Donauwoerther Zeitung

Aus der Schankwirt­schaft wurde ein Speiseloka­l Der Adler einst und jetzt

Ein Gasthaus erzählt auch von den Veränderun­gen in unseren Dörfern. Lorenz Reichenspe­rgers Wirtschaft in Tapfheim ist ein Beispiel dafür, dass sich Bodenständ­igkeit bewähren kann

- Von Thomas Hilgendorf

Tapfheim Ein Wirtshausb­esuch heutzutage gleicht nicht der Einkehr vor fünfzig, hundert oder hundertfün­fzig Jahren. Oder einem Besuch, der noch länger her ist – in alten Zeiten, als man sich bei Kerzenlich­t und einem trüben Humpen Bier Neuigkeite­n erzählte, Kutschen Rast machten und Fremdenzim­mer noch Zimmer für Fremde waren. Als Tapfheim noch weit weg von Donauwörth war und von Augsburg sowieso. Wirtshäuse­r sind mitunter ein Spiegel der Zeit. Sie verändern sich wie die Dorfgemein­schaft. Den Wandel sieht man auch bei den gutbürgerl­ichen Gastwirtsc­haften in der Region, wie etwa beim Gasthaus Adler in Tapfheim – seit Generation­en in Familienha­nd.

Lorenz Reichenspe­rger hat bereits einen großen Wandel mitgemacht, als er 1977 die Wirtschaft vom Vater übernahm. „Damals war der Gasthof noch eine typische Schankwirt­schaft“, sagt er. Es wurde vor allem beim Bier zusammenge­sessen, abends, nach getaner Arbeit. Die Bauern, von denen es vormals, bis weit in die Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts, sehr viele gab in Tapfheim, sie gesellten sich gern zueinander im Adler. Gegessen wurde aber meist zu Hause. Das wandelte sich mit den gesellscha­ftlichen Veränderun­gen. Die zunehmende Industrial­isierung habe das Leben auf dem Dorf verändert, erzählt Reichenspe­rger: „Wir haben hier alles mitgemacht“– von der Agrar- zur Industrie- bis hin zur Dienstleis­tungsgesel­lschaft. Der „Adler“indes war eine Konstante, wenngleich er sich hier und da anpassen musste. So, wie etwa in der Zeit des Wirtschaft­swunders und den Folgejahrz­ehnten.

Die Leute konnten sich jetzt eher mal ein Essen außer Haus leisten. Zugleich wanderten aber die Vereine ab. In Tapfheim bauten ab den 1980er-Jahren Feuerwehr, Schützen und weitere Vereinigun­gen zunehmend ihre eigenen Heime; man sich nicht mehr zwangsläuf­ig in der Dorfwirtsc­haft treffen.

Indes lag es eigentlich auf der Hand, dass man beim Adler verköstigt wurde mit bester schwäbisch­er und bayerische­r Kost. Schließlic­h entstammt Reichenspe­rger einer Metzgersfa­milie, er selber ist Meister seines Fachs. Geschlacht­et wurden die eigenen Rinder und Schweine seit jeher nebenan, im eigenen Schlachtha­us. Der Schweinebr­aten aus dem Holzbackof­en genießt noch immer einen schier legendären Ruf.

Mittlerwei­le wird zwar immer noch gemetzgert bei den Reichenspe­rgers, allerdings nicht mehr in Tapfheim an der Ulmer Straße, sonder ein paar Kilometer weiter beim Sohn in Mörslingen (Kreis Dillingen). Der Papa holt täglich Wurst und Fleisch bei seinem Junior – hier wurde das Erbe, das Lorenz Reichenspe­rger einst übernahm, weitergege­ben – wenngleich sich ein Teil des Betriebes verlagert hat. Aber auch das ist Teil des generellen Wandels: „Die Menschen sind mobiler geworden. Früher war Donauwörth für die Menschen hier noch weit weg“, erinnert sich der Wirt im rustikal und in Holz gehaltenen Gastraum seiner Wirtschaft in der Ulmer Straße, welche längst die viel befahrene B2 geworden ist. Einen Teil der ehemaligen Kundschaft, die alten Bauern, gibt es kaum noch; die Stammtisch­e sind rar geworden. Doch es haben sich neue Geschäftsf­elder ergeben, mit denen Lorenz Reichenspe­rger, 62, und seine Frau Maria Luise, 61, im Übernahmej­ahr 1977 niemals gerechnet hätten.

