Mit dem Kopf gegen Mauer
Justiz Nördlinger Rentner trat einen Elfjährigen, zog ihn an den Haaren und stieß dessen Kopf gegen die Wand. Auch im Gericht zeigt er sich rabiat
Nördlingen Er sieht unscheinbar aus, in sich gekehrt. Nicht wie jemand, den man sich auf der Anklagebank sitzend vorstellen würde. Kariertes Hemd, schwarze Hose, einige wenige weiße Haare auf dem Kopf verteilt. Doch es ist nicht das erste Mal, dass der 72-Jährige sich vor Gericht verantworten muss. Diesmal geht es um eine Körperverletzung. Er soll einen elfjährigen Bub in Nördlingen angegriffen haben.
„Ich habe das nicht gemacht“, bekräftigt der Rentner, der ohne Verteidiger zur Verhandlung des Jugendgerichts am Nördlinger Amtsgericht erschienen war. Auf seinem Weg mit dem Rad in die Nördlinger Innenstadt durchs Baldinger Tor soll der Mann an einer Gruppe Kinder vorbeigekommen sein. Einem der Buben soll der 72-Jährige gegen den Unterschenkel getreten haben, danach habe er ihn an den Haaren nach oben gezogen und seinen Kopf gegen die Mauer geschlagen, sodass sich der Junge leicht verletzte. „Das entspricht nicht der Wahrheit“, sagt der Angeklagte während der Verhandlung immer wieder. Unmittelbar nach dem Vorfall soll der Rentner wieder auf sein Rad gestiegen und weitergefahren sein. Die zum Baldinger Tor gerufene Polizeistreife konnte ihn anschließend nicht mehr ausfindig machen.
Die Familie des elfjährigen Buben wendete sich an die Medien und startete einen Facebook-Aufruf, suchte Zeugen des Vorfalls. Zwei Menschen meldeten sich, eine davon war eine junge Nördlingerin, die vor Gericht ihre Aussage machte. Erst als der geschädigte Bub den 72-Jährigen einige Wochen nach der Tat zufällig wieder in der Stadt traf, war es den Beamten möglich, seine Identität aufzuklären.
„Halt deine Gosch“
Vor Gericht schildert der Elfjährige, was an dem Nachmittag genau passiert war. Der Radfahrer sei ihm beim Durchqueren des Baldinger Tors über die Füße gefahren, daraufhin habe der Elfjährige gerufen, dass der Radfahrer doch aufpassen möge. Dieser habe nur geschrien „Halt deine Gosch!“. Kurz darauf habe der Radfahrer angehalten und sei auf ihn zugekommen. Dann sei es wie in der Anklageschrift beschrieben abgelaufen. Seine Nase habe geblutet, erinnert sich der Bub. Er sei sich ganz sicher, dass es der 72-Jährige gewesen ist. Einer der Freunde bekräftigte die Aussage, war sich jedoch bei der Identität des Täters zwar ziemlich, aber nicht hundertprozentig sicher. Die Zeugin, die von der Familie des Bubs auf Facebook gefunden wurde, glaubte ebenfalls, den Rentner am Tatort gesehen zu haben. Von dem Angriff direkt habe sie jedoch nichts mitbekommen. Das Gesicht des Radfahrers habe sie nicht gesehen, aber das Erscheinungsbild des Manns stimme.
Für den Vorsitzenden Richter Andreas Krug gab es „nicht den Hauch eines Zweifels“, dass der 72-Jährige der Täter war, auch wenn dieser sich bis zum Ende der Verhandlung strikt dagegen wehrte. Der Geschädigte habe ihn nach mehreren Wochen sofort wieder erkannt, auch die anderen Zeugen glaubten, dass er es war. „So geht es ja wohl gar nicht“, sagte Krug in Richtung des Angeklagten, der zuvor mit seinem letzten Wort („Sperrt mich ruhig für zwei oder drei Jahre ein, ich habe sowieso nichts zu verlieren“) für Aufsehen gesorgt hatte.
Der Richter äußerte wegen des Verhaltens des 72-Jährigen Zweifel am Unrechtsbewusstsein des Angeklagten, der erst kürzlich eine Geldstrafe auferlegt bekam, weil er seinem Nachbarn die Reifen zerstochen hatte. Auch während der Verhandlung grantelte der Mann so gegen seinen Nachbarn, dass Krug ihn einbremsen musste. All das habe ihn dazu bewogen, eine noch höhere als die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe zu verhängen, sagte Richter Andreas Krug.
Der 72-jährige Angeklagte wurde letztlich zu drei Monaten mit Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro verurteilt. Der Rentner kündigte sofort an, Berufung einlegen zu wollen. „Ich schlage doch kein Kind, so was würde ich nie machen“, hatte der Angeklagte zuvor lautstark erklärt.