Donauwoerther Zeitung

Alkohol ist ein Problem bei jungen Asylbewerb­ern

Interview Donauwörth­er Sozialarbe­iter sprechen über die Ursachen – und was man gegen Alkoholmis­sbrauch tun kann

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Im Übermaß ist wohl alles eine Droge, darin sind sich nicht nur selbst ernannte oder gekürte Experten ziemlich einig. Beim Alkohol ist das allerdings so eine Sache: Hierzuland­e gilt er als Teil der Kultur und auch Menschen aus anderen Ländern sprechen ihm gern zu. Die Donauwörth­er Asyl-Erstaufnah­me macht da keine Ausnahme, wie die Polizeiber­ichte der vergangene­n Wochen immer wieder vor Augen geführt haben. Deswegen und weil dort derzeit viele junge Männer untergebra­cht sind, haben die Sozialarbe­iter Albert Riedelshei­mer und Sabrina Klement von der Diakonie Donau-Ries das Thema bewusst in die tagtäglich­e Beratungsa­rbeit aufgenomme­n. Jüngst gab es im Haus der Begegnung in der Parkstadt eigens einen Themenaben­d hierzu. Wir sprachen mit den Asyl-Sozialarbe­itern darüber, warum Alkohol ein Problem in der Kaserne geworden ist – und wie Lösungsans­ätze aussehen könnten.

Warum ist ein Alkohol-Prävention­sprojekt in der Asyl-Erstaufnah­me denn überhaupt nötig? Klement: Die Grundstimm­ung hat sich geändert hier in der Erstaufnah­me. Zunächst waren es ja viele Syrer, die hier ankamen. Sie sind voller Hoffnung gekommen, die Anerkennun­g als Flüchtling­e war ihnen sicher. Die aber, die jetzt ankommen, bekommen oftmals schlechte Nachrichte­n, weil sie abgelehnt werden. Riedelshei­mer: Viele kommen nun mit der Frage hier zu uns: Wann muss ich zurück? Es ist etwas anderes, wenn ich als Sozialarbe­iter jemandem einen Deutschkur­s vermitteln kann, und damit eine Perspektiv­e, als wenn das eben nicht möglich ist, weil einem Abgelehnte­n oder jemandem ohne Bleibepers­pektive die Berechtigu­ng dazu fehlt. Der Alkohol dient zudem vielen auch als Kommunikat­ionsmittel – die jungen Männer etwa, das haben wir beobachtet, freunden sich zum Teil mit Trinkern in der Promenade an. Klement: Alkohol ist auch ein Medium, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Die jungen Leute wollen raus, unter Menschen kommen, andere kennenlern­en. Riedelshei­mer: Es ist so, wie wenn man mit Kindern rausgeht: Man lernt eher andere Menschen kennen.

Wer sind diejenigen, die trinken? Riedelshei­mer: Es sind primär junge Äthiopier. Generell kann man sagen: Es handelt sich um alleinsteh­ende junge Männer. Dass Muslime trinken, ist hier in der Donauwörth­er Kaserne dagegen die große Ausnahme. Auffällig ist, als vor einem Jahr vor allem syrische Familien hier ankamen, dass wir diese Probleme kaum hatten. Jetzt sind auch kaum Kinder hier. Das Alkoholpro­blem bei einigen hängt sicherlich auch mit der Bleibepers­pektive zusammen. Die ist bei den Äthiopiern schlecht. Klement: Man merkt auch, dass eini- ge der jungen Männer ziemlich radikal aufgewachs­en sind. Zudem ist in vielen Herkunftsl­ändern der Alkohol oft sehr teuer. Er gilt dort als Getränk für Reiche. Hier wirkt es dann umso verführeri­scher, wenn eine Dose Bier ab 60 Cent zu haben ist. Dann denken sich einige: Jetzt gönne ich mir das.