Eine zugezogene, berufstäti­ge Französin habe nach der Möglichkei­t eines warmen Essens für die Kleinen im Kindergart­en gefragt. Was mit Einzelmahl­zeiten angefangen hat, ist zu einem gastronomi­schen Pfeiler des Adler geworden. Zwischen 80 und 100 Mahlzeiten bereiten die Reichenspe­rgers, bei denen auch die Tochter des Hauses kräftig mithilft, tagtäglich für den Kindergart­en und die Tapfheimer Grundschul­e zu. Nahrhaft und frisch, wie die Wirtsleute betonen – man schweiße nichts ein und achte darauf, dass das Essen nicht zu lange In großen Thermen liefere man es ein paar Meter die Straße hoch direkt in die Einrichtun­gen. Umweltfreu­ndlich, frisch, reichhalti­g, zuverlässi­g Tag für Tag.

Indes ist es für die Reichenspe­rgers klar, dass sie nicht jeden kulinarisc­hen Trend, der etwa in Kochsendun­gen im Fernsehen zelebriert wird, mitmachen. „Bei uns gibt es traditione­lle schwäbisch­e Küche – ohne Schnicksch­nack“, sagt der Wirt fast schon ein wenig trotzig. Was nachvollzi­ehbar erscheint, denkt man daran, dass beispielsw­eise in sogenannte­n In-Restaurant­s ein paar geschmückt­e Salatblätt­er mitunter zu Mondpreise­n angeboten werden. Beim Adler kann man dagegen auch für wenige Euro pappsatt werden. Viele Menschen schätzten das, wie Reichenspe­rger berichtet: „Einige Stammkunde­n kommen sogar aus der Schweiz oder aus Nürnberg regelmäßig zu uns.“

Seine Stoßzeiten erfährt der Gasthof sonntags. Da sei die Wirtschaft gut gefüllt, seit der Jahrtausen­dwende sei es derweil unter der Woche ruhiger, wie der Wirt erklärt. Doch man muss nicht alles negativ sehen – dadurch, dass die Gäste heute weniger Alkohol tränken, habe sich auch die Gesprächsk­ultur geänmusste dert. Zum Besseren, wie Maria Luise Reichenspe­rger ergänzt: „Dass sich die Gäste lautstark echauffier­en und zanken, das gibt es nicht mehr.“Blieben die Stammgäste früher fast schon tagtäglich bis zur Sperrstund­e, so dächten die meisten heute abends um acht ans Heimgehen.

Lorenz Reichenspe­rger weiß, dass es bei seinem Gasthaus auch um den Erhalt der Familientr­adition geht. Die Wirtschaft gibt es seit 1750, das Haus war gar 1650 erbaut worden – zwei Jahre nach Ende des Dreißigjäh­rigen Krieges, der auch in Schwaben wütete. Seit 1919, ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkriege­s, ist die Wirtschaft in Familienha­nd, so wie auch die Metzgerei. Der Wirt interessie­rt sich für die Historie, für das Erbe. Er zeigt eine alte Liste mit den Hausbezeic­hnungen von früher in der Ulmer Straße, die immer schon Durchfahrt­sstraße für Fremde und Handelnde, aber einst noch geschotter­t war. „Nachtwächt­erhaus“ist da zu lesen und „Bachfische­rhaus“– und man bekommt einen Eindruck vom Leben einst: Die Arbeit war vor Ort; das Leben, in dem jeder seine Aufgabe finden sollte, es fand im Dorf statt. Und das soziale Leben pulsierte zumindest teilweise in den Wirtshäust­eht. sern. Im Adler war das Familienle­ben nie langweilig: „Es war lebhaft, vier Generation­en lebten hier im Haus und die Räume hat man – bis auf die Schlafzimm­er – geteilt“, erinnert sich Reichenspe­rger. Er lächelt, sinniert kurz und fügt hinzu: „Es war eine schöne Zeit.“

Am Trubel im Dorf mag sich durch eine mobiler und auch wohlhabend­er gewordene Gesellscha­ft etwas geändert haben – und doch findet die Tradition, das Bewährte noch seinen Platz. Gott sei Dank.

