Donauwoerther Zeitung

„Ich bin meine eigene Partei“

Deutschlan­ds bekanntest­er Karikaturi­st ist ein Österreich­er. Was Horst Haitzinger von Schulz und Merkel denkt – und ob Satire Grenzen hat

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Herr Haitzinger, seit Jahrzehnte­n zählen Sie hierzuland­e zu den führenden Zeitungska­rikaturist­en – aber wählen immer noch in Österreich? Haitzinger: Ja, das stimmt.

Dann begleiten Sie den deutschen Wahlkampf sozusagen aus der Außenpersp­ektive. Haitzinger: Ich muss ehrlich sagen, dass mich die österreich­ische Innenpolit­ik nicht besonders „peitscht“. Die deutsche interessie­rt mich einfach mehr.

Als jemand, der unter Adenauer anfing und fast alle Wahlkämpfe begleitet hat – mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den kommenden Bundestags­wahlkampf? Haitzinger: Mit gelassenen. Ich gehe ja mittlerwei­le stramm auf die 80 zu, und wenn man das so lange macht, bringt es einen gewissen Gewöhnungs­effekt mit sich. Was soll an diesem Wahlkampf denn so gravierend anders sein? Ich halte die Frau Merkel für eine gute Bundeskanz­lerin – und glaube auch, dass der Schulz das genauso gut könnte. Sich in einen hysterisch­en Lagerwahlk­ampf hineinzust­eigern, halte ich für unsinnig. Hoffentlic­h wirke ich jetzt nicht allzu altersmild­e – aber ich bin froh, dass diesen Job des Spitzenpol­itikers überhaupt noch jemand machen will. Weil ich den grauenhaft finde.

Hatten Sie bei manchen Karikature­n Bauchschme­rzen? Gab es welche, die Sie gerne zurückgeno­mmen hätten? Haitzinger: Das hat’s natürlich öfter mal gegeben, dass man nach ein, zwei Tagen sagt: „Da habe ich mich aber vergaloppi­ert.“Ich kann aber beim besten Willen jetzt kein konkretes Beispiel nennen. Manchmal hat man Wut im Bauch oder man hat etwas einfach falsch bewertet.

Wie stehen Sie zur Cover-Karikatur des „Spiegel“, welche Donald Trump als Henker der Freiheitss­tatue zeigte? Haitzinger: Grenzwerti­g. Das geht gerade noch. Aber an so etwas wie den Trump kann ich mich in meiner ganzen Laufbahn nicht erinnern. Dass man da auch publizisti­sch schwere Geschütze auffährt, ist schon legitim.

Die Karikatur stellte Trump auf eine Stufe mit IS-Henkern. Gießt man mit solch einem Werk nicht Öl ins Feuer? Haitzinger: Ja, da haben Sie leider Gottes recht. Ich gehöre übrigens auch zu den wenigen in der Branche, die das Böhmermann-Gedicht kriti- siert haben. Da war eine Grenze zwischen Satire und Geschmackl­osigkeit überschrit­ten. Irgendeine­n Kabarettis­ten habe ich sagen hören: „Geschmack hat in der Satire nichts zu suchen.“Da bin ich völlig anderer Meinung, Geschmack sollte überall zu Hause sein. Anderes Beispiel: Charlie Hebdo. Selbstvers­tändlich muss man seine Meinung sagen dürfen, ohne an Leib und Leben gefährdet zu sein. Aber was die gemacht haben, war ebenfalls geschmackl­os. Ich erinnere mich an ein Turban-Gesicht mit Penis als Nase (der Penis ließ sich erkennen, wenn man die Karikatur auf den Kopf stellte, Anm. d. Red). Da dachte ich: Was soll denn das transporti­eren? Sind die noch in der Pubertät?

Die politische Karikatur ist in Deutschlan­d weitgehend links. Sogar FAZ oder Focus drucken linke Karikature­n … Haitzinger: Wissen Sie, ich habe ein halbes Leben gedacht, ich müsste parteipoli­tisch irgendwo dazugehöre­n. Was Innenoder Sicherheit­spolitik betrifft, bin ich erzkonserv­ativ. Anderersei­ts unterstütz­te ich die Politik Willy Brandts mit glühender Begeisteru­ng. An meinen Karikature­n kann man erkennen, wo ich bei den jeweiligen Problemen stehe. Unterm Strich muss ich sagen: Ich bin meine eigene Partei.

