Alkohol ist ein Problem bei jungen Asylbewerbern
Interview Donauwörther Sozialarbeiter sprechen über die Ursachen – und was man gegen Alkoholmissbrauch tun kann
Donauwörth Im Übermaß ist wohl alles eine Droge, darin sind sich nicht nur selbst ernannte oder gekürte Experten ziemlich einig. Beim Alkohol ist das allerdings so eine Sache: Hierzulande gilt er als Teil der Kultur und auch Menschen aus anderen Ländern sprechen ihm gern zu. Die Donauwörther Asyl-Erstaufnahme macht da keine Ausnahme, wie die Polizeiberichte der vergangenen Wochen immer wieder vor Augen geführt haben. Deswegen und weil dort derzeit viele junge Männer untergebracht sind, haben die Sozialarbeiter Albert Riedelsheimer und Sabrina Klement von der Diakonie Donau-Ries das Thema bewusst in die tagtägliche Beratungsarbeit aufgenommen. Jüngst gab es im Haus der Begegnung in der Parkstadt eigens einen Themenabend hierzu. Wir sprachen mit den Asyl-Sozialarbeitern darüber, warum Alkohol ein Problem in der Kaserne geworden ist – und wie Lösungsansätze aussehen könnten.
Warum ist ein Alkohol-Präventionsprojekt in der Asyl-Erstaufnahme denn überhaupt nötig? Klement: Die Grundstimmung hat sich geändert hier in der Erstaufnahme. Zunächst waren es ja viele Syrer, die hier ankamen. Sie sind voller Hoffnung gekommen, die Anerkennung als Flüchtlinge war ihnen sicher. Die aber, die jetzt ankommen, bekommen oftmals schlechte Nachrichten, weil sie abgelehnt werden. Riedelsheimer: Viele kommen nun mit der Frage hier zu uns: Wann muss ich zurück? Es ist etwas anderes, wenn ich als Sozialarbeiter jemandem einen Deutschkurs vermitteln kann, und damit eine Perspektive, als wenn das eben nicht möglich ist, weil einem Abgelehnten oder jemandem ohne Bleibeperspektive die Berechtigung dazu fehlt. Der Alkohol dient zudem vielen auch als Kommunikationsmittel – die jungen Männer etwa, das haben wir beobachtet, freunden sich zum Teil mit Trinkern in der Promenade an. Klement: Alkohol ist auch ein Medium, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Die jungen Leute wollen raus, unter Menschen kommen, andere kennenlernen. Riedelsheimer: Es ist so, wie wenn man mit Kindern rausgeht: Man lernt eher andere Menschen kennen.
Wer sind diejenigen, die trinken? Riedelsheimer: Es sind primär junge Äthiopier. Generell kann man sagen: Es handelt sich um alleinstehende junge Männer. Dass Muslime trinken, ist hier in der Donauwörther Kaserne dagegen die große Ausnahme. Auffällig ist, als vor einem Jahr vor allem syrische Familien hier ankamen, dass wir diese Probleme kaum hatten. Jetzt sind auch kaum Kinder hier. Das Alkoholproblem bei einigen hängt sicherlich auch mit der Bleibeperspektive zusammen. Die ist bei den Äthiopiern schlecht. Klement: Man merkt auch, dass eini- ge der jungen Männer ziemlich radikal aufgewachsen sind. Zudem ist in vielen Herkunftsländern der Alkohol oft sehr teuer. Er gilt dort als Getränk für Reiche. Hier wirkt es dann umso verführerischer, wenn eine Dose Bier ab 60 Cent zu haben ist. Dann denken sich einige: Jetzt gönne ich mir das.
Wie begegnen Sie diesem Problem des Missbrauchs und was vermitteln Sie den Asylbewerbern, die trinken? Klement: Wir haben jüngst eine Aufklärungsveranstaltung zum Thema im Haus der Begegnung veranstaltet. Wir haben die Veranstaltung bewusst auf allgemein verständlichem Grundschulniveau gehalten. Dabei ging es zunächst grundsätzlich um die Fragen: Was ist Alkohol? Wie wirkt er? Das Ganze haben wir mithilfe eines Dolmetschers in vier Sprachen übersetzt. Wir haben erklärt, wann etwas eine Ordnungs- widrigkeit ist, was die Sitten hierzulande sind. Auch, dass man hier nicht mit zuviel Alkohol im Blut Fahrrad fahren darf. Wir haben nicht grundsätzlich gegen Alkohol geredet, sondern wollten vermitteln, dass man ihn mit Bedacht trinkt, auch, dass er süchtig machen kann.
Ist das angekommen? Wie waren die Reaktionen? Klement: Wir haben das Interesse gemerkt. Es ergaben sich viele Nachfragen – etwa, was die Alkoholwerte im Blut angeht und wie die Suchthilfe funktioniert.
Die Menschen lesen in den Polizeiberichten in der Zeitung darüber, dass es zu Eskalationen in Verbindung mit Alkohol kam. Sie sehen des Öfteren Fremde mit Alkohol an öffentlichen Plätzen. Wie passt das mit der vielfach betonten Integration zusammen, wenn die Bürger das erleben? Riedelsheimer: Wenn ich an all diejenigen, die sich daneben benehmen, rankommen könnte, dann würde ich betonen, dass ein Gelage nicht okay ist. Es ist ein Problem, dass in Afrika die Abgrenzungen nicht so sichtbar sind, wie hier – hier trinkt man nicht auf Spielplätzen. Es ist klar, dass diejenigen, die so offen trinken, keine gute Werbung für sich machen. Wir erreichen hier Einzelne – leider aber manchmal erst, wenn eine Strafanzeige eingegangen ist und der Betroffene mit ihr in der Hand zu uns kommt, weil er sie nicht versteht.
Was wäre denn richtig in der Konsequenz: Bei Verstößen in liberaler Tradition auf Vernunft und Einsicht zu setzen oder härter durchzugreifen, etwa durch klar angedrohte Konsequenzen für das Asylverfahren? Riedelsheimer: Vielleicht ist es die Mischung aus beidem. Wenn sich jemand total verweigert, dann bringen auch schärfere Strafen wenig. Es ist auch so, dass man eine Gesellschaft nicht mit Sanktionen zusammenhalten kann. Und die Menschen hier sind ja in gewisser Weise schon sanktioniert – etwa durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Vielmehr muss die Zeitspanne zwischen Tat und Strafe viel kürzer werden.
Was wäre mit verpflichtenden Belehrungen für alle – etwa darüber, was hier in Ordnung ist und was nicht? Riedelsheimer: Das wäre so eine Art Laufzettel-System. Es ist fraglich, ob das für viele nicht ein bloßes Abhaken von Meldestellen wäre. Aber Fakt ist, dass die meisten erst dann zu den Beratungen kommen, wenn sie ein Problem haben. Und Fakt ist auch, dass die verstärkten Ablehnungen zu dem Problem beitragen. Eine Sanktion muss zudem sinnvoll sein. Ein Beispiel: Wenn ein Jugendlicher ein Bushäuschen beschmiert, dann sollte er es reinigen müssen.
Wie geht es nun weiter? Riedelsheimer: Wir werden noch stärker auf das Problem hinweisen, etwa bei Veranstaltungen mit den Maltesern nach der Ankunft. Es muss noch stärker betont werden.