden sollte, es fand im Dorf statt. Und das soziale Leben pulsierte zumindest teilweise in den Wirtshäusteht. sern. Im Adler war das Familienleben nie langweilig: „Es war lebhaft, vier Generationen lebten hier im Haus und die Räume hat man – bis auf die Schlafzimmer – geteilt“, erinnert sich Reichensperger. Er lächelt, sinniert kurz und fügt hinzu: „Es war eine schöne Zeit.“
Am Trubel im Dorf mag sich durch eine mobiler und auch wohlhabender gewordene Gesellschaft etwas geändert haben – und doch findet die Tradition, das Bewährte noch seinen Platz. Gott sei Dank.
Es gibt eben auch einiges, was nicht den Läufen der Zeit unterworfen war. Neben der Sorgsamkeit in Sachen Qualität und der traditionellen Küche ist das auch ein Teil des gemeinschaftlichen Miteinanders: Die Theatertruppe führt „beim Reichensperger“seit Jahrzehnten seine Stücke auf. Ehrensache, dass sich dazu die Dorfgemeinschaft einfindet – auch die aus Donaumünster, Erlingshofen,
Es gibt das, was bleibt in einem Dorf
Brachstadt und Oppertshofen, früher eigenständige kleine Gemeinden – für sie gibt es eigens ein Bühnenbild im großen Saal im ersten Stock, der privat gebucht werden kann. Bis zu 150 Personen können die Reichenspergers bei Veranstaltungen problemlos bewirten – und wenn es sein muss, dann schaffe man es mit ausreichend helfenden Händen auch, 170 Gäste sattzubekommen.
Zu dem, was viele nach wie vor schätzen, gehört in Sachen Küche auch mal ein Schnitzel oder Braten, ein Fassbier, ein saurer Presssack, bestimmt aber das Beieinandersein am Tisch – gern auch mal beim gepflegten Fassbier. Auf den Gerstensaft vom Fass legt der Wirt Wert – ebenso wie auf die Qualität und das Traditionelle in der Küche. Qualität und Bodenständigkeit, da sind sich die Tapfheimer Wirtsleute sicher, das sind zeitlose Werte.
Kontakt zum Gasthaus Adler in der Ulmer Straße 47 in Tapfheim (an der B 2) unter Telefon 09070/ 207.