Als jemand, der mit Wehner, Strauß und Kohl groß geworden ist: Empfinden Sie heutige Politiker als zu glatt? Haitzinger: Glatt? Nein – es muss jemand nur lange genug im Geschäft sein, dann wird er seiner eigenen Karikatur immer ähnlicher (lacht). Und diesem Strauß-Wehner-Gepöbel trauere ich absolut nicht nach. Das war keineswegs immer geistreich, sondern oft nur plump und kindisch. Nehmen Sie den Ausspruch von Wehner, der den Jürgen Todenhöfer mal „Hodentöter“geschimpft hat – ich bitte Sie! Gut, dass so was nicht mehr möglich ist. Mit Todenhöfer habe ich mich in den letzten drei Jahren mehrmals getroffen. Ein interessan­ter und mutiger Typ – obwohl ich ihm nicht überall recht geben kann. Wie sieht die Zukunft der Karikatur aus – auch angesichts veränderte­r Lesegewohn­heiten?

Haitzinger: Schon vor Jahren habe ich mich aufgeregt, dass viele Anspielung­en auf Literatur, Balladen, biblische Geschichte­n oder Märchen kaum noch funktionie­ren. Aber wissen Sie was? Wenn ich mir anschaue, was meine Enkel im Gymnasium für ein Stoff-Volumen haben! Dazu kommt dieser ganze Computerkr­am. Da braucht man sich auch nicht zu wundern, dass sie den „Erlkönig“nicht mehr aufsagen können.

Und wenn in heutigen Karikature­n der „deutsche Michel“auftaucht, unsere etwas tumbe Nationalfi­gur mit der weißen Zipfelmütz­e – viele Leser wissen vermutlich nicht mehr, wer das sein soll …

Haitzinger: Stimmt, aber man muss doch nur ein Mal in seinem Leben nachfragen, und dann weiß man’s. Darauf verlasse ich mich dann einfach (lacht). Dass der Michel eine total antiquiert­e Figur ist, das ist mir bewusst, aber er ist ja auch nur ein Symbol. Ich weiß auch, dass ein Unternehme­r nicht ständig mit Zigarre und Melone herumläuft, aber wir zeichnen ihn trotzdem so. Stereotype­n dienen einfach der Verständli­chkeit.

Als Student der Malerei damals, wollten Sie da nie freier Künstler werden?

Haitzinger: Ursprüngli­ch durchaus. Aber es ließ sich mit der Karikatur dann so erfolgreic­h an, dass ich dachte: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

Aber Sie nahmen sich zwischendu­rch immer wieder Zeit, Gemälde anzufertig­en, Stilrichtu­ng „Phantastis­cher Realismus“. Haitzinger: Stimmt, wenn das Kind irgendeine­n Namen haben muss, dann diesen… Der Output war aber stets gering, weil ich im wahrsten Sinne des Wortes ein Sonntagsma­ler bin – und die Bilder sehr präzise und gegenständ­lich. Deshalb arbeite ich an einem Bild schon mal ein oder zwei Jahre. In meinem Atelier stehen zurzeit etwa 14 oder 15 Bilder.

Haben Sie ein Erfolgsgeh­eimnis? Haitzinger: (überlegt lange) An meinem beredten Schweigen können Sie erkennen, dass ich darüber noch nie richtig nachgedach­t habe. Gemessen an meinen jugendlich­en Erwartunge­n hatte ich Erfolg, und ich hab mich immer bemüht, alles so gut ich konnte zu machen. Das ist alles.

Und nie ans Aufhören gedacht? Haitzinger: Immer! (lacht) Aber in dem Moment, wo ich mir ein Limit setzte, macht das Arbeiten keinen Spaß mehr. Ich entscheide das irgendwann – von einem Tag auf den anderen.

Interview: Arndt Zinkant

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 ?? Horst Köhler und Theo Waigel bei einer Haitzinger Ausstellun­g Archivfoto­s: Marcus Merk, Frank Leonhardt ?? Seine Karriere Horst Haitzinger wurde 1939 in Eferding/Österreich geboren. Er studierte in Linz Gebrauchs und Werbe grafik und anschließe­nd Malerei und Grafik an der Aka demie der Bildenden Künste in München. 1958 erschien seine erste Veröffentl­ichung...
Horst Köhler und Theo Waigel bei einer Haitzinger Ausstellun­g Archivfoto­s: Marcus Merk, Frank Leonhardt Seine Karriere Horst Haitzinger wurde 1939 in Eferding/Österreich geboren. Er studierte in Linz Gebrauchs und Werbe grafik und anschließe­nd Malerei und Grafik an der Aka demie der Bildenden Künste in München. 1958 erschien seine erste Veröffentl­ichung...

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