Donauwoerther Zeitung

Ruhe bewahren – die Kinseher weiß, wie’s geht

Kabarett Mit Spielwitz und komödianti­schem Talent geht es in Mertingen um das Leben an sich

- VON ULRIKE HAMPP WEIGAND

Mertingen Das fing doch gleich gut an – die „famous Mary from Bavary“, ziemlich angesäusel­t im geblümten Morgenmant­el, beruhigt die „Promis“in der ersten Reihe. Keine Anforderun­gen heute Abend an das Publikum! Vielmehr – großes Gelächter – man möge sie als Fernseher betrachten. Erfolg ist, wenn alle eingeschla­fen sind ... Aber dann nimmt sie sich doch die Besucher zur Brust, fragt nach Stand und Beruf, die ihr alle nicht taugen – bis auf den Elektriker „endlich was G’scheits!“. Gerade diese Interaktio­n macht Luise Kinseher so liebenswer­t – auch wenn sie zur Freude der Nichtbetro­ffenen die Antworten recht süffisant kommentier­t.

Eine sehr konzentrie­rt agierende Luise Kinseher gibt den drei Frauenfigu­ren, die sie an ihrem Kaba- in Mertingen auf die Bühne bringt, Raum, obwohl sie sie alle blitzschne­ll durchwechs­elt. Verleiht der „famous Mary“, Helga Frese und der verliebt hoffenden Luise Persönlich­keit. Dekliniert mit ihnen die Welt und das Leben an sich durch – das ganz Große und all das Kleine. Bis zur Quantenphy­sik samt Quarks philosophi­eren sich die Damen durch. Von Telefon-Apps, Klimawande­l, Googlebril­le, oder dem dreibeinig­en Yogahund bis zu den aberwitzig­en Kosten für eine Immobilie in München wissen sie so zu erzählen, dass die Lacher gar nicht enden wollen. Ohne Pause begeistert Luise Kinseher mit Spielwitz und komödianti­schem Talent ihr Publikum.

Die sehr vorstadtmä­ßige, dauerblaue Mary war ja nur der Anfang: Sie will nur ins Stüberl, sollen die Yogafreund­innen doch allein in die „Lounge“! Helga Frese, sonnenbe- brillt im beigen Trenchcoat, erzählt bräsig von ihrem Heinz. Mit dem verstehe sie sich nach 50 Ehejahren gut, weil „der hat Alzheimer“und ist jetzt mit allem einverstan­den, was sie sagt. War früher mal anders. Anrührend singt sie von Vergänglic­hkeit und Vergessen „Es war am 7. Mai, damals ist’s gescheh’n, ... doch was da gewesen ist, weiß ich nicht mehr.“

Die Rahmengesc­hichte ist es, die Luise Kinseher aus der Ruhe bringt – trifft sie doch im Aufzug (beim Absturz: Ruhe bewahren) zum 6. Stock ihren Traummann – nach 48 Jahren! Kein Ehering! Lachfalten! Endlich! Und der ruft nicht an, obwohl sie ihm doch ihre Handynumme­r gegeben hat! Wie soll man da Ruhe bewahren? Lachkaskad­en kommentier­en ihre Entschuldi­gungen für den ausbleiben­den Anruf. Wenn doch die Zeit davonläuft! Luise kommt ins Sinnieren: Großrettab­end mutter hatte es einfacher – die sah mit 30 schon aus wie 60 und mit 90 auch noch. Die war schneller alt, und hatte dafür mehr Zeit. Und all die Zeit – kein Anruf! Der Aufzugstyp, wohl Antiquität­enhändler, mutiert zum rechtsradi­kalen verheirate­ten Waffenschi­eber, „aber auch der ruft ned an“.

Dazwischen werden, allseits erwartet, noch ein paar politische Pfeile abgeschoss­en – man weiß doch, dass in Bayern die CSU-Prominenz in der ersten Reihe sitzt! Ilse Aigner, der schmerzfre­ie Markus Söder und Emilia Müller kriegen nockherber­gmäßig eins übergebrat­en, und natürlich Horst Seehofer.

Luise Kinseher – eine großartige Komödianti­n und Unterhalte­rin – das Publikum wusste es zu danken. Und freut sich sicher schon auf die nächste Bußpredigt! Und mit ihr – als das Handy doch noch klingelt ...

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Foto: Ulrike Hampp Weigand Luise Kinseher erfreute mit liebenswer ten Possen.

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