Im Fußball spielt auch die Seele mit
Wer seine Leidenschaft zum Beruf machen möchte, gerne an der frischen Luft ist, ein dickes Konto und millionenfache Verehrung schätzt, sollte eine Beschäftigung als Fußball-Profi anstreben. Wer dagegen lieber gesund bleibt, wird Gärtner oder Förster.
Der Profisport im Allgemeinen und der Fußball im Besonderen verschleißt seine Akteure. Davon zeugen die Verletztenbulletins der Vereine. Was dort nicht auftaucht, sind psychische Schäden. Angststörungen, Depressionen, Psychosen und was das Feld der seelischen Erkrankungen sonst noch alles zu bieten hat.
Während dem Opfer des Schienbeinbruches Respekt und Mitgefühl sicher sind, weil jeder sich darunter etwas vorstellen kann, schweigt der Depressive seine Erkrankung tot. Versteht keiner, bringt nichts. Die Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV), die mehr weiß, als Verletztenbulletins verraten, hat jetzt Alarm geschlagen: Fußballprofis haben zunehmend psychische Probleme. Genaugenommen keine Überraschung: Psychische Defekte haben sich zur Volkskrankheit entwickelt, nicht nur in Deutschland. Mag sein, dass nicht jeder, der schwer aus dem Bett kommt, unter Depressionen leidet. Aber die Entwicklung ist nicht zu leugnen: Das moderne Leben macht krank. Höher, schneller, weiter – der olympische Dreikampf bestimmt Beruf und Freizeit.
Ausgebranntsein kann jeden treffen. Den hochtourig laufenden Manager, der plötzlich ausgebrannt auf der Stelle verharrt. Die Krankenschwester, die nachts die Bilder der sterbenden Patienten nicht mehr aus dem Kopf bekommt, die Alleinerziehende, die ihre kranken Eltern pflegt. Alle, die überfordert sind oder sich so fühlen.
Im Sport verdichtet sich dieses Leben. An seiner Spitze ist er mehr als nur gesellschaftlicher Spiegel. Er ist Versuchsfeld für Leidensfähigkeit. Psychische Erkrankungen treten besonders gern dort auf, wo die Leistungsgesellschaft ihre absonderlichsten Blüten treibt. Wer im Sport Erfolg haben will, muss hart sein. Wer nicht hart ist, hat verloren. Wer sich diesem Druck immer und immer wieder aussetzen muss, knickt möglicherweise irgendwann ein. Die Fußballer Robert Enke, Andreas Biermann (FC St. Pauli) und Guido Erhardt (1860 München) haben sich das Leben genommen. Andere wie Sebastian Deisler oder Sven Hannawald hat der Leistungssport durch seine Mühle gedreht und dann wieder ausgespuckt.
Immerhin: Gesellschaft und Sport haben in den letzten Jahren dazugelernt. Der Umgang mit psychischen Erkrankungen ist inzwischen offener. Zu verdanken ist das auch – so bitter das sein mag – Enke und den anderen, die ihr Leben nicht mehr ertragen konnten.