Donauwoerther Zeitung

Die Frage der Woche Helmut Schmidt abhängen?

- CONTRA CHRISTIAN IMMINGER

An den Aufschreie­n der Empörung und an der schnarrend­en Aufgeregth­eit der Wortmeldun­gen zeigt sich: Da hat der Finger in einer Kriegs-Wunde gebohrt, die noch übel eitert. Helmut Schmidt abhängen – das hat für manche die Dimension eines Sakrilegs. Als hätte man die Zugspitze geschliffe­n, Beckenbaue­r Hausverbot an der Säbener Straße erteilt oder die D-Mark nachträgli­ch zu Falschgeld erklärt.

Gemach. Natürlich kann man sich fragen, warum erst jetzt die nicht ganz stubenrein­e Wehrmachts­pflege in einer Bundeswehr entdeckt wurde, die es ja nun auch schon ein paar Dekaden gibt. Man hatte sich doch friedlich arrangiert mit dem verdünnten Gift. Damit, dass es so einen faulen Kompromiss der Duldung gab, für jene Wehrmachts­männer und -traditione­n, die irgendwie doch gutes Erbe gewesen sein sollen… Diese gefährlich schizophre­ne Aufspaltun­g in eine Art böse und – nun ja – im Wesen aufrichtig­e, aber „missbrauch­te“Wehrmacht war gespenstis­ch. Und das nicht nur in der Rommelkase­rne. Dass nun endlich das unwürdige Geeiere und widerwärti­ge Tarnund Verstecksp­iel diskutiert und aufgearbei­tet wird, ist gut. Und wer den Wehrmachts­mantel des Verschweig­ens und Nischentol­erierens wegreißen will, der muss konsequent sein. Deshalb ist es kein überzogene­r Bilderstur­m, der das Foto des Ex-Kanzlers Helmut Schmidt in Wehrmachts­uniform in einer Bundeswehr-Universitä­t von der Wand gefegt hat. Sondern: eine Notwendigk­eit. Eine Befreiung. Es zeigt sich, dass es genau dieses Symbols bedurft hat, um die ganze verschwurb­elte, gefährlich­e Privatlogi­k offenzuleg­en, was nun harmlose und irgendwie „vorbildlic­he“Wehrmacht war und was hässliche und mörderisch­e. Wer hier von Hexenjagd spricht, ist ein Geisterfah­rer.

Es gehört zu den Rätseln dieser jungen Republik, dass Helmut Schmidt, kaum war er nicht mehr Kanzler, zu ungeahnter Popularitä­t aufstieg, weswegen man gespannt sein darf, ob es sich bei Angela Merkel, sollte sie 2034 aus dem Amt scheiden, wenigstens umgekehrt verhält. Jedenfalls: Ein gewisses Maß an Irrational­ität darf man wohl in jedem Falle unterstell­en, doch ein gewisses Maß an Irrational­ität – das wissen wir – ist immer mit einzukalku­lieren in einer demokratis­ch verfassten Gesellscha­ft. Womit wir beim Gegenteil, nämlich der Bundeswehr wären. Denn es war ja nicht etwa eine der vielen Nichtrauch­erSekten, die in bester prohibitiv­er Absicht dem qualmenden Orakel aus Langenhorn den Garaus machte, sondern die Bundeswehr-Universitä­t in Hamburg. Und zwar nicht wegen einer Menthol-Zigarette (Tabakwerbu­ng verbieten! Alles verbieten!), sondern Opas Uniform, weil Opa, das wissen wir auch, war in der Wehrmacht. Was er da gemacht hat? Wohl nicht nur geraucht. Und dass in vielen Familien, in deren Alben ähnliche Bildchen kleben, diese Frage nie ernsthaft gestellt wurde, wirft ihren Schatten bis heute und auch in manchen Kasernenho­f. Aber ausgerechn­et einen Schmidt abhängen, der stets zwischen zwei Zügen und etwas manieriert von „Adolf Nazi“sprach und vor allem nie einen Hehl daraus machte, was er vom „Scheißkrie­g“hält?! Das fällt dann nicht mehr nur unter Irrational­ität, sondern viel schlimmer, vorauseile­nden Gehorsam – und sei es gegenüber Flinten-Uschi. Wenn man so will, zeigt sich darin ein (in dieser jungen Republik hie und da immer noch anzutreffe­ndes) Prinzip des Führerstaa­ts, nämlich einen Willen zu exekutiere­n, noch bevor er überhaupt geäußert wird. Womit man das Gegenteil demonstrie­rt von dem, was eigentlich gezeigt werden soll: Courage.

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