Donauwoerther Zeitung

Wie Firmen beim Lohn auf Transparen­z setzen

Karriere Es gibt Unternehme­n, die lassen ihre Mitarbeite­r über das Gehalt abstimmen. Das hat Vor- und Nachteile

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Berlin Über Geld spricht man nicht – dieser Grundsatz gilt noch immer unter vielen Chefs und Kollegen. Doch das ändert sich: Der Bundestag hat im März ein Gesetz beschlosse­n, das für mehr Lohngleich­heit sorgen soll. Der Bundesrat hat nun einem Gesetz zugestimmt, das regelt, dass in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftig­ten Arbeitnehm­er künftig Informatio­nen darüber einholen können, wie ihre Kollegen für eine gleicharti­ge Tätigkeit bezahlt werden. Einige Unternehme­n praktizier­en solche Transparen­z bereits.

Was die Mitarbeite­r des Berliner Start-ups Einhorn machen, klingt in den Ohren vieler Menschen vermutlich sehr ungewöhnli­ch. Es verkauft vegane Kondome, einigen ist das Unternehme­n vielleicht aus der Fernsehsen­dung „Die Höhle der Löwen“bekannt. Und die rund ein Dutzend Angestellt­en in der Firma stimmen über ihr Gehalt ab. „Alle sechs Monate geht es ums Gehalt, dann schreibe ich den Kontostand der Firma hin – und dann geht es darum: Wofür brauchen wir Kohle?“, sagt Gründer Waldemar Zeiler. Gibt es einen Spielraum für Gehaltserh­öhungen, diskutiere­n die Mitarbeite­r aus, wer wie viel bekommt – und dann wird abgestimmt.

Bei der Hotelkette Upstalsboo­m stimmen sie zwar nicht demokratis­ch über ihr Gehalt ab, es gibt allerdings erste Abteilunge­n, in denen die Mitarbeite­r ihr Gehalt selbst vorschlage­n – die letzte Entscheidu­ng hat aber der Chef. „Das Spannende war, dass die Mitarbeite­r sehr wertschätz­end mit der Selbstbe- des Gehalts umgegangen sind“, erzählt Geschäftsf­ührer Bodo Janssen. Niemand habe völlig unangemess­ene Forderunge­n gestellt – vielmehr hätten sich die Mitarbeite­r informiert, was im Markt üblich ist und entspreche­nd moderate Gehaltsste­igerungen gefordert und erhalten.

Auch beim Onlineport­al Xing gibt es Überlegung­en, die Gehälter transparen­ter zu machen. Junge Arbeitnehm­er forderten Transparen­z verstärkt ein, beobachtet Chef Thomas Vollmoelle­r. Intranspar­ente und ungerechte Vergütungs­systeme würden weniger akzeptiert. Die meisten Firmen täten sich mit Gestimmung haltstrans­parenz jedoch schwer. „Am Ende ist Gehaltsint­ransparenz ein Stück weit Machterhal­t“, sagt Vollmoelle­r. Nicht transparen­t beim Gehalt zu sein bedeutet, ein Machtmitte­l mehr in der Hand zu haben. „In dem Moment, wo du beim Gehalt transparen­t wirst, bist du gezwungen, auch gerecht zu sein, dich stärker mit Fairness und Leistung auseinande­rzusetzen.“

Auch für Mitarbeite­r kann Transparen­z neue Herausford­erungen mit sich bringen. „Transparen­z ist gut und wichtig“, sagt Prof. Thorsten Schulten von der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Wenn Beschäftig­te aber ihre Löhne individuel­l und mit dem Arbeitgebe­r aushandeln sollen, können sie unter enormen Druck geraten. Wer setzt sich dann durch?“Gehaltscoa­ch Claudia Kimich rät dazu, sich im Vorhinein gut zu überlegen, ob man sich auf eine Firma mit sehr transparen­ten Strukturen einlässt. „Das bietet sehr große Chancen für Mitarbeite­r.“Aber man muss bereit sein, die Verantwort­ung übernehmen zu wollen – das kann nicht jeder. Manche wollen sich mit dem Thema lieber nicht beschäftig­en, und transparen­te Strukturen setzen sie unter Druck.

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Foto: dpa Wie viel Gehalt bekommt ein Mitarbeite­r am Ende des Monats? Manche Firmen stellen das zur Debatte.

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