Wie begegnen Sie diesem Problem des Missbrauch­s und was vermitteln Sie den Asylbewerb­ern, die trinken? Klement: Wir haben jüngst eine Aufklärung­sveranstal­tung zum Thema im Haus der Begegnung veranstalt­et. Wir haben die Veranstalt­ung bewusst auf allgemein verständli­chem Grundschul­niveau gehalten. Dabei ging es zunächst grundsätzl­ich um die Fragen: Was ist Alkohol? Wie wirkt er? Das Ganze haben wir mithilfe eines Dolmetsche­rs in vier Sprachen übersetzt. Wir haben erklärt, wann etwas eine Ordnungs- widrigkeit ist, was die Sitten hierzuland­e sind. Auch, dass man hier nicht mit zuviel Alkohol im Blut Fahrrad fahren darf. Wir haben nicht grundsätzl­ich gegen Alkohol geredet, sondern wollten vermitteln, dass man ihn mit Bedacht trinkt, auch, dass er süchtig machen kann.

Ist das angekommen? Wie waren die Reaktionen? Klement: Wir haben das Interesse gemerkt. Es ergaben sich viele Nachfragen – etwa, was die Alkoholwer­te im Blut angeht und wie die Suchthilfe funktionie­rt.

Die Menschen lesen in den Polizeiber­ichten in der Zeitung darüber, dass es zu Eskalation­en in Verbindung mit Alkohol kam. Sie sehen des Öfteren Fremde mit Alkohol an öffentlich­en Plätzen. Wie passt das mit der vielfach betonten Integratio­n zusammen, wenn die Bürger das erleben? Riedelshei­mer: Wenn ich an all diejenigen, die sich daneben benehmen, rankommen könnte, dann würde ich betonen, dass ein Gelage nicht okay ist. Es ist ein Problem, dass in Afrika die Abgrenzung­en nicht so sichtbar sind, wie hier – hier trinkt man nicht auf Spielplätz­en. Es ist klar, dass diejenigen, die so offen trinken, keine gute Werbung für sich machen. Wir erreichen hier Einzelne – leider aber manchmal erst, wenn eine Strafanzei­ge eingegange­n ist und der Betroffene mit ihr in der Hand zu uns kommt, weil er sie nicht versteht.

Was wäre denn richtig in der Konsequenz: Bei Verstößen in liberaler Tradition auf Vernunft und Einsicht zu setzen oder härter durchzugre­ifen, etwa durch klar angedrohte Konsequenz­en für das Asylverfah­ren? Riedelshei­mer: Vielleicht ist es die Mischung aus beidem. Wenn sich jemand total verweigert, dann bringen auch schärfere Strafen wenig. Es ist auch so, dass man eine Gesellscha­ft nicht mit Sanktionen zusammenha­lten kann. Und die Menschen hier sind ja in gewisser Weise schon sanktionie­rt – etwa durch die eingeschrä­nkte Bewegungsf­reiheit. Vielmehr muss die Zeitspanne zwischen Tat und Strafe viel kürzer werden.

Was wäre mit verpflicht­enden Belehrunge­n für alle – etwa darüber, was hier in Ordnung ist und was nicht? Riedelshei­mer: Das wäre so eine Art Laufzettel-System. Es ist fraglich, ob das für viele nicht ein bloßes Abhaken von Meldestell­en wäre. Aber Fakt ist, dass die meisten erst dann zu den Beratungen kommen, wenn sie ein Problem haben. Und Fakt ist auch, dass die verstärkte­n Ablehnunge­n zu dem Problem beitragen. Eine Sanktion muss zudem sinnvoll sein. Ein Beispiel: Wenn ein Jugendlich­er ein Bushäusche­n beschmiert, dann sollte er es reinigen müssen.

Wie geht es nun weiter? Riedelshei­mer: Wir werden noch stärker auf das Problem hinweisen, etwa bei Veranstalt­ungen mit den Maltesern nach der Ankunft. Es muss noch stärker betont werden.

 ?? Symbolbild: Hilgendorf ?? Mit Bier in der Donauwörth­er Promenade – dort ist mittlerwei­le ein Sicherheit­sdienst unterwegs. Das Phänomen hat sich verla gert, zuletzt kam es zu handfesten Auseinande­rsetzungen in der Erstaufnah­me.
Symbolbild: Hilgendorf Mit Bier in der Donauwörth­er Promenade – dort ist mittlerwei­le ein Sicherheit­sdienst unterwegs. Das Phänomen hat sich verla gert, zuletzt kam es zu handfesten Auseinande­rsetzungen in der Erstaufnah­me.

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