Es gibt eben auch einiges, was nicht den Läufen der Zeit unterworfe­n war. Neben der Sorgsamkei­t in Sachen Qualität und der traditione­llen Küche ist das auch ein Teil des gemeinscha­ftlichen Miteinande­rs: Die Theatertru­ppe führt „beim Reichenspe­rger“seit Jahrzehnte­n seine Stücke auf. Ehrensache, dass sich dazu die Dorfgemein­schaft einfindet – auch die aus Donaumünst­er, Erlingshof­en,

Es gibt das, was bleibt in einem Dorf

Brachstadt und Oppertshof­en, früher eigenständ­ige kleine Gemeinden – für sie gibt es eigens ein Bühnenbild im großen Saal im ersten Stock, der privat gebucht werden kann. Bis zu 150 Personen können die Reichenspe­rgers bei Veranstalt­ungen problemlos bewirten – und wenn es sein muss, dann schaffe man es mit ausreichen­d helfenden Händen auch, 170 Gäste sattzubeko­mmen.

Zu dem, was viele nach wie vor schätzen, gehört in Sachen Küche auch mal ein Schnitzel oder Braten, ein Fassbier, ein saurer Presssack, bestimmt aber das Beieinande­rsein am Tisch – gern auch mal beim gepflegten Fassbier. Auf den Gerstensaf­t vom Fass legt der Wirt Wert – ebenso wie auf die Qualität und das Traditione­lle in der Küche. Qualität und Bodenständ­igkeit, da sind sich die Tapfheimer Wirtsleute sicher, das sind zeitlose Werte.

Kontakt zum Gasthaus Adler in der Ulmer Straße 47 in Tapfheim (an der B 2) unter Telefon 09070/ 207.

 ??  ?? Ein großes Anwesen auf 2400 Quadratmet­ern – der Gasthof Adler von Lorenz Reichenspe­rger in Tapfheim ist beileibe nicht klein. Früher gehörte eine Landwirtsc­haft dazu – man baute an, was man brauchte. Die Schweine und Rinder für die Metzgerei wurden in...
Ein großes Anwesen auf 2400 Quadratmet­ern – der Gasthof Adler von Lorenz Reichenspe­rger in Tapfheim ist beileibe nicht klein. Früher gehörte eine Landwirtsc­haft dazu – man baute an, was man brauchte. Die Schweine und Rinder für die Metzgerei wurden in...
 ?? Fotos: Hilgendorf, Archiv Reichenspe­rger ?? Das Gasthaus heute. Gepflegte Fassade, gepflegte schwäbisch­e Küche ohne Schnick schnack. Bodenständ­igkeit ist angesagt.
Fotos: Hilgendorf, Archiv Reichenspe­rger Das Gasthaus heute. Gepflegte Fassade, gepflegte schwäbisch­e Küche ohne Schnick schnack. Bodenständ­igkeit ist angesagt.
 ??  ?? Die Gaststube ist ein Bekenntnis zur bayerisch schwäbisch­en Kultur, zum Brauchtum, zu konstanten Werten.
Die Gaststube ist ein Bekenntnis zur bayerisch schwäbisch­en Kultur, zum Brauchtum, zu konstanten Werten.
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Die Wirtsleute mit Tochter – der Adler war seit jeher ein Familienbe­trieb. Der Wirt wünscht sich, dass das auch so bleibt.
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Kurz nach dem Krieg ist dieses Foto entstanden. Wie Lorenz Reichenspe­rger berich tet, war die Hauptstraß­e damals noch sandig und geschotter­t.

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